1. Merkmale eines Mobbingopfers
Wir haben uns verliebt! Lachten zusammen. Waren von einander entzückt. Besprachen alles, was uns in den Sinn kam. Freuten uns aufeinander. Waren auf Augenhöhe. Dann kam der Tag an dem ich auf einem Dorffest all seiner Freunden und Verwandten kennenlernten. "Jetzt hab‘ ich dich im Sack! Jetzt sind wir ein Paar!" erklärte er vor dem Einschlafen. Und am nächsten Morgen bin ich mit einem anderen Wesen aufgewacht. Seine Grundstimmung war schlecht gelaunt, vorwurfsvoll und kritisch in allem mir gegenüber. Es gab keine gemeinsame Kommunikation mehr. Auf meine Worte reagierte er nicht mehr. Mein Wohlbefinden berührte ihn nicht mehr. Nach einiger Zeit gab ich auf und machte Schluss. Als er begriffen hatte, dass ich es ernst meinte, schaltete er auf Werbungsmodus, war aufmerksam und absprache-willig. Als wir circa 8 Wochen später gemeinsam einen Urlaub buchten, legte sich der Schalter wieder um. Inzwischen verstand ich, was in ihm vor sich ging. Mein ganzes Leben und über 45 Jahre psychotherapeutisches Wirken hatten mich vorbereitet. Ich jetzt hatte es hier mit einem Fall von Mobbing in der Intimbeziehung zu tun. Grundsätzlich ist Mobbing in der Paarbeziehung aber auch in der Ursprungsfamilie sehr weit verbreitet. Erst seitdem es im öffentlichen Raum „salonfähig“ geworden ist und ersten Urteile gegen Mobbing auf der Arbeitsstelle gefällt werden, trauen sich die Opfer ins Licht. Inzwischen ist es ein gesellschaftlich und wirtschaftlich anerkanntes Phänomen, dass wenn das Selbstwert einer Person durch Mobbing geschädigt wird, ihre Produktivität und ihr Gesundheitszustand leidet. Du fragst, was ist mit Moral/Ethik/Liebe und mit der Menschenwürde? Die Frage wird später behandelt. Hier geht es erst einmal darum, die persönliche Erfahrung als Gemobbte in der Liebesbeziehung in einer weiteren Perspektive zu erhalten. Denn: Du bist nicht allein!
Während ich diesen Text schreibe, befinden wir uns mitten in der Corona Pandemie. Für viele meine*n Patient*innen, die unter Einsamkeit und einer Singles-Dasein leiden, ist es eine große Erleichterung, zu wissen, dass sehr viele Menschen nun dazu gezwungen sind, minimalistisch soziale Kontakte zu pflegen. Das Gefühl - auch wenn ich kein direktes Gespräch mit anderen habe, die de facto mein Schicksal erleiden - tut gut, zu wissen, dass es eine Vielzahl an Menschen gibt, die auch das erleiden, was mich quält. Natürlich ist das Aufkommen von sozialen Media hilfreich, um unter anderem Leidensgenossen zu finden. Das Bewusstsein ein Teil einer Interessengruppe zu sein, die ich eventuell durch direkten sozialen Kontakt nicht gefunden hätte, hilft, mich mit meinem Problem auseinander zu setzen. Die Gemeinschaft der Mobbing-Opfer in der Liebesbeziehung ist unüberschaubar, weil das Phänomen in der Kultur der Machtgewinn durch Schädigung verankert ist und es Jahrhunderte lang verpönt war, darüber zu sprechen. Auch wenn man darüber sprach, fand es kein Gehör. In einer Gesellschaft, die Wert auf die Position in der Hackordnung legt, wird oft die Hackordnung in der Paarbeziehung meist schnell nach dem Bekenntnis des Paars zu einander, etabliert. Interessanterweise ist dies genauso wenig biologisch vorgegeben, wie Konkurrenz allgemein. Es ist ein kulturell angelegtes Programm.
Nichtsdestotrotz habe ich das Kapitel „Im Zweifel für den Angeklagten (Opfer). Dieser Titel spiegelt dem Zustand des Mobbingopfer wieder: Es befindet sich dauerhaft - oder zumindest wiederholt – unter Anklage des Täters, der sich dadurch höher in der intimen Hackordnung setzt und deswegen mehr Macht und mehr Glaubwürdigkeit innehat. Das Opfer wird angeklagt, dass es nicht genüge, alles falsch mache, unglaubwürdig, unfähig sei, den Täter nerve, usw. Gleichzeitig zollt das Opfer dem Mobber meist mehr Glaubwürdigkeit und stellt seine eigene Wahrnehmung und seinen Wert in Frage.
Ein Englischer Kinderreim aus dem 19. Jahrhundert sagt: “Sticks and stones can break my bones, but words can never hurt me.” (Stöcke und Stecken können Knochen brechen, aber Worte tun mir nicht weh.) Der Reim ermutigt das Kind Verspottung zu ignorieren und gelassen und mit Würde, die Angriffe versanden zu lassen. Die Fähigkeit, Schmach, schwere Kränkung, Schande oder Demütigung auszublenden und einfach so tun, als ob, alles in Ordnung ist, wurde über Jahrhunderte von denen, die ihre niedrige Stellung in der Hackordnung akzeptieren mussten, praktiziert. Der Spruch "gute Miene zum bösen Spiel" heißt, widerwillig aber notgedrungen eine unangenehme Sache, die man als Bösartigkeit empfindet, zu ignorieren und hinzunehmen. Auch das Sprichwort: "Der Klügere gibt nach." erzieht die Menschen, klein beizugeben, um Konflikte zu vermeiden einerseits und andererseits um Schaden zu begrenzen, wenn die Gewinnaussichten bei einem Konflikt sehr schlecht sind. Solange die Machtverhältnisse klar und relativ stabil sind, haben die, die keine guten Gewinnaussichten hatten, gelernt, seelische Angriffe zu ignorieren und ihre Aufmerksamkeit lieber dort hinzulenken, wo sie die Macht hatten, etwas zu bewirken. So erzogen, ist der Mensch sogar stolz darauf, so souverän mit Misshandlungen aller Art umgehen könnten.
Im Mittelalter, konnte jeder, der es sich leisten konnte, ein Pferd zu halten und zu reiten, Kavalier nennen. Der Kavalier war ein Machtinhaber, der sich "kleinere" Unrechtmäßigkeiten leisten könnte, weil die Gerichte ein Auge zudrücken und das Fußvolk sowieso dagegen nicht ankam. So entstand der Begriff "Kavaliersdelikt". Mobbing, insbesondere in der Intimbeziehung, wäre als Kavaliersdelikt abgetan worden, hätte es damals den Begriff schon gegeben. Andere Menschen schlecht behandeln galt lange Zeit als Marotte von Machtinhabern. Er konnte sich diesen Spleen leisten, weil sowieso niemand sich herablassen würde, Partei für das Opfer zu ergreifen. Das Recht, sich vernichtend über anderen Menschen zu erheben, erlebte einen Höhepunkt unter der SS-Regime in Deutschland. Die Verfolgung der Juden und sonstiger "Untermenschen" fing mit Diffamierung und offiziellem Mobbing an. Es gewöhnte das Volk an die Abwertung und war der Vorbote der Vernichtungslager. In Deutschland erschien vor ein paar Jahren der Film "Das Weiße Band". Dieser zeigt den insgesamt aus heutiger Sicht traumatisierenden zwischenmenschlichen Umgang, der unter anderem auch in dem engsten Familienkreis Unterdrückung, Verachtung, Misshandlung, Missbrauch, emotionale Kälte und Ohnmacht förderte. Mobbing gehörte im alten Paradigma selbstverständlich zum Alltag.
In meiner Jugend habe ich einen kleinen Artikel in der Zeitung gelesen. Heute weiß ich, es ging um Mobbing. Es wurde von einem eigenartigen Phänomen berichtet, wobei Kinder in Internaten in England ein Kind aussuchten, das konsequent von allen anderen Kindern als "Luft" behandelt wurde, solange bis es sich suizidierte. Es wurden Wetten abgeschlossen, wie lange es dauern würde und mit welcher Methode, das Zielkind sich umbringen würde. In den 60iger Jahren war ein Kind, das auf Augenhöhe mit seinen Eltern über seine Erfahrungen sprechen konnte, eine große Ausnahme. Die Erziehung sah Kinder als Objekte der Erziehung vor. Sie waren genauso wenig Beteiligte auf Augenhöhe, wie sonstige Menschen, Tiere, Pflanzen in einer monotheistischen Kultur, die Machthierarchie als Gottgegeben handhabte. Den untergeordneten Partner in einer Liebesbeziehung traf ein ähnliches Los. Es ist sehr wichtig zu verstehen, dass in der bisherigen Kultur, jeder ein Mobbingopfer werden kann.
Auch wenn du die Abwertungen zu Hause einfach nicht ernst nimmst (eine Art Kontra-Mobbing!), wirken sich Abwertungen auf das Schmerzzentrum im Gehirn aus. Auch wenn der Lärm in der Disko dich nicht stört, wirkt er sich dennoch auf dein Hörorgan aus: Du nimmst Schaden. Die Aufgabe dieses Buches ist es, Paare die Voraussetzungen für eine Beziehung auf Augenhöhe mitzugeben. Leider kann das bedeuten, dass das Verhalten, das dir bisher nicht störte, vielleicht, weil es dir bisher nicht bewusst war, dir jetzt bewusst wird. In der Tat brauchst du ein gewisses Radar dafür, um die Kommunikation und den Umgang mit einander zu verbessern.
Nimmst du aber die Misshandlungen als solche wahr, hast du vermutlich ein Problem und wirst zuerst einmal emotional reagieren. Die meisten Menschen haben nicht oder kaum gelernt, ihre Emotionalität sinnvoll zu steuern. Daher ist die Gefahr, dass du auf die Wahrnehmung von selbst erlittenem Unrecht anfangs emotional zu heiß oder zu kalt reagierst. In beiden Fällen werden wir dann von unseren Gefühlen getrieben, anstatt unsere emotionale Intelligenz einzusetzen und kompetent und gedeihlich zu handeln.
Experiment
Stelle oder setze dich ganz aufrecht hin: die schweren Knochen sollen übereinandergestapelt sein – Schädel über Schultern über Becken. Prüfe ob du wirklich zentriert bist, indem du leicht nach rechts und links, nach vorn und zurück pendelst bis du deine Mitte gefunden hast. Atme ruhig und gleichmäßig durch die Nase ein und aus.
Erste Runde: Stell dir eine Situation vor, die dich traurig macht. Steigere dich immer tiefer in der Vorstellung, bis du merkst, wie deine Körperhaltung sich ändert. Verharre noch in dem Gefühl, bis es dir reicht. Dann richte deine Aufmerksamkeit wieder ganz auf deinen Körper. Blinzele, räkele dich und schüttele gründlich deinen ganzen Körper aus.
Stelle oder setze dich ganz aufrecht hin: die schweren Knochen sollen übereinandergestapelt sein – Schädel über Schultern über Becken. Prüfe ob du wirklich zentriert bist, indem du leicht nach rechts und links, nach vorn und zurück pendelst bis du die Mitte gefunden hast. Atme ruhig und gleichmäßig durch die Nase ein und aus.
Zweite Runde: Stell dir eine Situation vor, die dich wütend macht. Steigere dich immer tiefer in der Vorstellung, bis du merkst, wie deine Körperhaltung sich ändert. Verharre noch in dem Gefühl, bis es dir reicht. Dann richte deine Aufmerksamkeit wieder ganz auf deinen Körper. Blinzele, räkele dich und schüttele gründlich deinen ganzen Körper aus.
Stelle oder setze dich ganz aufrecht hin: die schweren Knochen sollen übereinandergestapelt sein – Schädel über Schultern über Becken. Prüfe ob du wirklich zentriert bist, in den du leicht nach rechts und links, nach vorn und zurück pendelst bis du dein Mitte gefunden hast. Atme ruhig und gleichmäßig durch die Nase ein und aus.
Dritte Runde: Stell dir eine Situation vor, die dir Angst macht. Steigere dich immer tiefer in der Vorstellung, bis du merkst, wie deine Körperhaltung sich ändert. Verharre noch in dem Gefühl, bis es dir reicht. Dann richte deine Aufmerksamkeit ganz wieder auf deinen Körper. Blinzele, räkele dich und schüttele gründlich deinen ganzen Körper aus.
Diese drei Gefühle bringen uns aus dem Gleichgewicht. Ihre Aufgabe ist es, jeweils Handlungsrichtungen zu aktivieren. Trauer will Reinigung und Lösung aus einer überalterten Ordnung. Es bereitet eine neue Ordnung vor. Wut erkennt, dass meine bisherigen Gewohnheiten oder Konventionen mich behindern, eine Blockade meiner Lebendigkeit auf zu lösen. Wut sagt: „Mach was ganz Unkonventionelles!“ Angst signalisiert eine Gefahr und fordert, erstmal die genaue Identifizierung der Gefahr, sowie kompetenten Umgang damit, um sich in Sicherheit zu bewegen.
Ist die Intelligenz dieser Gefühle nicht integriert, führen sie zu Haltespannung, blockieren der Blut- und Sauerstoffzufuhr zum Gehirn und schwächen uns. Übst du den Ablauf, der in dem Experiment aufgeschlüsselt wird, kannst du zunehmend deine Gefühle bewusst handhaben, ohne sie zu unterdrücken. Denn deine Aufgabe ist, kompetent mit dir selbst und den Mobber umzugehen. Die Angriffe des Mobbers schwächen dich eh. Du willst dich keinesfalls noch zusätzlich durch Verspannungen und Blockaden schwächen!
Übrigens, die anderen drei biologischen Grundgefühle sind Freude, zärtliche Liebe und erotische Liebe. Wir werden sie im Laufe des Buchs noch aufgreifen und integrieren. Hier geht es allerdings, um die Gefühle, die dich aus deiner Mitte in die Bewegung bringen und die du unterdrückst, wenn du das Mobbingverhalten nicht beachtest und im Alltag einfach damit lebst. Die Verdrängung ist ein wichtiger Schutzmechanismus und oft sehr nützlich. Wenn ich dir aber bewusst mache, dass du gemobbt wirst, will ich dich nicht durch entfesselten Gefühle schwächen, sondern langfristig und nachhaltig dich und deine Liebesbeziehung stärken. Also führ das Experiment sooft es dir gut tut durch. Nicht Anstrengung und Spannung ändern die Gehirnwindungen und dadurch unsere Gewohnheiten, sondern gelassene auf das Ziel gerichtete Beharrlichkeit erzeugt neue Pfade im Gehirn und gibt uns die Wahl, wie wir mit den Dingen und Menschen, die uns wichtig sind, umgehen wollen. Es ist sinnvoll und erheiternd, deine Gefühle zu zähmen und dienstbar zu machen! Es stärkt dein Selbstwertgefühl und deine Freude.
Bisher sind wir davon ausgegangen, dass jede*r ein Mobbing-Opfer völlig unabhängig von Persönlichkeit und Veranlagung werden kann. Menschen, die sich aber in ihrem Selbstwertgefühl wegen sub-optimaler Erfahrungen in der Sozialisation (Kindheit/Jugend/erste Liebeserfahrungen) nicht gesund entfalten konnten, sind mehr als andere gefährdet. Wenn du selbst zweifelst, ob du okay bist, bist du gefährdet, Mobbingopfer zu werden. Gerade dein Intimpartner kennt deine Selbstwert-Schwächen und greift dich automatisch dort an.
Bedenke: Der Mobber sucht ein Opfer und nimmt das, mit dem es klappt. Wer ein geschwächten Selbstwert hat, ist anfällig für psychischen Terror. Wenn du dir selbst und deiner eigenen Wahrnehmung nicht traust und glaubst, dass der Mobber recht hat und berechtigt ist, dich psychisch zu misshandeln, hast du beim Mobber schlechte Karten. Mobbing schadet hauptsächlich durch eine Zersetzung des Selbstwertgefühls dem Opfer. In einer inklusiven Gemeinschaft, in der die Besonderheiten und der Wert von jedem Teilnehmer beachtet wird, kommt Mobbing nicht vor. Die Hauptbotschaft des Mobbers ist, „so wie du bist, das ist nicht in Ordnung“. In einer Gemeinschaft, die Homogenität und Macht durch Schaden praktiziert, ist jedes Merkmal, das das Opfer an sich selbst nicht mag, oder das in der Ursprungsfamilie oder in der Schule schon ein Stein des Anstoßes war, gefährdend.
Die gute Nachricht ist, dass die Zeit reif ist, mit sich ins Reine zu kommen! Das Gehirn arbeitet hauptsächlich mit automatischen Abläufen. Was man oft erlebt oder gedacht hat, erzeugt eine Art Datenautobahn im Gehirn, die es im schnellstmöglichen Tempo reproduziert. Es ist unerlässlich, Gedanken, die automatisch auftauchen und schädlich auf das Selbstwertgefühl wirken, ZU UNTERBINDEN!
Experiment
Schreibe die Gedanken auf, die automatisch auftauchen und dein Lebendigkeitsgefühl beeinträchtigen. ACHTUNG: der Inhalt dieser Gedanken ist vollkommen egal. Es geht nicht darum, ob sie inhaltlich richtig oder falsch sind. Es geht darum, dass sie dich krank machen. Ergänze die Liste, sooft wie nötig, um sie zu vervollständigen.
Wähle ein oder zwei gute Ohrwürmer, die in der Lage sind, den Lärm der schädlichen Gedanken zu übertönen: Gebete, Gedichte, Lieder, Kinderreime eignen sich dafür meist gut. Es ist wichtig, dass du das Gewählte auswendig jederzeit gebetsmühlenartig runterrasseln kannst.
Sobald du merkst, dass einer der Gedanken, die auf deine Liste stehen, in deinem Kopf umhergeht, werfe die Gebetsmühle an! Am besten und leichtesten ist es, wenn du deinen Ohrwurm vor dich hinsprichst oder ihn singst. Wiederhole ihn solange bis du dich ohne den toxischen Gedanken auf andere Sachen fokussieren kannst.
Dies ist eine reine Fleißübung! In dem du das Schädliche übertönst, ignorierst du es erfolgreich. Das führt langfristig dazu, dass es sich löscht, aber noch wichtiger, dass du Raum im Kopf gewinnst für nahrhafte Gedanken, die deinen Selbstwert auf ein gesundes Maß sich nachentwickeln lassen.
Wenn die schädlichen Gedanken durch traumatische Erfahrungen entstanden sind, wird es eventuell sinnvoll sein, sich direkt mit diesen Erfahrungen zu befassen. Dafür gibt es geeignete Methoden, auf die ich im letzten Kapitel eingehe. An dieser Stelle ist es wichtig, toxische Gedanken zu adressieren und dir einen sinnvollen Umgang mit ihnen und deinen Gefühlen anzueignen. Je mehr du deinen Körper an die Aufrichtung gewöhnst, dich mit der Intelligenz der Gefühle vertraut machst und spielerisch und streng die Gedanken, die dich quälen unterbindest, desto weniger eignest du dich für die Opferrolle.
Wer sich als Opfer verdingt, ermöglicht dem Mobber einen Machtgewinn. Es geht hier keinesfalls um eine Umkehr der Machtverhältnisse. Nein. Ziel dieses Buches ist, jede*n Leser*in zu befähigen, Augenhöhe selbst zu praktizieren, den Partner damit anzustecken und geschmeidig und kreativ gemeinsam Kollaboration zu initiieren und aufrecht zu erhalten.
In Liebesbeziehungen herrscht oft ein Glauben, dass wer liebt, bereit ist, die „Macken“ der geliebten Person hinzunehmen. Diese Bereitschaft, den anderen "zu verzeihen" und die Verletzungen als eigenes Problem, nicht aber als Paarproblem zu sehen, bietet dem Mobber freie Fahrt. Mobbing ist nicht eine Eigenwilligkeit der gesunden Person. Sogar im alten Paradigma wird es zunehmend als Straftat erkannt. Im neuen Paradigma geht es darum, liebevoll, streng, kreativ und gemeinsam Umgangsformen zu finden, die beiden Beteiligten guttun und die Beziehung als drittes Wesen stärkt. Es ist nicht liebevoll, ein Auge zuzudrücken, wenn jemand sich und anderen schadet. Ansprechen soll man den Täter erst dann, wenn du dir gute Erfolgschancen für Änderung ausmalst. Wenn du noch nicht erfolgreich den Täter für eine Änderung gewinnen kannst, kannst du sehendes Auge und weiterhin zugewandt bleiben, indem du ein Repertoire von Distanzierungstechniken zur Verfügung hast und anwendest.
Experiment
Stell dir den Mobber, während er dich mobbt, als Tier vor. Durch diese Vorstellung distanzierst du dich von den Angriffen.
Du kannst dir auch vorstellen, wenn er dich abwertet, wie sich eine gute Fee dir verheißungsvoll zuwendet und dich anleitet, dich von der Schmach und dem Schmerz wieder rein zu baden und zu trösten. Somit kannst du dich auch distanzieren.
Oder du denkst im Kopf an irgendeinen Reim oder einen Lidetext, auch das distanziert dich.
Radikale Selbstfürsorge kann nicht oft genug betont werden. Wenn du Abwertungen erlitten hast, ist es wichtig, dich davon zu erholen. Dich symbolisch oder real von dem Dreck zu befreien. Oft hilft Körperpflege. Im übernächsten Kapitel werde ich noch konkretere Umgangsformen aufschlüsseln.
Jeder Mensch braucht seinen Platz in einer Gemeinschaft. Jeder Person steht die Gewissheit zu, dass sie genauso anerkannt und geschätzt ist wie jede andere. Die Ausgangsbasis für eine Liebesbeziehung ist das Gefühl, den eigenen Platz gefunden zu haben und von dem Gegenüber wertschätzt zu sein. Daher ist das Entsetzen und das Nicht-Wahrhaben-Wollen besonders stark, wenn der Intimpartner sich in einen Mobber verwandelt. Mach dir nichts draus! Du bist dabei jetzt schon nicht nur, etwas zu verändern, sondern etwas zu heilen.
2. Aufgabe der größeren Gemeinschaft bei Mobbing
Ein kurioser Vorteil der Opferrolle ist der sogenannte „Underdog-Effekt“ oder Außenseiter/Verlierer-Aspekt.
Keiner stellt die Tatsache in Frage, dass wer geschädigt wird der Verlierer ist! Im Rahmen der größeren Gemeinschaft ist „Verlierer“-Status ein Pluspunkt! Der Underdog (unterlegener Hund bei Wettkämpfen) ist der Benachteiligte, der Unterlegene oder anerkannte Schwächere. Die Unterlegenen bei einem Wettkampf sind zu allen Zeiten Sympathieträger, wenn sie Herz und Leidenschaft zeigen und tapfer auf ihren Traum ausgerichtet bleiben. Prüf selbst, wer die Held*innen sind? Sind das die Schädiger, die Gewinner, die Stärkeren? Es mag sein, dass wir sie als Vorbilder nehmen. In Märchen, Sagen (z.B. David und Goliath), bei Sportteams und in der Politik neigt ein Großteil des Publikums, der Fans und der Wähler den Schwächeren ihren Beistand zu geben. Denn obwohl die Prägung der Zeitalter von materiellen Wohlstand predigt und skrupelloser Gewalt, neigt die genetischen Veranlagung des Menschen zu Harmonie, Ausgleich und Zusammenhalten gegen Schädigung. Der Underdog-Effekt lässt diesem Urinstinkt emotionalen und soziologischen Spielraum.
Um persönlich diese Unterstützung für sich zu sichern, sind die Gebärden des tapferen Protagonisten der Schlüssel zum Erfolg.
Experiment
Jede Nacht vor dem Einschlafen oder tagsüber vor einem Mittagsschläfchen lese/höre oder schaue dir ein klassischen Grimms Märchen an. „Klassisch“ heißt, dass die Struktur des Märchens einen bestimmten Ablauf aufweist. Der Protagonist*in ist eindeutig das schwächste Mitglied der Gemeinschaft. Er/sie begibt sich auf eine „Heldenreise“, wird rausgeschmissen oder nur belacht und abgewertet. Er/sie begegnet Helfern unterwegs und bleibt liebevoll gegenüber allen. Er/sie wird konfrontiert mit einer Gelegenheit, sein wahres Selbst zu zeigen und geht als Sieger daraus hervor. Entspanne dich und spiele in deiner Imagination das Märchen nochmal durch, wobei du dieses Mal die Hauptrolle hast.
Diese Übung stimmt dich auf die Haltung, die Gebärden und Umgangsformen des Underdogs ein. Je vertrauter du mit diesem Anteil deines Wesens bist, desto eher erkennen die Menschen in deinem Umfeld, dass du unterstützungswürdig bist. Wird dir die Underdog-Rolle vertrauter und machst du sie dir zu eigen, dann probiere das nächste Experiment.
Experiment
Du stellst dich als Protagonist eines Märchens dar oder als Underdog- Sportler und kriegst nur nebenbei, aber doch ganz deutlich mit, dass du einen riesigen Fanclub hast, der dich anfeuert und unterstützt. Genieße diese Vorstellung sooft sie dir gefällt.
In meiner Kindheit war „Peter Pan“ meine absolute Lieblingslektüre. Peter wurde im Park einfach abgehängt und vergessen. Er kam auf die Insel Nirgendswo, wo er Anführer einer Bande von verlorenen Jungs wurde, die auch, wie er, dorthin gelangten. Sie kämpften und halfen sich gegenseitig und lebten frei und wild. Peter hatte eine beste Freundin, die Fee „Tinkerbell“, die ihm die Kraft zu fliegen verlieh, wenn er das wünschte. Er geisterten dann gerne nachts in den Kinderzimmern gutbürgerlicher Familien herum. Eines nachts blieb sein Schatten am Fensternagel hängen und riss ab. Wendy wurde von seinem Jammern wach und nähte ihm seinen Schatten wieder an. Er überredete sie, ihn zur Insel Nirgendswo zu begleiten und Mutter der verlorenen Jungs zu sein. Dabei verlor er Tinkerbell aus dem Blick und sie erkrankte tödlich. Als er das merkte, wandte er sich an alle Kinder der Welt und flehte sie an, wenn du an Feen glaubst, dann klatsche in die Hände um Tickerbell deinen Beistand zu zeigen. Wenn es mir als Kind besonders schlecht ging, stellte ich mir vor, dass ich Tinkerbell war und alle klatschen mir Beistand oder dass ich durch mein Klatschen Teil einer riesigen Gemeinschaft bin, die die Kränkelnden der Welt stärkt und heilt. Mach mit! Es tut gut.
Oft sind Änderungen in der Gesellschaft durch die differenzierte Anklage und das Erkennen des Leids der Opfer zu Stande gekommen. So sind etliche Menschenrechte erkannt und in den Landesverfassungen der USA und Europa verankert worden. Aus einem Bedürfnis heraus, das Leid der Geschädigten durch Gesetze und kulturelle Veränderungen zu unterbinden. Die Zivilcourage der Opfer und der Augenzeugen ermöglichen allmähliche, kulturelle und qualitative Verbesserungen für die globale Gemeinschaft der Menschen zu erreichen.
Opfer, die ihr Leid erkennbar für andere machen, tragen zu dieser Entwicklung massiv bei. Natürlich sind alle Beteiligten bei dem Mobbing-Phänomen geschädigt. Die Schädigung betrifft Mobber, Mitläufer, Beobachter und Opfer und somit die gesamte Gemeinschaft. Je präziser das vom Opfer Erlebte veröffentlicht wird, desto wirkungsvoller werden über kurz oder lang die Veränderungen in dem Verhaltenscodex einer Gemeinschaft zu Gunsten des Gedeihens der gesamten Gesellschaft integriert. Das richtige Maß an Emotionalität bei der Vermittlung ist sehr wichtig. Ist die Emotionalität zu hoch, erzeugt es Widerstand und Distanzierung. Daher ist es sinnvoll, die Bändigung der eigenen Gefühle zu nutzen, um erfolgsversprechend den Sachverhalt erkennbar zu machen.
Die Anerkennung seines Leids ist für das Opfer von großer Bedeutung. Es fängt damit an, jemanden mitzuteilen, was du erlebt hast. Manchmal ist so jemand gar nicht leicht zu finden. Dann ist die Suche nach Gleichgesinnten im Internet eine Alternative. Bedenke, dass du den herkömmlichen Brauch, Schädlichem unter den Teppich zu kehren und nicht zu beleuchten, unterwanderst, wenn du von deinem Leid sprichst. Viele Menschen haben Angst davor, sich mit Tabuthemen zu befassen. Die bisherigen Umgangsformen von Hierarchie und Konkurrenz sind ihnen vertraut. Anerkennung und Kollaboration sind ihnen noch suspekt und fremd. Je ruhiger und sachlicher du Menschen in deinem persönlichen Umfeld von den Missständen berichten kannst, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass du Gehör findest. Menschen reagieren zuerst auf die Gefühlsschwingungen. Normalerweise versuchen sie nicht zu erforschen, was genau dich so erregt hat. Stattdessen ist die erste Reaktion oft, dich zu beruhigen oder aber gefühlsmäßig mitzuschwingen. Beides führt nicht unbedingt zum Ziel. Ziel ist es, Beistand zu bekommen, der deine Wahrnehmung und deine Unterstützungswürdigkeit bestätigt.
Es geht darum, sich als Mensch auch ernstgenommen und von deinem Gegenüber gewertschätzt zu erleben. Darüber hinaus, tut es gut, wenn dein*e Gesprächspartner*in wirklich mit dir über mögliche Lösungen sprechen kann oder will. Vielleicht hat er oder sie schon selbst Erfahrung damit gemacht und dir von dieser Erfahrung erzählt. Es ist nicht sinnvoll deinen Partner bei anderen anzuklagen oder eine Partei für dich und gegen ihn zu gründen! Erstmal geht es nur darum, dich mit dem Problem „ich werde gemobbt“ so zu outen, um damit klar zu machen, dass du nicht mehr bereit bist, es hinzunehmen. Mobbing ist eben nicht okay! Hier geht es darum Scham und Schmach zu überwinden. Das ist keine Kleinigkeit. In einer rein Konkurrenz und hierarchisch geordneten Gesellschaft ist Misshandelt-worden-sein mit Scham besetzt. Es wird eher als Hinweis gedeutet, dass du es irgendwie verdient hast. Solange du dich mit den Grundannahmen des materiellen Zeitalters identifizierst, kannst du nur kämpfen oder kuschen. Willst du ausgerechnet als Opfer deine Liebesbeziehung retten, brauchst du eine neue Bezugsgruppe und neue Kommunikations- und Organisationsformen. Es ist sinnvoll, dich auf Gruppen zu beziehen, die inklusiv und kollaborativ denken und handeln. Gibt es die? Inzwischen gibt es in der Pädagogik und auch eine immer größer werdende Anzahl von Betrieben, die Augenhöhe als normale Umgangsform etabliert haben. Die Filme, Berichte, Betriebe und Einrichtungen, die schon sehr erfolgreich den immateriellen Wohlstand praktizieren, wachsen täglich.
Experiment
Schau ins Internet, was du zu „Augenhöhe“, „Inklusion“ und „Kooperation“ finden kannst und spüre nach, ob du es reizvoll findest, dich mit solchen Methoden und Gemeinschaften zu identifizieren. Schau, ob es Beispiele in deiner Nähe gibt. Erforsche, ob du Menschen, die damit Erfahrungen haben, finden kannst.
Das Opfer ist in der herkömmlichen Gemeinschaft dasjenige, das aus der Reihe tanzt und durch Züchtigung zur „Compliance“ gezwungen wird. Deswegen ist es doch der „Angeklagte“. Akzeptiert das Opfer nicht die Unterordnung, die Psychoterror bewirken will, ist es der alten Gesellschaftsordnung nicht regeltreu. Inzwischen haben wir die Wahl, uns auf machthierarchische Strukturen oder soziale und betriebliche Ordnungen, die Augenhöhe praktizieren, zu beziehen. Beziehst du dich auf eine Gemeinschaftsordnung, die in der Lage ist, gelassen, vergnügt, eigenverantwortlich, engagiert und kompetent zusammen zu arbeiten, um deine Umwelt mitzugestalten, ist es ehrenhaft Aufmerksamkeit auf Missstände zu ziehen.
Experiment
Das Lied „Imagine“ von Yoko Ono und John Lennon fordert einen auf, sich eine friedfertige, kooperative Gesellschaft vorzustellen. Folge den Anweisungen: Stelle dir vor, dass die Vorstellung von Himmel und Hölle nach dem Tod schlicht weg falsch ist. Stell dir vor, es gibt nur die Luft über dir und die Lebendigkeit, die du im Alltag im „Hier und Jetzt“ lebst. Stell dir vor, alle um dich herum bemühen sich, das Leben in der Gegenwart himmlisch zu gestalten. Stelle dir vor, es gibt keine Ländergrenzen und die Menschen formen Gemeinschaften, wie es jeweils am besten klappt, statt nach vorgefertigten Mustern. Stell dir vor, dass Menschen ihr Glück nicht mehr durch Morde und Krieg zu sichern versuchen. Statt zu streiten, darüber wessen Gott und Religion recht hat, gestalten sie aktiv eine friedfertige Welt. Vielleicht fühlt sich das wie Träumerei an. Aber wer diesen Traum hat, ist nicht allein. Die Gemeinschaft von Menschen, die sich nach diesem Traum ausrichtet, wächst. Diejenigen, die nicht mehr Raffgier und Schaden hinnehmen, einigen die Welt.
Wozu diese Überlegungen und Experimente? Denn in der herkömmlichen Ordnung, dreht man den Spieß um und klagt eben Gerechtigkeit ein. Dann wird der Mobber bestraft und die Liebesbeziehung ist zerstört. Oder? Folgende Geschichte zeigt eine Gesellschaft im Wandel:
Eine Frau in Kalifornien lebte 20 jahrelang in einer Ehe, die von den aggressiven Launen und dem Psychoterror ihres Mannes geprägt wurde. Eines Tages gesellte sie sich zu einer Frauengruppe, die über Familienproblemen offen redete und gemeinsam Lösungen für die Teilnehmer erforschte. Die Gruppe lud eine Rechtsanwältin ein, die die Rechtslage der Opfer aufschlüsselte. Ohne medizinisches Gutachten, das physischen Schaden durch häusliche Gewalt nachweist, waren die rechtlichen Erfolgsaussichten sehr schlecht. Aber im Einzugsbereich der Gruppe sei ein Richter zuständig, der einen „Bully“ sympathisch und streng ins Gewissen redete. Es gäbe eine Aussicht, etwas Gutes für die Ehe zu tun, in dem sie trotzdem den Rechtsweg beschritt. Die Frau fasste sich ein Herz und mit ihrer Gruppe als emotionale Rückendeckung erhob sie Klage wegen häuslicher Gewalt gegen ihren Mann. Sofort kam die Polizei mit einer einstweiligen Anordnung, die besagte, dass er bis zum Prozess Hausverbot hatte und weder ihr noch dem Haus näher als zwei Kilometer kommen dürfte, wenn er Untersuchungshaft bis zum Prozess vorbeugen wolle. Er holte sich sofort den besten Rechtsanwalt der Gegend, fühlte sich ungerecht angeklagt und war sich seiner Sache sicher. Es dauerte allerdings 4 Monaten bis zum Prozess. Sie vertrat sich selbst, da sie eh nicht das Geld für einem Rechtsanwalt und sowieso keine guten Gewinnaussichten hatte. Aber der Richter ließ sie ausführlich ihren Fall präsentieren. Die Gespräche mit ihren Frauen hatten sie dafür gut vorbereitet. Als sie fertig war, und nachdem der Richter die Position ihres Mann von dessen Rechtsanwalt anhörte, tröstete er erstmal die Frau und sprach wie folgt zum Ehemann: „Sie gewinnen dieses Mal, Herr M., aber ich empfehle Ihnen nachdrücklich, den vom Gericht sonst auferlegten 6-wöchigen Kurs über Wutbewältigung freiwillig zu belegen und sehr gewissenhaft alles mitzumachen. Außerdem lege ich Ihnen nahe, nicht nach Hause zu ziehen, bis Ihre Frau Sie dazu einlädt. Wenn Ihre Frau Ihre Klage wiederholt, wird Sie spätestens beim 3. Mal gewinnen. Denn das Gericht hat die Erfahrung gemacht, dass keine Ehefrau den Stress des Rechtswegs leichtfertig geht. Wenn sie ihre Klage wiederholt, wird ihr vom Gericht Glauben geschenkt und die vorgesehenen Strafen werden Ihnen wesentlich weniger gefallen als die freiwillige Teilnahme an dem empfohlenen Kurs und das Befolgen meines Rates.“ Der Richter machte einen so freundlichen, kompetenten und strengen Eindruck auf dem Mann, dass dieser sich entschloss, seinem Rat zu folgen. Nachdem er mit dem Kurs fertig war, verabredete er sich zunehmend mit seiner Frau zu gemeinsamen Unternehmungen. Er entdeckte seine Liebe und Wertschätzung für sie wieder. Sie lernte ihm wieder vertrauen. Acht Monate nach dem Prozess – fast ein Jahr nach ihrem rechtlichen Schritt, zog er wieder ein. Inzwischen sind sie 45 Jahre zusammen und zählen die letzten 25 Jahren als die glücklichsten ihrer Ehe.
Vor dem Anbruch des immateriellen Zeitalters wäre ein solcher Ausgang eines Rechtsweg nicht möglich gewesen. Kläger und Beklagter wären gegeneinander ausgespielt worden. Es hätte einen Gewinner gegeben und der anderen hätte Schaden genommen. Der Richter benutzte nicht Zwang, aber er verbündete sich mit dem Täter, und schlug ihm nachdrücklich strenge Maßnahmen vor. Die Ehefrau fühlte sich verstanden, ernstgenommen und wertgeschätzt. Er hatte ihr sehr deutlich den Rat gegeben, nochmal ihren Mann anzuklagen, falls er sein Verhalten nicht ändert. Das Paar lernte liebevoll und streng einen kollaborativen Weg zu gehen.
Früher waren friedlichen Gemeinschaften wehrlos, wenn sie mit Gewalt angegriffen wurden, weil sie nicht ausreichend Gewalterfahrung hatten, um Gewalt zu unterbinden. In der sich neu entfaltenden Gesellschaftsordnung heute ist das anders. Die Forschung und die Erfahrung haben schon einen großen Fundus an Methoden bereitgestellt. Menschen, die sich verantwortlich an der Gestaltung ihrer eigenen Umwelt beteiligen, haben heute sehr gute Erfolgsaussichten, sowohl physische wie psychische Gewalt zu unterbinden.
Um neue Gewohnheiten der Interaktion mit der größeren Gemeinschaft zu schaffen, ist es wichtig zu bedenken, dass das Gehirn das schon eingespielte Verhaltensmuster bevorzugt und automatisch aktiviert. Ist dir das bewusst, kannst du die Muster, die dich in einer missbräuchlichen Beziehung ausharren lassen, versanden! Gute Kindererziehung ignoriert - bis zur Schädlichkeitsgrenze - schlechtes Benehmen. Sie stärkt das Positive in der Beziehung und die Verbundenheit zwischen den Menschen einerseits. Lässt aber unzweckmäßiges Verhalten nicht durchgehen, sondern unterbindet es. In diesem Abschnitt geht es darum, die Bedeutung der größeren Gemeinschaft für das Mobbinggeschehen zu verstehen und sie in die Veränderung einzubeziehen. Du bist ein Teil dieser Gemeinschaft. Was du öffentlich tust oder lässt, echot zurück. Sprichst du mit Menschen außerhalb deines Intimfeldes über das Problem, kann das zur Lösung oder zur Verschärfung des Problems beitragen. Alle Experimente im Buch stärken deine Fähigkeit, dein eigenes Gehirn, dein Verhalten, deine Beziehung und deine Umwelt kooperativ mitzugestalten. Wiederhole sie sooft sie dir guttun. Das spürst du!
3. Sich für eigene Menschenrechte einsetzen
Im Alltag und insbesondere in der Intimbeziehung denken wir selten über Menschenrechte nach. Zur Lösung des Mobbingproblems ist aber ein Bewusstsein, dass Menschenrechte selbstverständlich mir zustehen, unerlässlich. Bist du aber wirklich frei und autonom, wenn du toxischen Umgang schluckst? Du kannst dich nicht durch Kampf befreien. Aber du kannst deine kommunikative Nahrung selbst umstellen.
Experiment
Falls deine Abwehr, dein Blutdruck oder deine Körperspannung gerade beim Lesen der letzten Zeilen gestiegen ist, versuche Folgendes. Wenn dir der Satz keine Körperreaktion erzeugt hat, kannst du das Experiment mit etwas anderem das dich ängstigt, machen. Sei dir bewusst, dass die Konfrontation mit Fremdartigem in jedem Menschen eine Urangst auslöst. Das gesunde Naturverhalten ist dann erstmal einen Sicherheitsabstand zum Toxischen/ Gefährlichen einzunehmen. Wenn du dich in Sicherheit fühlst, atme durch, schüttele dich, singe oder summe ein lustiges Liedchen und dann schaue AUS DEM SICHERHEITSABSTAND nochmal genau hin. Wenn es dir wieder Angst macht, distanziere dich noch ein bisschen, entspanne dich wieder UND schaue nochmal hin. Je besser vertraut du mit einer Sache bist, desto besser findest du heraus, wie du erfolgreich damit UMGEHEN kannst. Vermeiden ist keinesfalls Umgehen. Denn ein gut integriertes Radar auf Gefahr und die Energie der emotionalen Erregung gibt dir die Kraft und die Ausrichtung, deine Kompetenzen zu verbessern. Du bist dir erst treu, wenn du kompetent und selbstsicher mit der Gefahr/mit dem Toxischem umgehen kannst.
Im materiellen ausbeuterischen Paradigma kommen Menschenrechtsverletzungen in viele verschiedenen Größenordnungen vor – vom Mobbing im Liebespaar über Sklaverei bis hin zum Genozid. Es ist kein Grund, kopflos gegen Menschenrechtsverletzungen gegen dich selbst zu handeln, wenn deine Aussichten, kompetent, besonnen und erfolgreich mit der Gefahr umzugehen noch nicht gegeben sind. Bleib besonnen! Es ist gut, die Lage erstmal zu erkennen und Besonnenheit zu praktizieren. Besonnenheit ist nicht Unterordnung und auch nicht, sich über jemand stellen!
Die ersten schriftlichen Formulierungen von den allgemeingültigen Menschenrechten sind im Codex Ur-Nammu aus Mesopotamien 2100 v. Chr. Es herrscht Einigkeit, dass das Recht auf individuelle Freiheit und Autonomie jedem Menschen allein aufgrund seines Menschseins zustehen. Sie sind unveräußerlich und nur insgesamt zu verstehen. Obwohl fast alle Staaten der Erde spätestens seit 1948 mit der Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen die Menschenrechte rechtlich, moralisch und theoretisch anerkennen, sind Menschenrechtsverletzungen noch an der Tagesordnung unserer Zivilisation. Artikel 1 Absatz 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) lautet: „Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.“
Experiment
Setze dich an einen belebten Platz, wo du die meisten Menschen, die vorbeigehen, nicht kennst. Beobachte mindestens eine Sache, die menschlich und liebenswert ist, an möglichst vielen Personen, die du beobachten kannst. Sag innerlich ein Wort, das dieses Merkmal erfasst (z.B. Ohren, Haltung, Jacke, Blick, Friseur, Gang). Ziehe dieses Experiment mindestens 10 Minuten durch. Stelle einen Wecker, sodass du dich nicht damit ablenkst, dass du auf die Uhr schaust. Schließ das Experiment, indem du aufstehst, dich in der Vorstellung von außen anschaust und einen Begriff innerlich für etwas liebenswert und menschlich an dir selbst formulierst. Wiederhole das Experiment so oft es dir gut tut.
Wenn du ein Lebewesen erkennen willst, ist es wichtig es beobachten zu können, in einer Situation, wo es sich arglos -ohne sich beobachtet zu fühlen - bewegt. Menschen entfalten ihr Bewusstsein für sich als Mensch meist in den ersten drei Jahren nach ihrer Geburt. Wertschätzende Resonanz vom Hüter des Schutzbefohlenen – meist die Mutter, aber auch jede andere Person, die einen neugeborenen Menschen insbesondere in den ersten drei Lebensjahre versorgt – prägen das Menschsein-Gefühl des Kindes. Wertschätzende, liebevolle, anerkennende Beobachtung und Resonanz dem Mensch gegenüber ist Grundnahrung für die Entfaltung des spezifisch menschlichen Gehirns, seine Fähigkeit zu kommunizieren und somit seines Menschseins.
Wenn du dich als Mobbingopfer erlebt hast, ist dein Gefühl für dein eigenes Menschseins und die daraus leitende eigene Menschenrechte zumindest geschwächt. Um dich aber selbstverständlich mit Anderen auf Augenhöhe zu vernetzen, brauchst du ein klares Gefühl dafür. Zum Glück ist das lernwillige Gehirn in der Lage - durch sein Vorstellungsvermögen und/oder durch Erfahrungen mit der Umwelt, die es bewusst oder unbewusst mitgestaltet - fehlende Entwicklungsschritte oder gar Fehlentwicklungen nachzuholen. Solche Experimente dienen dazu.
Um etwas Sinnvolles, wie Glück in der Liebe, zu erlangen, ist es nicht nur wichtig, das Ziel im Auge zu behalten, sondern auch ein Bewusstsein, das es dir zusteht, das Ziel zu verfolgen. Wenn du deine Menschenrechte aufgrund deiner Erfahrungen sogar selbst in Frage stellst, ist es notwendig, dein Bewusstsein dafür zu sanieren. Es ist für jeden Menschen eine wichtige Kraftquelle. Du brauchst das Wohlwollen deiner Bezugsgruppe, und/oder deiner Vorstellung von deinem gütigen inneren Hüter – noch besser beides - um selbstbewusst und bewundert von deinem Umfeld, deine Individualität zu erkennen und als Geschenk für die Welt zu strahlen. Manchmal bedeutet das mit Freude aus der Reihe zu tanzen. Gehst du davon aus und du hast selbst Erfahrung damit, wie Fremdartiges Angst macht, kannst du die Angst des Anderen wahrnehmen und ihm den Raum oder die Zuwendung geben, die er braucht, um sich mit deiner Andersartigkeit vertraut zu machen. Hast du dieses klare Gefühl für dich als Mensch, dann erkennst du die Anschuldigungen des Mobbers als Ausdruck sein schlechtes Benehmen, warum auch immer er sich schlecht benimmt. Keinesfalls spiegeln Abwertungen deinen Wert.
Experiment
Entspanne dich gründlich, sowie es dir am besten gelingt. Manche Menschen, die unter Dauerspannung leiden, können sie besser entspannen, wenn sie sich vorher durch Sport austoben oder schlicht durch isometrisches Anspannen hochspannen, bevor sie entspannen können. Für dieses Experiment brauchst du insbesondere einen entspannten Nacken. Das Gehirn ist kreativer, wenn die Blut- und Sauerstoffzufuhr unbehindert ist.
In der Vorstellung spalte dich in drei Personen. Du kannst dich, wie du daliegst oder sitzt, wahrnehmen (1. Person). Du stellst dich als Kleinkind zwischen frisch geboren und 3 Jahre alt vor (2. Person). Du stellst dich als weise, liebevolle, ältere Person vor (3. Person). Erst wenn du eine klare Vorstellung von Euch drei hast, machst du weiter. Wenn du das nicht kannst, verlass einfach die Übung mit einem selbstbewussten Lächeln. Das ist eben nicht deins! Wenn du das 3-fache Du dir vorstellen kannst, dann stellst du vor, wie du als die ältere Person spontane Freude an das Kind hast und äußerst. Als diese Person verbringst du eine vergnügliche Zeit mit dem Kind. Das kindliche Du verhält sich, wie es Lust hat, freut sich, probiert aus, testet das ältere Du. Die beiden machen etwas zusammen. Das ältere Du freut sich an dem Kind, an dem, was es tut und lässt. Es spiegelt ihn, ahmt ihn spielerisch und wertschätzend nach und beschreibst ihm was es tut. Das entspannte beobachtende Du überwacht das Ganze, merkt was abläuft und unterbricht, falls es irgendeinen Anflug von Kritik, Vernachlässigung oder Missmut auftaucht. Falls das der Fall ist, räkelst und streckst und schüttelst du dich, summst ein fröhliches Lied und steigst, wieder ein, wenn du beharrlich bei der Aufgabe bleiben kannst. Gelingt dir die Aufgaben, atmest du, wenn es dir reicht, tief aus und atmest die beiden anderen Du-Ausgaben in deinem Herzen ein.
In der Chinesische Philosophie und in vielen Urkulturen spiegelt argloses, natürliches, gelassenes, waches Verhalten eines glücklichen kompetenten Wesens die höchste Form des Menschseins. Wirklich frei und autonom im Sinne von den Menschenrechten bist du, wenn du dieses Mensch-Sein-Gefühl hast. Der Zustand der Unschuld wird als höchstes Lebensziel angestrebt. Die Geschichte „Des Kaisers neue Kleider“ beschreibt, wie ein argloses Kindes die Wahrheit kundtut und bei einer Prozession, als der Kaiser seine neuen Kleider vorführt, sagt: „Der ist ja nackt.“ Weder er selbst noch seine Bediensteten hatten sich zuvor getraut, sich eingestehen, auf Betrüger hereingefallen zu sein. Diese gaben vor, die kostbarsten Kleider zu weben, die in Wirklichkeit gar nicht existierten.
Für die Entscheidung, ob du dich für deine Wahrheit, deine Sicht der Dinge oder deine Menschenrechte aktiv wirst, ist die Frage, was du verlieren kannst, wenn du das machst, Ausschlag gebend. Wenn du die Gefahren und Verbesserungschancen gelassen und sachlich anschauen kannst, verstehst du viel besser, welche Fähigkeiten du brauchst, um erfolgreich deine Situation im Dienst emotionalen Wohlstand zu gestalten.
Der Zeitgeist unterstutzt eine Wendung zu Fairness, Augenhöhe, Kollaboration und emotionalen Wohlstand wie nie zuvor. Globale Vernetzsein und Berichterstattung macht es zunehmend schwer Missstände im Dunkeln zu halten. Mobbing in der Intimbeziehung ist so hartnäckig zu bereinigen, weil es oft noch möglich ist, es zu verstecken. Je ruhiger, sachlicher und selbstbewusster du davon sprechen kannst, desto schwerer ist es, es aufrecht zu erhalten. Es geht nicht darum gegen jemand zu gewinnen, sondern für den eigenen gleichwertigen Platz an der Seite deiner Geliebten zu investieren.
4. Würde bewahren
Der Mensch lebt in Gemeinschaften von Personen, die sich gegenseitig beeinflussen und gemeinsamen Werten und Umgangsformen entwickeln. Wir leben in einer Zeit der Dualismus in der Kultur. Einerseits sind wir sozialisiert damit, dass unser Selbstwert von der Fähigkeit, uns in der Hackordnung zu behaupten. Um dies zu tun, üben wir erfolgreich Macht an dem Objekt unseren Handlungen aus und kümmern uns nicht um schädliche Nebenwirkungen. Andererseits gibt es immer mehr Menschen, die durch emotionale Selbstbeherrschung und Gelassenheit Erkenntnisse über ein universell gültiges Ordnungsprinzip erlangen. Sie sind zunehmend in der Öffentlichkeit sichtbar. Sie zeigen oder erzählen uns, wie wir immateriellen Wohlstand und praktische Erfolge im Umgang mit komplexen Problemen verwirklichen können. An was und wem sollen wir uns orientieren? Das erste Vorgehen ist vertraut und läuft weitgehen automatisch ab. Das zweite Vorgehen scheint den meisten von uns mühselig und fremd zu sein.
Würde in einer Machthierarchie bezeichnet nur diejenige von hohem Rang, denen Achtung gebiert. Nach dem Grauen des zweiten Weltkrieges wurde aber Würde als ein Menschenrecht nicht nur in dem Deutschen Grundgesetz festgeschrieben. Art. 1 GG: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Menschenwürde wird also jeder Mensch, unabhängig von ihren Unterscheidungsmerkmalen, zugeschrieben. Die Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges zeigten, dass Menschen, die sich in ihrer eigenen Würde ruhen könnten, weniger Schaden von Schändung und Folter nahmen, als diejenige, die sich ihrer Würde nicht bewusst waren. Die Menschenwürde im Grundgesetz soll was schützen, was Schaden nehmen kann. Die Menschenwürde wird verletzt, wenn der Mensch zum bloßen Objekt des Handelns einer Machtinhaber dient. Mobbing verletzt der Würde des Menschen u.a. auch durch Missachtung. Je klarer dein Bewusstsein/dein Gespür deiner eigenen Würde ist, desto freier, wacher, gelassener und innovativer du mit Missständen umgehen kannst.
Deine persönliche Menschenwürde ist von deinem Selbstwertgefühl abhängig. Nicht nur der Staat ist für die Bewahrung deiner Menschenwürde zuständig. Insbesondere bist du dafür verantwortlich. Sie ist ein kostbare naturgegebene Gut, das dir zusteht. Du bist für ihre Nahrung und Förderung zuständig.
Dein persönliche Bewusstsein deiner Würde und wie du sie pflegst schütz dich vor Grausamkeit und Schaden.
Es ist aber auch wichtig, dass dir bewusst wird, wie du selbst deine Würde routinemäßig verletzt. Abwertenden und negativ kreisenden Gedanken zersetzen täglich, heimlich und effektiv deiner Würde.
Experiment
Schreibe die Gedanken auf, die automatisch hochkommen und darauf beharren, wie minderwertig du bist. Mach dir bewusst, wie du dich fühlst, wenn du sowas denkst. Das Gefühl ist vermutlich weit von Freude und Würde entfernt.
Besinne dich auf ein lustiges oder schönes Lied, ein tröstliches Gebet, eine Affirmation, ein Reim oder gar ein Gedicht. Wichtig ist, dass du es auswendig kannst und wie eine Gebetsmühle wiederholen kannst.
Wenn du entdeckst, dass deine Gedanken deine Laune verderben, spreche, singe oder denke laut und deutlich deine Gebetsmühle, um sie zu übertönen. Teste gelegentlich, ob du dich auf was Praktisches nicht selbst-schädigendes fokussieren kannst. Wenn ja, schalte auf den Alltag um. Wenn nicht, mach solange mit der Gebetsmühle, bis Ruhe im Karton ist. Bei Bedarf immer wieder wiederholen!
Durch kritische, lieblose Erfahrungen speichern wir schädliche Botschaften, die uns gefügig machen und unsere Stellung in der Machthierarchie im unteren Bereich sichern. Es ist möglich durch Arroganz und Entwertung von anderen sich besser zu fühlen, aber das öffnet uns nicht für Beziehungen auf Augenhöhe. Die selbstschädlichen Gedanken sind toxisch. Sie sind schwer auszuräumen, denn sie sind meist im Gehirn auf Automatik eingespielt und sehr hartnäckig. Durch Ignorieren, löschen sie sich, weil ihnen die emotionale Belohnung (negativen Gefühlen) und die Übung fehlen, um sie aufrechtzuerhalten. Ignorieren ist durch Übertönen am effektivsten und leichtesten zu machen.
Experiment
Lege ein Paar Listen an, pflege sie und erweitere sie nach Bedarf.
1) Bei welchen Aufgaben übernimmst du eigenständig Verantwortung?
2) Wie kannst du liebevoll und selbstbewusst das, was dir misslingt, ins komische ziehen, um es leicht zu nehmen?
3) An welchen Punkten bist du authentisch und über deine Meinung und Stärken im Klaren?
4) Was sind deine besten Charaktereigenschaften?
5) Was sind deine schönsten Körpermerkmale?
6) Was sind deine Talente? Was kannst du gut?
Wenn die Sachen, die du in den Listen aufschreibst, dir bisher nicht so klar waren, liegt das an der fehlenden Resonanz in deiner Entwicklung. Das heißt, dass wir erst im Zwiegespräch unser Selbstwertgefühl entwickeln. Schon in der Kindheit, liebt das Gehirn Rollenspiele. Denn dabei baut es die Fähigkeit zu inneren Zwiegesprächen auf. Deswegen ist es jederzeit möglich, ein gesundes Selbstwertgefühl nachzuholen. Um solche Listen zu machen, beobachtest du dich selbst. Schon gibt es ein Du, das beobachtet und ein Du, das beobachtet wird. Du hast ein Du im Kopf und ein Du, das in dem Geschriebenen erfasst wird. Aufgrund der Beschaffenheit des Lernhirns stärkst du mit diesen Listen erstmal dein Bewusstsein deines individuellen Wertes, unabhängig von dem wie du funktionierst oder mit anderen Menschen umgehst. Das ist der Basis für einen neurobiologisch angelegten inneren Kompass, nämlich Würde. Er dir hilft, dich durch schwere Zeiten zu lotsen und in guten Zeiten, dich zu entfalten und deine Ziele zu entdecken und zu verfolgen.
Die Ausgangsbasis, um deine Würde zu bewahren, ist ein Gefühl vom mittig, zentriert, im Gleichgewicht zu sein. Parallel zur Stärkung deines Selbstwertes ist es wichtig körperlich dein Zentrum zu stärken. Sinnvoll und wirkungsvoll sind Leibesübungen wie Kampfkunst, Yoga, Pilates, Seillaufen und ähnlichen. Es ist sehr wichtig, sich von einem Experten anleiten zu lassen, denn es sind teilweise winzige Details, die den Erfolg bestimmen.
Ich, zum Beispiel, wollte meine Wirbelsäule durch Kniebeugen stärken, eine Übung, die vom Arzt empfohlen und salopp kurz vorgeführt wurde. Es ging mir damit nicht gut, weswegen ich einen Trainer im Fitnessstudio angesprochen habe. Er hielt mir beim Vorführen einen Vortrag und kontrollierte meinen Bewegungsablauf bis er zufrieden war, dass ich mich nicht mehr verletzte. Achtgeben, durch Hände am Kreuz, dass das Kreuz absolut gerade bleibt. Um das hinzubekommen, brauchte ich einen stärkeren Enten-Po als ich mich vorher getraut habe! Füße hüftbreit und absolut parallel stellen und achtsam zuerst nur in einen Anflug von Hocke gehen, dabei Knie über den kleinen Zehen bewegen. Nun, plötzlich fühlte ich die Muskeln in den Beinen und den Rücken! Niemals mit den Oberschenkeln parallel zum Boden die Bewegung von unten nach oben schalten, denn dort ist das Knie völlig ungeschützt durch Muskeln und nimmt Schaden! Danach gelang mir die Übung gut und ich merkte täglich, wie der Rücken stärker wurde.
Experiment
Im Sitzen stapele den drei schwersten Knochen -Schädel, Schultern und Hüftknochen- übereinander und auf den Sitzknochen, die du fühlen kannst, wenn du die Hände unter dem Hintern auf dem Stuhl schiebst und die Hüften hin und her kippst, bis du die beiden harten Druckpunkten deines Körpers in den Händen fühlst. Gibt acht, dass dein Kinn Richtung Brustkorb zeigt ohne den Kopf nach vorn aus der Ausrichtung zu kippen. Spanne deinen Beckenboden an, während du aus dem lockeren Kiefer beim „Ahhh“ ausatmest. Räkele dich und wiederhole das Einnehmen der Ausrichtung. Indem du das Beckenboden anspannst beim entspannten Ausatmen und durch die Stapelung der Knochen kannst du deinem Zentrum identifizieren und immer wieder finden. (Wenn du nicht sicher bist, wie du das Beckenboden anspannst, rolle ein kleines Handtuch und lege die Rolle auf dem Stuhl zwischen den Pobacken und Sitzknochen als ob es der Rücken eines Pferds ist zwischen deine Beine. Dann ziehe die rechten und linken Sitzknochen zueinander, dabei die Rolle „quetschen“. Das geht nur mit den Beckenbodenmuskeln. )
Die körperliche Aufrichtung lässt uns sinnlich die Würde spüren. Je häufiger du deine Aufmerksamkeit dorthin richtest, desto bewusster wird sie dir.
Wir verfügen über mindestens vier Ebenen oder Arten der Intelligenz – körperlich, imaginativ, rational, abstrakt. Je mehr wir alle vier Quellen der Informationsaneignung und Informationsverarbeitung nutzen, desto selbstsichere erforschen und gestalten wir die Welt. Um ein Bewusstsein und Gespür der eigenen Menschenwurde zu trainieren, brauchen wir geschmeidige Abläufe auf die ersten drei Ebenen. Im ersten Experiment nutzen wir die Eigenschaft des Gehirns, das was häufig wiederholt wird zu ökonomisieren, egal ob es unserm Gedeihen dient oder nicht. Das zweite Experiment spricht die imaginative Intelligenz an. Dadurch kann die Fähigkeit des Gehirns zu beobachten und das Beobachteten sich vorzustellen und zu äußern, angeregt werden, um Selbstwert bildende Resonanz zu erzeugen. Im dritten Experiment stärken wir die senso-motorischen Intelligenz und unsere Fähigkeit in uns das sinnvolle zu erkennen. Erst wenn wir schädliche Gedanken unterbinden, den eigenen Wert erkennen und unsere körperliche Mitte spüren können, ist es möglich, den Sinn der Würde zu erfassen und die in der Praxis, Würde als Orientierung zu nutzen und zum Alltag zu machen.
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