8. Bindung - Beziehung - Begegnung - Sex

Verliebtheit – Symbiose / Differenzierung / Alltag / Reife Liebe – Wiederbegegnung /  Sex und Intimität

1. Verliebtheit – Symbiose

In diesem Kapitel geht es um die Liebe, die zwei Menschen zueinander bringt.  Oft fehlt jegliche Anzeichen von Mobbing in der ersten Verliebtheitsphase der Beziehung. Das Mobbing schaltet sich oft erst dann ein, wenn die Beziehung als etabliert gilt. 

Wenn der Mensch sich verliebt, sieht er das Angebetete als unendlich attraktiv. Gehirnaktivität, Hormonhaushalt und Körperwahrnehmung verändern sich, um eine möglichst große Übereinstimmung zwischen den Beteiligten zu sichern. Das limbische System im Gehirn, der für Emotionen und Triebaktivität zuständig ist, wird aktiver. Der Mensch fokussiert sich stärker auf die ihm anziehende Person. Die emotionale Erregung wirkt gar selbst-belohnend und selbst-verstärkend. Testosteronspiegeln der Beteiligten werden sich ähnlicher während dieser Phase. Sexuelles Begehren dominiert die Beziehung oft. Erhöhtes Dopamin, der sogenannte Glückshormon, wirkt sich in Gedanken und Verhalten aus. Man macht sich für den anderen schön. 

Experiment

Besinne dich auf eine Verliebtheitsphase deines Lebens.  Was ist in dir körperlich, emotional, gedanklich – abgelaufen.  Mach dir Notizen zu wie du dich gefühlt hast.  Die Notizen können als Mind-Map, als Bild, als schriftliche Aufzeichnungen erfasst werden. 

In dieser Phase wird das Fundament für eine Paarbeziehung gelegt. Schenken sich die Beteiligten gegenseitig Nahrhaftes für die Wertschätzung, das Aufgehoben-Sein und zum Lustgewinn ist jede/r für sich und für die Gemeinschaft auf das Gedeihen an diesem Punkt im Leben ausgerichtet. Auch wenn die jeweilige Beziehung zu den Eltern nicht ideal war, erzeugt die Biochemie des Verliebtseins einen Zustand der Verklärung, in der eine ursprüngliche Erfahrung des Glücks erlebt wird. 

Anders verhält sich die Lage, wenn die Verliebtheit einseitig ist. Kommt eine Paarung für einen Teil nicht in Frage, steht die Notwendigkeit des Schutzes, Fairness und Distanzierung an der Tagesordnung. Das kann unterschiedlich elegant gestaltet werden.  Mit einer Grundhaltung von Augenhöhe ist es leichter, sich authentisch und respektvoll zu verhalten. Die Intimpartnerschaft als Ergebnis von romantischer Liebe ist nicht immer der Fall gewesen.  Wenn wir von der Zwangsehe absehen und nur die Fälle in der eine oder gar beide Parteien sich aus sozialen, wirtschaftlichen, familiären oder sonstigen Gründen eine Intimbindung eingehen, ist diese Möglichkeit weit verbreitete und überaus legitim. 

Ein Paar kam zu mir in der Therapie nach 21 Jahre „vorbildliche“ Ehe, weil die Trennung anstand. Sie waren einen brillanten Erfolgspaar gewesen.  Mit ihr könnte er seine internationale Karriereziele verwirklichen.  Sie war die perfekte Freundin, Beraterin, Repräsentantin, Gastgeberin und Vorzeigeehefrau. Ihre Mutter hätte nie die Männer, in der sie sich in der Jugend heimlich verliebt hat, akzeptiert.  Er passte in den Vorstellungen der Familie und mit ihm konnte sie – aufgrund seiner Karriereziele – die Welt bereisen. Obwohl sie selbe sich für einander entschieden haben, war es doch eine Art Arrangement gewesen. Die Rollen waren hierarchisch und wenn auch unausgesprochen klar definiert. Obwohl sie nie wirklich verliebt waren, war die Beziehung eindeutig symbiotisch. Als Ei vorgestellt, war er das Gelbe und sie war das Eiweiß. Die jeweilige Entwicklung brachte sie an einem Punkt, wo das Ei auf dramatische Weise geplatzt ist. Dennoch wenn auch die Sexualität in der Beziehung sehr untergeordnet war, lebten Sie eine genüssliche Vorbildehe 21 Jahre lang. 

Experiment

Besinne dich auf deine Erfahrung als Teil einer Symbiose – als Kind, in einer Freundschaft, in der Liebe, in der Sportgemeinschaft oder dem Arbeitszusammenhang.  Spüre das Positive nach. Vertiefe das Gefühl und koste es aus - in deinem Körper, im Geiste, auch gar – wenn es dir liegt – auf eine spirituelle Ebene. Symbiose ist eine Art Ur-Erfahrung. Bedenke, dass du jederzeit in diesem Zustand innerlich abtauchen kannst.  Sie ist ein Teil deines Seins. 

Für die symbiotische Phase einer Beziehung kann die Erfahrung mit Mobbing in der Ursprungfamilie hinderlich sein. In der Beispielehe, die oben gerade dargestellt wurde, waren beide Väter weitgehend abwesend und beide Mütter des Paars chronisch depressiv. Natürlich wirkte sich das auf ihrer jeweiligen Partnerwahl aus. Denn ausreichende Symbiose in der jeweiligen Frühkindheit fehlte.  Idealerweise ist das Eltern-Kind Verhältnis von Verliebtheit verklärt. Wenn das Kind aber später als Objekt der Erziehung gesehen wird oder ab dem Zeitpunkt, wo das der Fall wird, scheint die Geborgenheit der symbiotischen Phase eine unerreichbare „Shangri-La“ zu sein.  Doch ist die Biologie für das Erleben dieses vollkommenen Glücks eingerichtet und kann unter den richtigen inneren und äußeren Bedingungen anspringen. Alles, was deine innere Wertschätzung und deine Fähigkeit zur eigenen inneren Augenhöhe in der Betrachtung nach Außen beiträgt, erhöht deine Empfänglichkeit für den kostbaren -wenn auch Sucht verdächtigen- Zustand. Flirtkurse und jegliche Form der Selbstentfaltung oder Traumaheilung erhöht die Chancen. 

Experiment

Prüfe -ganz ehrlich-, wie zufrieden du mit deiner gegenwärtigen Beziehungszustand bist. Befriedigt dein Familienstand dein innerstes Bedürfnis nach Liebe? Wie nah kommt er deinem Wunschzustand? 

Ist das Glas halbvoll oder halbleer? Du entscheidest, ob du dich und dein Leben auf den Mangelzustand oder auf das noch ausstehenden Wunder ausrichtest.  Um eine liebende Symbiose einzugehen, ist das Glauben an der Liebe ausschlaggebend dafür, wie du deine Welt komponierst. Inzwischen ist dir vielleicht aufgefallen, wie stark Gefühle von deinen Gedanken, die wiederum weitgehend unbewusst eingespielt sind, abhängig sind. Glaubensätze, Affirmationen, oder Mantras sind deswegen wirksam, weil das Gehirn sich an Wiederholungen orientiert. In welcher Form wünschst du dir „Liebe“? Möchtest du den Rausch des Verliebtseins haben?  Geht es dir ehe um den Kick oder um einen Kickstart für eine neuen Familienstand? Möchtest du lieben?  Möchtest du dich geliebt fühlen? Das Letztere ist besonders stark von deinen Erfahrungen, Erwartungen und deinem Glauben abhängig.  Holst du sie in deinem Bewusstsein, kannst du sie positiv beeinflussen, wenn du sie wie etwas unbändige Kindern liebevoll und streng steuerst. 

Experiment

Glaubst du an die Liebe für dich? Wenn ja, mach dir die Erfahrungen bewusst, wieso du das glaubst.  Wenn nicht, mach dir die Erfahrungen bewusst, die gegen die Liebe sprechen.  Teile ein Blatt Papier in zwei Spalten.  Schreibe diese Erfahrungen auf der linken Seite auf. Forsche nach Spruche, Aussagen und Beobachtungen, die erstmal glaubwürdig gegen die jeweiligen negativen Erfahrungen standhalten und schreibe sie in dem rechten Spalt. Falte die linke Seite nach hinten, hänge das Papier mit dem rechten Spalt sichtbar dort auf, wo es dich an deine persönlichen Mantras erinnern und wiederhole sie bewusst, sooft du kannst. 

Obwohl Verliebtsein und die symbiotische Phase einer Beziehung nicht unbedingt Liebe auf Augenhöhe sind oder vorhersagen, ist es möglich bei aller limbischen Erregung doch dein Zentrum und deine Entfaltung damit zu nähren. Wer liebt ist glücklich. Die Liebe selbst kennt keine Bedingungen. Partnerschaft ist eine Herausforderung, die leichter durch die eigene Liebe gemeistert wird. In dem Kommunikationskapitel haben wir beleuchtet, wie Streit diese limbische Erregung immer wieder anzünden und aufrechterhalten kann.  Das Problem für Beziehungsentwicklung entsteht, wenn ein Paar sich auf dem Schleudergang der Verliebtheit und des Streits verlässt und sich nicht weiter entwickeln kann, wenn es ansteht. 

Für manche Paare kann eine Paarbeziehung nur symbiotisch sein. Sie die Beteiligten verlieren über Zeit zunehmend ihre Eigenständigkeit, ihre Autonomie und ihre Individualität. Es existiert nur eine Meinung, eine Vorgehensweise, eine Bewältigungsstrategie für Probleme. Wer sich wem unterordnet ist kaum zu erkennen. Letztendlich ist diese Beziehungsform zumindest auf Dauer schädlich, weil sie gesunde Entwicklung – sowohl für die Einzelne und für das Paar unterbindet. Die Versuche sie aber aufzulockern sind sehr bedrohlich. Ein solches Paar sucht praktisch nur nach Hilfe, wenn sie ein Problem, wie eine große gemeinsame Entscheidung, eine Krankheit oder sonstige Anforderung von außerhalb der Beziehung, sie treibt, Hilfe von außen zu beanspruchen.  Sie erahnen meist nicht, dass die Verstrickung ihrer Beziehung ein Teil des Problems ist. 

Experiment

Wenn du Single bist, stell dir vor, genüsslich in einer verstrickten Symbiose zu sein. Wie lange ist das für dich schön? Kannst du ein in das Gefühl und freiwillig aussteigen, um dich als Individuum zu genießen?  Wenn nicht, übe das hin und her schalten, bis es dir leicht und vertraut vergnüglich ist. 

Wenn du dich in einer Intimbeziehung befindest und dein Partner mitmacht, setze Euch einander gegenüber und halte einen Blattpapier genau zwischen Euch. Nehme bis zu fünf Minuten, um zu entscheiden, wer das Papier bekommt, ohne es zu teilen. Stelle dafür am Besten einen Wecker. Bespreche hinterher, wie es war, diese Aufgabe gemeinsam zu meistern. 

Inzwischen hat fast jede*r von dem Konzept der Co-Abhängigkeit gehört.  Meist wird der Begriff in Zusammenhang mit Sucht benutzt, in dem Sinne, dass eine Person süchtig ist, und die andere Person unbeabsichtigt die Sucht aus Angst, dass die süchtige Person leiden könnte, unbeabsichtigt verstärkt. Erstmal klingt das liebevoll obwohl die Wirkung schädlich ist. Eine Variation von Co-Abhängigkeit wird gefährlich, wenn sie in feindseelisch kippt. Hier tauchen Abwertungen, wie bei Mobbing auf, die entweder die andere Person in einen gesunderen Abstand vertreiben soll oder sie durch die Intensität der Verletzungen stärker binden soll. 

Experiment

Entdeckst du eine eigene Neigung in Co-Abhängigkeit, d.h. aus Zuneigung, Schädliches in der Beziehung zu verstärken oder zu tolerieren, prüfe ob du gewillt bist, dein eigenes Verhalten zu revidieren. Wenn ja, schaue, wie du deine Wertschätzung und Autonomie wiederherstellen kannst. Wenn das dir gelungen ist, schau wie du mit Respekt und Wertschätzung eine Koalition mit deiner/deinem Partner*in für die Problembewältigung schließen kannst. Wenn es klappt, nehme das Problem gemeinsam in Angriff.  Wenn es nicht klappt, lass locker und setze aus der Augenhöhe immer wieder an. 

Im Großen und Ganzen ist die Beziehungsphase der verliebten Symbiose ein Jungbrunnen für den Beteiligten und für das Paar als dritte Entität. Wenn du Single bist, ist die Bereitschaft, sich zu verlieben, ein gesunder Grundzustand, wenn es nicht mit Erwartungen und traumatischen Vorerfahrung behindert ist. Entdeckst du Behinderungen, nehme diese Abschnitt des Buches als Anregung eine Sanierung durchzuführen. Wenn du in einer Intimpartnerschaft bist, ist die Fähigkeit und die Gewohnheit, in der Urzustand des Liebesglücks immer wieder abzutauchen, eine Möglichkeit, als Beteiligte, sich frisch auf deine*n Partner*in einzustimmen und als Paar, sich zu regenerieren. 

Zusammenfassend, ist in der Anfangsphase einer von Anziehung bestimmten Liebesbeziehung, bestimmen die Wahrnehmung der Ähnlichkeiten und die Übereinstimmungen das Geschehen. Zu diesem Zweck werden klare Botschaften ausgetauscht, die die Beziehung stärken.  Spontane Begeisterung für den anderen werden in Worte, Blicke und/oder Gesten ausgetauscht (Wow! Du siehst einfach klasse aus! Ich freue mich, dass du da bist!) Spezifische Lob für Verhalten der anderen Person werden vermittelt (Beispiele: Du hast uns ein wunderbares Restaurant ausgesucht! Ich freue mich, dass du mir meine Lieblingsschokolade mitgebracht hast!). Man macht den anderen nach (Heimlich die beobachtete Gangart nachmachen oder die Art die Haare aus dem Gesicht zu streichen) fühlt sich in ihm hinein und lernt ihn dadurch besser. Wie ein Tanzpaar neigt man dazu sich gegenseitig zu spiegeln. (Den Kopf passend neigen oder die Beine gleich übereinanderschlagen. Das Verhalten der anderen zu beschreiben macht Freude, und die so wertfrei und genau wahrgenommene Person fühlt sich liebevoll beobachtet und erkannt. Man neigt dazu irritierende Verhalten einfach auszublenden oder zu ignorieren.  Die geliebte Person wird so oft es passt in der eigenen Tätigkeit einbezogen. Gemeinsamen Unternehmungen sind in der Phase erstrebenswert und selbstverständlich. Normalerweise wird immer wieder interessiert nachgefragt, wenn einem was rätselhaft vorkommt.  Ein verliebter Mensch ist meist daran interessiert, den anderen immer besser kennen zu lernen. Im besten Fall erfüllt das Paar sich gegenseitig Wünsche. Gelegenheiten sich zu verbinden werden gesucht und genutzt. 

In der Verliebtheit erlebt das Paar eine Art "Erleuchtung" bezüglich des idealen Zustands ihrer Paarkonstellation. Natürlich spielen Hormone eine wichtige Rolle.  Trotzdem während dieser Phase erfährt das Paar, wie es im idealen Fall miteinander umgeht. Das Wichtigste ist das das Paar auf Glück miteinander ausgerichtet ist und die Beteiligten sind bereit, Einsatz für dieses Glück zu bringen.  Oft werden Konflikte und Probleme umschifft, aber genauso oft nimmt man sich gegenseitig so ernst und betrachtet sich so liebevoll, dass es eine Basis für gemeinsamen Konfliktlösung in dieser Phase anlegen kann.  Jedes Liebespaar hat eine eigene Paarpersönlichkeit.  Dieses dritte Wesen gilt es auch kennen zu lernen, zu hegen und zu pflegen, um die Liebe und das Bündnis nachhaltig gestalten.  Viele Menschen lernen sich selbst aus einem anderen oder gar neuen Blickwinkel in der Verliebtheit und das dritte Wesen "Unser Paarbündnis" kennen zu lernen, ist sehr nützlich für die Gestaltung der späteren Phasen der Beziehung.   

 

2. Differenzierung

Die Liebe hat dich zu diesem Menschen gezogen, der auch im Fluss seines Lebens ist. Was lebt verändert sich unaufhörlich.  Du gestaltest deine eigene Veränderung und beteiligst dich – idealerweise -weil am effektivsten- kooperativ an der Veränderung deiner Umwelt zu der auch die Menschen, die du liebst gehören. 

Der Begriff Differenzierung kommt aus der Biologie. Alle Zellen deines Körpers entwickeln sich aus Stammzellen, die sich für unterschiedlichen Aufgaben so differenzieren, dass sie sich zunehmend deutlich voneinander unterscheiden und dadurch intelligentere, vielfältigere und gewitztere individuelle und verbundenere Organe bilden, die hoch raffiniert miteinander interagieren. In dem Intimpaar ist Differenzierung der Vorgang, der dazu führt, dass wir uns als Individuen zunehmend einzigartiger und unabhängiger entfalten gerade dadurch, dass wir unser Intimbündnis wahren, hegen und pflegen. Sie ist das fortschreitende Ergebnis von der Bewältigung von Herausforderungen.  Das Leben mit einem Intimpartner zu führen konfrontiert die Beteiligten mit einer unerschöpflichen Anzahl von Konflikten, die die Differenzierung der jeweiligen Partner und das Paarbündnis selbst voranbringt. 

Experiment

Bündnis und Autonomie ergänzen sich. Stapele deine Knochen, um dich aufzurichten. Dehne und Rekele dich ein Bisschen. Richte dann deine Aufmerksamkeit auf das Gefühl in einem guten Bündnis mit deinem/deiner Intimpartner*in zu sein. Spüre das Gefühl nach. Koste es aus.  Kreise jetzt mit den Schultern 5x nach vorn, 5x nach hinten. Richte jetzt deine Aufmerksamkeit auf deine Selbständigkeit, deine Integrität und deine Selbst-Wertschätzung. Stärke schwächelnde Bereiche mit einem inneren Lächeln des Wohlwollens. Erst wenn du die beiden Ausrichtungen klar getrennt spüren kannst, spiele ein Bisschen mit dem Hin und Her schalten deiner Aufmerksamkeit.

Gehen wir davon aus, dass Ihr eine schöne Verliebtheitsphase in der Beziehung erlebt haben. Keine fühlte sich untergeordnet oder nicht ausreichend wertschätzt.  Eines Tages aber schaltet jemands Gehirn auf Alltagsbetrieb.  Bei einem Paar wurde in der symbiotischen Phase täglich zum Frühstuck 2 weichgekochte Eier verzerrt und die Unterhaltung war rege und zugewandt. Eines Tages schelte der Mann die Frau, weil zwei Eier an seinem Platz bereits im Becher mit Wärmemützchen stand, und die Zeitung fehlte.  Die Frau war ganz verwirrt.  Sie hat das Frühstuck bereitet, wie täglich seit über einem Jahr. Er wusste das sogar nicht mehr, bzw. es war ihm egal. Er esse nur sonntags zwei Eier und in der Woche wolle er seine Zeitung in Ruhe lesen. Bei einem anderen Paar bewunderte Sie seine Großzügigkeit und Verbundenheit mit seiner Verwandtschaft in der Verliebtheitsphase und fühlte sich aber davon am Anfang der Differenzierungsphase bedroht und vernachlässigt. In beiden Fällen ist ein deutlicher Unterschied zwischen der eingeprägten Vorstellung von einer bestehenden und fortlaufenden Paarbeziehung und dem Ausnahmezustand der Werbungsphase. Das Frühstücksproblem wurde von dem ersten Paar schnell und geschmeidig gelöst.  Das zweite Paar litt unter herz-zerreißenden und dramatischen Auseinandersetzungen bis es eine Paartherapeutin, die sie beiseite stand, fanden.  Sie haben inzwischen gelernt, zunehmend selbständig die Herausforderungen der Unterschiede und der unabhängigen Wertschätzung tatkräftig und elegant zur Zweit zu lösen. 

Experiment

Besinne dich/Euch auf einem solchen „Kippmoment“ in Eurer Beziehung.  Habt Ihr es für beide Beteiligten gutgelöst?  Wenn ja, wie? Es ist sehr sinnvoll, sich Erfolgsmuster bewusst zu machen, um es in verstockten Situationen Schritt für Schritt zu verfolgen.  Wenn nein, welche langfristige Auswirkungen hat die Veränderung an Eurem Beziehungsglück. Angenommen, es hat Wunden hinterlassen, wie könnte einen Heilansatz ausschauen? Idealerweise, sind regelmäßige Betriebsbesprechungen ein geeigneter Ort für den ersten Schritte von Problemdefinition und die Sammlung von Lösungsalternativen. Wenn aber die Beziehung noch von Konkurrenz geprägt ist, kann individuelle Vorarbeit erstmal sinnvoller sein. Lang schlummernde Verletzungen heilen meist eher etappenweise als in einer Hauruck Vorgehen.  Auf Augenhöhe macht keine*r sich abhängig davon, dass die andere Person „richtig“ handelt, sondern handelt im Team eigenständig im Rahmen ihrer/seiner Aufgabe.  

Ein Paar, das 30 Jahre lang sich als Paar definierte, lebte sich zunehmend auseinander.  Sie meldeten sich über einem Zeitraum von 2 ½ Jahre immer wieder für eine Therapie an und sagten dann die Sitzung immer wieder ab, weil irgendwas dazwischenkam.  Als sie endlich vor mir saßen, teilte er ihr mit, dass er die Sitzung nutzen wollte, um die Trennung offiziell zu erklären.  Sie verfiel in einer Art Schockstarre zuerst, was ihn völlig überraschte, weil er überzeugt war, dass sie sich immer seltener sahen, weil sie ihn nicht mehr liebte. Sie kamen aber als Paar zu weiteren Sitzungen und berichteten von ihren „Streitkultur“, die erschöpfend viel Kraft kostet und Wunden hinterlässt. Im Streit haben sie Verallgemeinerungen, Vorwurfe und Verteidigungen, wie von den Eltern gelernt, sich intensiv um die Ohren gehauen. In den Jahren der Symbiose haben sie sich dann sexuell wiedervereinigt und sich versöhnt. Die Aussicht, neue Formen der Konfliktlösung zu finden, eröffnete eine Perspektive, die ihnen vor der Sitzung nicht handwerklich zur Verfügung hatten. 

Wie sonst im Leben, liegt eine natürliche Entwicklungsreihenfolge für gesunde Intimbeziehungen vor.  Wie lange jedes Paar in eine Phase bleibt ist sehr individuell. Die symbiotische Phase kann nach wenigen Tage oder Wochen durchlaufen sein, oder sie kann Jahrzehnte anhalten.  Sie ist von Wertschätzung, Bindung und Lustgewinn geprägt. Die Einigkeit und Freude aneinander kennzeichnen meist dieser Phase. Natürlich gibt es Paare, wie oben beschrieben, die sich auf schädlicher Weise bekämpfen.  Dabei halten sie eine verstrickte Form der Symbiose aufrecht und behindern sich gegenseitig in der Differenzierung. Effektive, förderliche Auseinandersetzungen behandelt wir gleich unten. 

Wenn das Paar sich nicht verstrickt hat lösen unterschiedlichsten Faktoren die die nächste Entwicklungsphase aus.  Diese können innere oder äußere Natur sein. Äußerlich kann eine Veränderung in der Familie, eine Jobveränderung, eine Krankheit, eine neue Anregung oder sonstiges sein, die die Differenzierungsphase einleitet. Innerlich kann einfach eine Reifungsprozess Verhaltensänderungen mit sich bringen.  Meist tritt ein Partner zuerst in der neuen Phase ein. Aber auch wenn beide Partner mehr oder weniger Zeitgleich anfangen, sich aus den symbiotischen Rahmen des Paars zu entfalten, bedeutet die Differenzierungsphase eine Belastung für das Paar.  Denn in der Verliebtheitsphase haben Gemeinsamkeiten, Beziehungspflege und die erfreuliche emotionale Belohnungsfunktionen im verliebten Gehirn dominiert. Ab den Beginn der zweiten Beziehungsphase sind rationale Bewertungen neurobiologisch wesentlich aktiver. Ab diesen Zeitpunkt ist die bloße Koordinierung der Areale im Gehirn eine natürliche Herausforderung. Intern wie Extern gilt es zu lernen, wie die Balans zwischen Bündnis und Autonomie gepflegt werden kann. Idealerweise, bedeutet das einen Aufwind und trotz des erhöhten Stresses doch eine erfreuliche Entwicklung. Das folgende Experiment trainiert den Umgang mit dem eigenen Gehirn, der hilfreich für dieser Phase ist.

Experiment

Fokussiere deine Aufmerksamkeit auf eine rationale oder intellektuelle Aufgabe – z.B. sudoku lösen oder rechnen. Schalte dann um, um deine Achtsamkeit entspannt auf etwas, was dir Freude macht -z.B. Wolken betrachten oder Lieblingsmusik lauschen- , ruhen zu lassen. Nach circa fünf Atemzüge schalte wieder den scharfen Fokus für deine ursprüngliche Aufgabe wieder ein. Schalte hin und her, bis das Schalten dir geschmeidig gelingt. 

In frühere Generationen war das Überleben Hauptziel für den meisten Menschen. Ein ständiger Alarmzustand, weil was lebensbedrohlich schief gehen könnte, beherrschte Entscheidungen.  Orientierung und Kontrolle, die für das Gedeihen untergeordnet sind, prägte die Bewältigung von der grundsätzlichen Notstandslage. Trotz massiver Ungerechtigkeit in der Verteilung von materiellem Wohlstand in der Gesellschaft, herrscht kaum noch Notstand.  Heute in einem Zeitalter, in der Gedeihen durch gesunde Bündnisse und emotionalen Wohlstand Grundziel geworden ist, sollte das Notstandsprogramm relativ kurzlebig und auf etwas Spezifischen ausgerichtet sein. Aufgrund von Jahrhundertlange Notstandbewusstsein aber, sind auch wir davon geprägt und neigen dazu in der Intensität des Alarmzustands zu geraten, wenn das Vertraute durch das Leben unterbunden wird.  Die erhöhte Spannung allein aber erschwert die Bewältigung von Herausforderungen in Friedenszeiten und vor allem in dem sich differenzierenden Paarbündnis. Denn das Naturgesetz sagt, dass eine klar definierte schlichte Aufgabe mit erhöhter Spannung besser gelöst wird, aber ein komplexe, „knifflig“ Aufgabe mit einem entspannten Grundtonus besser gelöste wird. Divergierende Bedürfnisse unter einem Hut zu bekommen ist knifflig!

Experiment

Stell dir eine Situation vor, in der ein*e Intimpartner*in (das kann auch ein Elternteil, ein Geschwister, ein*e Freund*in sein) sich befremdlich verhält. Betrachte die Lage und deine emotionale Reaktion dazu genau. Sobald du dich imaginativ tief in der Situation fühlst, schalte um. Zieh dich innerlich zurück, beschäftige dich ausführlich mit Aufgaben, die dir leicht von der Hand gehen und das mit lichten, erfreulichen Gedanken.  Die archäische Zeit entspricht „3 Tage“ – aber das kann auch eine gefühlte Zeitrahmen sein – um sich von einer Überforderung zu regenerieren.  Danach betrachte das befremdliche Verhalten deiner/m Intimpartner*in nochmal. Wenn deine emotionale Reaktion gleich ist, zieh dich wieder in das Erfreuliche zurück. Wenn du gelassener genau hinschauen kannst, prüfst ob du es als „Sachlage“ akzeptieren kannst.  Wenn noch nicht, zieh dich zurück, und wiederhole den Zyklus bis dir die Akzeptanz gelingt.  Erst dann erforsche – am besten gemeinsam- wie du/Ihr praktisch erfolgreich und befriedigend für beide mit der veränderten Situation umgehen kannst/könnt. 

Natürlich ist es möglich, dass du an diese Stelle im Buch allein so weit gekommen bist und dein*e Partner*in klebt immer noch fest in ihrer/seine Rolle als Mobber und/oder Opfer. Vielleicht akzeptiert mindestens eine von Euch noch nicht, dass die alltäglichen Beispiele für Sadismus in Intimbeziehungen Variationen von Mobbing sind. Du hast trotzdem eine Bandbreite an Möglichkeiten zur Verfügung, wenn du – aus welchem Grunde auch immer – nicht die Beziehung aufgeben willst und außerdem Einsatz für die Liebe auf Augenhöhe bringen willst. Bedenke, dass jede*r das Bestmögliche in der Entwicklungsphase, in der sie/er ist, tut. Du bist verantwortlich für deinen Glück und Kapitän deines Schicksalsschiff. Verhalte dich, wie du es authentisch für dich vertreten kannst. Vielleicht ist dir schon aufgefallen, dass jegliche Form von Druck oder Spannungserhöhung die Lage nur noch schlimmer macht. Ein alter Spruch heißt, „Der Ton macht die Musik“.  Die Wirkung vom folgenden Experiment ist sehr abhängig davon, ob du das Verhalten deines Gegenübers akzeptierst und als Ausgang für eine noch nicht zu berechnenden Veränderung (welche auch immer) wahrnehmen kannst. Willst du, dass dein Gegenüber die Veränderung mitgestaltet, dann kommt es sehr auf seine Motivation an. Die Sache ist knifflig.  Es ist wichtig ausgeschlafen daran zu gehen. Zuerst gilt es, ein Samen für das „Motiv“ zu pflanzen. 

Experiment

Bitte dein Gegenüber sich konkret vorzustellen, wie genau er/sie die Beziehung langfristig haben möchte. Es geht tatsächlich erstmal um einen inneren Vorgang, die er/sie machen kann, wenn und wo es für ihn/sie passt, womöglich täglich, „dir zu Liebe“. Wenn es für ihn/sie passt, etwas in der Richtung, die er/sie selbst haben will, zu unternehmen, kann er/sie es in ihre Zeit machen.  Bitte ihn/ihr zwar täglich daran zu denken, aber einmal gesagt reicht. Es ist nicht dein Job ihn/sie daran zu erinnern.  Entweder klappt das Experiment, oder nicht.  Unabhängig davon folge selbständig deine eigenen Ziele – auch in Bezug auf die Intimität.

Kontrolle ist hier kontra-produktiv. Orientierung stellt sich mit der Entwicklung immer wieder selbst ein. Um sich nicht abhängig von dem Verhalten des Anderen zu machen, ist es sinnvoll und erfolgversprechend, die eigene Haltung und die eigenen Aktivitäten zu kultivieren, ohne insbesondere „Kuscheleinheiten“ innerhalb der Beziehung zu vernachlässigen. 

Gerade für die Phase der Beziehung in der die Unterschiede zwischen den Liebenden mehr und mehr um ihrem Platz in der Liebe buhlen, ist es wichtig die Grundlagen des Wohlwollens zu empfinden und zu demonstrieren. Möge und akzeptiere dich selbst, so wie du bist. Sei authentisch. Zieh deine Kraft und deine Beziehungsvorerfahrung nur aus der verinnerlichten (ob durch Erfahrung oder Fantasie) IDEAL-Kindheit.  Wenn du un-aufgearbeitete Trauma aus der Ursprungsfamilie hast, bereinige deinen inneren Haushalt, um immer besser die gegenwärtige Liebe zu leben. Nehme Zeit, um mit deinem Partner zu kuscheln, ihn anzulächeln, dich an ihm zu erfreuen. Das neue Fremdartige zu begegnen ist immer eine Herausforderung, die Entfaltung, Wachstum, Lernen und Fortschritt mit sich bringt. Die Differenzierungsphase der Beziehung läutet eine neue viel-schichtiger Phase des Kennenlernens ein. Es ist natürlich, dass das verunsichert, verärgert oder verängstigt. Jede von diesen Gefühlen, hilft, dich neu zu positionieren, und das ist angemessen und notwendig in der Phase. 

Experiment

Prüfe immer wieder, ob du deine Selbstversorgung verbessern kannst. Notiere, wie du dich selbst immer wieder ins Lot und auf Augenhöhe bringst.  Betrachte deine*n Partner*in mit Wohlwollen, und gehe mit ihm/ihr mit liebevoller Achtsamkeit um.  Gelingt es dir mal nicht, zieh dich zurück, bring dich ins Lot und auf Augenhöhe und setzte immer wieder neu an. Falls du zwischendurch grob warst, zeig ihr/ihm deine Reue ohne Augenhöhe zu verlassen.

Quälen dich unbequeme Gefühle, mache dich mit denen vertraut. Ist das Gefühl eher Verunsicherung, ist es sinnvoll sich zu stabilisieren, zu zentrieren, sich auf zu richten und das zu identifizieren, was dir Sicherheit in der Situation gibt. Ist das Gefühl eher Wut, suchst du unbewusst neue Wege für dich.  Dich körperlich zu bewegen und die Lage aus möglichst vielen Blickwinkeln zu betrachten, bringt dich weiter. Angst hilft dir die genauen Gefahren zu identifizieren und zu überwinden. Sicherheit liegt in dir. Orientierung und Kontrolle sind flüchtige Zustände, die immer wieder durch Veränderung neu entstehen. Wenn du Angst bekommst, reduziere die Spannung und kläre, was genau die Gefahr ist, und wie du damit praktisch umgehen kannst.  Notfalls lerne etwas Neues, um die Gefahr zu bewältigen. In allen drei Fällen behindert es dich, die Spannung des Gefühls gedanklich zu erhöhen, denn die Aufgabe ist es, dich auf das Neue, Gedeihliche, auszurichten. Gelingt es dir, deine Bedürfnisse nach Sicherheit, Stabilität, Ruhe und Geborgenheit ausreichend in dir selbst zu verankern, kannst du die Aufgaben, die die Differenzierungsphase in der Beziehung mit sich bringen, gut bewältigen. 

Experiment

Mach dir klar, wie du sein möchtest und dich fühlen möchtest in deinem Paargefüge. Nutze diese Fantasien und Gefühle als Ausrichtung und Ausgangsbasis, um den Anderen neu kennenzulernen. 

In dieser Phase der Beziehung werden die Unterschiede zwischen Euch immer auffälliger.  Gerade daher, ist deine Fähigkeit zur Selbstreflektion und darüber hinaus, die eigenen Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse zu benennen, die Grundlage dafür, den Anderen als eigenständig und unterschiedlich zu akzeptieren und mit seinem Autonomiebestreben umzugehen. Die Fähigkeit angemessen, fair, freundlich und wohlwollend mit Euren Unterschieden umzugehen, wird dadurch immer stärker.  Einerseits bieten Fürsorge, Kuscheln, Geborgenheit und gemeinsame Ritualen Erholung und Regenerierung für die fast unvermeidlichen Auseinandersetzungen. Andererseits ist die Unterstützung der Fremdartigkeiten des Anderen notwendig, um ausgerechnet durch die Auseinandersetzungen als Paar sich weiter zu entwickeln. Diese Phase erfordert auch manchmal Veränderungen der Rituale, der Verabredungen.  Der Umgang miteinander gewinnt auch an Möglichkeiten.

Experiment

Beschäftige dich- zeitbegrenzt- einerseits intensiv mit deinem eigenen Anliegen und andererseits intensiv mit deiner Partnerschaft. Besinne dich an Eure größte Meinungsverschiedenheit der vergangenen Monate. Mach dir bewusst, wie gut Ihr – aus deiner und aus der Sicht der anderen Person das gelöst habt. 

Das Wort Mobbing ist auch teilweise austauschbar mit dem Begriff der alltäglichen Sadismus in Paare, die Lieblosigkeiten, die Abwertungen en passé, die Unterlassung von Freundlichkeiten, die Machtspiele, die kleine alltägliche Gemeinheiten, die Verleugnung der Verantwortung, negative Projektionen, u.v.m.. Wir glauben, dass wir mehr Kontrolle haben, wenn wir den anderen schlecht behandeln, riskieren oder verlieren dabei die Grundlagen des Gedeihens und beschädigen meist unabsichtlich uns selbst, den Anderen und das Paarbündnis. Du mobbst, weil sich zwei Urgewalten in dir streiten: Liebe und Macht. Leider ist Macht in der Lage, die Kraft und der biologischen Ausrichtung der Liebe zu überlagern. Dennoch ist die Liebe die Urkraft, die das Paar zusammengebracht hat. In der Beziehung auf Augenhöhe ergänzen sich die Urgewalten: Bündnis und Autonomie. 

Kein Mensch ist wirklich gerne Opfer. Dennoch wenn wir nicht lernen, geschickt Schädigung auszuweichen, werden wir leicht Opfer. Die Differenzierungsphase bietet dir auch die Gelegenheit sowohl Bündnis, wie auch Eigenständigkeit zu entfalten. Beide Sachen stärken dich und schützen dich, zwar nicht vor Verletzungen oder Auseinandersetzungen aber auf jeden Fall vor Schaden. Im 5. Kapital steht einiges zum Aufbau der inneren Opferschutz: sich distanzieren, mit Vertrauten sprechen, sich verwöhnen und regenerieren zwischen Attacken, Gelassenheit bewahren, bzw. so schnell wie möglich wieder zu finden; identifizieren, welches eigene Verhalten das Gedeihen fordert; respektvoll und nachdrücklich dann handeln, wenn das Handeln gute Erfolgsaussichten hat. Bedenke, nirgendswo steht was von Strafen! Es ist viel effektiver das alltägliche Sadismus zu unterbinden, indem du kein Schaden nimmst! 

Deine Aufgabe in einer Liebesbeziehung ist dich selbst als Teamplayer in möglichst Topform zu halten.  Da helfen, die Gebote, die oben beschrieben wurden. Zusätzlich hast du eigenständig Verantwortung für Euer Liebesbündnis und unabhängig noch davon natürlich für Kinder, Tiere, Hausstand und was auch immer Euch noch verbindet!  Es geht hier nicht um Verpflichtungen, sondern um natürliches Beteiligt-Sein am gleichen System. 

Experiment

Mach eine Liste von alldiejenigen mit denen du im gleichen System beteiligt bist und die etwas von dir wollen. Stell dich aufrecht und entspannt hin.  Geh deine Liste durch und stell dir körperlich vor, wo jede Einzelne auf der Liste an dich zerrt.  Lass erstmal dir die Verzweiflung und das Bedrängnis ganz bewusstwerden.  Dann geh die Liste nochmal durch und nehme die jeweils unsichtbare Hand symbolisch in deiner Hand. Stell dir vor, wie du diejenigen tief in den Augen siehst und sagst: Du bist mit mir verbunden. Ich freue mich darüber. „Komm näher und lass los.  Ich bin ganz freiwillig um X Uhr am Y Tag bei dir (nenn hier eine konkrete Zeit und Tag) verabredet und freue mich darüber. Fühl dich bis dann umarmt.“ Wenn du die Liste durch hast, rekele dich, lächele und gönn dir was Gutes.

Achtung, wenn du deine privaten intimen Wünsche, Ängste, Einstellungen, Gefühle und Information bisher bewusst zurückgehalten hast, ist die Differenzierungsphase die richtige Zeit, sie in das Bündnis einzubringen.  Allerdings nicht, um Einigkeit, sondern um Sichtbarkeit zu erlangen. Nutze Gelegenheiten dazu. Beherzt Konflikte im Kauf nehmen bringt dich und die Liebe auf Augenhöhe viel weiter als das Versteckspiel. Ja, es kann sein, dass du damit deine*n Partner*in in Bedrängnis bringst.  Er/Sie wird schon damit fertig werden.  Das ist ihr Job nicht deiner. Eine weitere Gefahr für die Entwicklung ist, dass du Eigenschaften, die du an dir nicht magst, auf deine*n Partner*in überträgst oder projektzierst. Besser ist es, deine Schattenseiten für dich ehrlich zu beleuchten und zu überwinden oder zu integrieren.  Somit kannst du die erfolgreiche Teamarbeit stärken. 

Experiment

Frage Freunde und Familie ob sie glauben, dass du einen Blinden Fleck hast und was sie meinen, dein blinder Fleck ist.  Bitte sie zu nennen, was du nicht sehen kannst. 

Wenn du verborgenen Talenten oder ungenutzte Begabungen hast, jetzt ist ein guter Zeitpunkt, dich mit ihnen zu verabreden. Sie können leicht zur Störquellen der Liebe auf Augenhöhe. Es ist nicht eilig, etwas zu verwirklichen, sondern sinnvoll sie in deiner Person und deinem Leben zu integrieren. 

Dein Ausgangspunkt für die Differenzierung und die deines Paarbündnis ist das Ergebnis von Generationen von Paarer vor dir, die sich unter ihrer jeweiligen persönlichen Entwicklung und die Umweltbedingungen soweit sie konnten differenziert haben. Wir sind für eine Intimbeziehung angezogen von Menschen, die Ähnlich sind in ihrer Differenzierungsentwicklung. Biologisch entwickeln wir uns in der Differenzierung als Individuen. Wir differenzieren uns aber auch dadurch zunehmend deutlicher voneinander. Die Grenzen, die dadurch entstehen, sind Begegnungsräume, Berührungsgelegenheiten, Schutzwallen, und Ergänzungssignalen. Du setzt Grenzen, um deine Integrität und Entfaltung zu schützen. Du bist mit den Grenzen, die dein Partner setzt konfrontiert. Ihr setzt Grenzen, um Übergriffe von Verwandtschaft, Freunde und anderen abzuwehren und innerhalb deren Ihr eine Privatsphäre genießen können. Die gesunde Entwicklung erfordert weitere Differenzierung, Bündnis und Netzwerke.  Die Funktion von Auseinandersetzungen auf Augenhöhe ist es nicht perfekte Lösungen zu erzeugen, sondern Innovation, Wachstum, Entfaltung und Entwicklung voranzubringen. 

Wie Paare mit ihren Konflikten umgehen, bestimmt die Qualität der Beziehung. Auschlaggebend ist der Unbestechlichkeit der eigenen Integrität. Das kann bedeuten, dass eine Position, die du einnimmst, nicht verhandelbar ist. Die Lösung kann nur in einer Entwicklung kommen. Ein klassisches Beispiel ist die Entscheidung für ein Kind. Ein Fall, der häufig vorkommt, ist wenn die Frau entscheidet, dass sie ihre Integrität nicht wahren und weiterhin verhüten kann. Ab diesem Zeitpunkt liegt die Verantwortung für die Verhütung bei dem Mann, wenn er noch nicht sich für einer Konzeption Bereit fühlt. Seine Möglichkeiten sind viele, aber welcher Weg ist für ihn integer.  Der Prozess kann sehr schmerzhaft sein. Es kann sein, dass ihm Gespräche mit ihr, mit anderen, mit sich, helfen.  Es kann sein, dass er ganz auf der Integrität seines Bauchgefühl verlässt. Der Prozess kann Tage oder aber Jahre brauchen.  Diskussionen können helfen, aber sie können die Konfliktlage verschärfen.  Jedes Paar erreicht ein Handlungsstadium auf seine spezifischen Art. Ein Paar, das sich in der Symbiotischer oder Alltagsphase befindet hat es hier einfacher, aber das kann man sich nicht aussuchen! 

Experiment

Besinne dich auf eine eigene Entscheidung, die für deine Umgebung schwierig war und dadurch zuerst Spannungen erzeugte.  Wie löste sich die Spannungen.  Was hat sich dann verändert. Welcher Effekt hatte die Lage kurzfristig, mittelfristig und langfristig an der Qualität der Beziehungen. Wenn das Ergebnis noch nicht gut ist, kann es sein, dass du jetzt etwas machen kannst – eine neue Position für sich ausprobieren, einen neuen Anstoß, eine ergänzende Entscheidung deinerseits, mehr Beistand, Trost und Empathie der Person, die du mit deiner Entscheidung in der misslichen Spannung gebracht hast, aufbringen. 

Paare auf Augenhöhe neigen dazu Problemlöseverfahren einzusetzen, wenn es die Beziehung guttut. Meist bedeutet das -eventuell mit Stift und Papier ausgerüstet, um möglichen Notizen oder Zeichnungen zu machen- Zeit und Raum dafür zu nehmen. Zuerst wird das Problem so konkret, wie möglich, so zu formulieren, dass beide die Problembeschreibung zustimmen.  Dann gilt es zu überprüfen, wie emotional investiert jede/r in eine bestimmte Lösung ist um notfalls die Emotionen vorab so zu entladen, dass beide Köpfe klar sind. Hierbei hilft der gemeinsame Monolog (siehe Kapital Kommunikation/Streit). Dann wird die jeweilige Position oder Sicht auf dem Problem geortet und formuliert. Erst jetzt kann das Brainstorming beginnen. Brainstorming: viele Lösungsszenarien phantasieren, die unterschiedlich, gedeihlich und liebevoll, ablaufen. Brainstorming: was, so wie andere Beteiligten gestrickt sind, kann ihnen motivieren, mitzumachen. Brainstorming: was braucht jede*r von uns, um voll hinter der Lösung zu stehen und dafür eigene Einsatz zu bringen. Brainstorming: ist es sinnvoll gemeinsam auf eine Lösung zu setzen oder könnte jede*r für sich Konsequenzen aus dem Gespräch nehmen und wir schauen, was wie wirksam ist.

Experiment

Prüfe bei frühere gemeinsame Problemlösungsgespräche was gutgetan hat.  Mach dir/ Euch die Erfolgsmustern bewusst. 

Timing spielt für den Erfolg von Konfliktlösungen oder Differenzierungsschübe eine wichtige Rolle. Die Zeit ist reif für ein Gespräch oder für ein Experiment, wenn es sich richtig anfühlt.  In dem Beispiel mit dem Nahkampftrainer, erfuhr ich, dass auch ich mit einem bestimmten durchlässigen Muskeltonus über eine Art siebten Sinn für Timing verfüge, wenn Gefahr droht.  Das Gleiche gilt für Gelegenheiten, die für Risiken günstig sind.  Je gelassener, zentrierter, eigenständiger und resonanzfähiger du im Leben stehst, desto leichter erkennst du den richtigen Moment für einen kniffligen Einsatz in den Diensten der Differenzierung.  Resonanzfähig heißt hier die Bereitschaft, das aufzunehmen, was ein anderes Mitglied der Gemeinschaft offenbart und darauf einzugehen. Spannungen, die durch Gedanken und Gefühle erzeugt und verschärft werden, unterbinden diese Fähigkeit, sodass Kommunikation dann stockt. Resonanzfähig heißt hier aber auch den Mut einfach klar und deutlich deine Position sichtbar zu machen ohne spezifische Reaktion von deinem Gegenüber zu erwarten oder vorwegzunehmen. 

Experiment

Formuliere einen Satz, der mit „ich habe mich entschieden…“ anfängt. Stell dir vor, wie du diesen Satz deiner/deinem Partner*in als freundliche, informative Mitteilung sagst. Prüfe ob du offen und interessiert bist, wie er ihn aufnimmt. Akzeptiere jegliche Reaktion als Teil der gemeinsamen Reise. Wie leicht fällt das dir – auch wenn die Rollen vertauscht sind? 

 

3. Alltag

Nachdem ein Paar die Ecken und Kanten der Differenzierung überwunden hat, tritt es in der Phase des Alltags.  Idealerweise haben die Beteiligten inzwischen jeweils so viel Rückendeckung durch den Partner und das Paarkonstellation, dass sie den Freiraum, den sie für ihren eigenen Entwicklung in die Welt hinein brauchen, beanspruchen können. In der letzten Phase haben sich Gewohnheiten der Beziehungspflege etabliert, die das Bündnis Stabilität, Geborgenheit und zarte Wachstum innerhalb des Alltags sichert. Solche Entwicklungen entfalten sich aber nicht immer glatt und geschmeidig.  Sind die Partner gut in der hierarchischen Kultur verankert, kann Konkurrenz oder Dominanz/Unterordnung einvernehmlich eingespielt sein.  Strebt ein*e oder beide der Partner Augenhöhe an, dürfte das die Partnerschaft bereichern.  Dadurch dass Augenhöhe von selbständiger Verantwortung für eigenes Verhalten ausgeht, bewirkt die Gelassenheit und Selbstreflektion, die es mit sich bringt eine ansteckende Qualitätsverbesserung an sich. Ein Partner auf Augenhöhe ist eher zum Flirten, zum Sex, zur Verspieltheit und zum Interesse an dem Anderen aufgelegt und hat dafür mehr Energie zur Verfügung als üblich im hierarchischen System. 

Dennoch bringt die Paarentwicklung in der Alltagphase Gefahren mit sich.  Normalerweise tritt ein Partner zuerst in der nächsten Phase ein, was Konflikte mit sich bringen kann, wenn die zweite Person noch nicht so weit ist. Behalten beide Partner – der vorpreschende und der Nachzügler sein Respekt und Wohlwollen für und seine Freundlichkeit gegenüber den Anderen bei, hilft der Konflikthandwerk aus der Differenzierungsphase das Paar sich in der Phase des Alltagsphase einzupendeln. Hier geht es eher darum, sich den Freiraum zu geben, um sich durch Tätigkeiten und Interessen außerhalb des Paares zu entfalten. Die Pflege des Bündnisses verschiebt sich und kann leicht aus den Augen verloren werden. 

Einerseits ist das Paar im positiven wirtschaftlichen Sinn inzwischen ein etablierter Betrieb mit klaren Aufgabenteilung. Andererseits gefährdet Nachlässigkeit in der Beziehungspflege schleichend und unauffällig das Paar.

Experiment

Prüfe, ob Ihr täglich die Resonanz und Verbundenheit mindestens einmal deutlich körperlich, selig spüren.  Achtung, hier geht es nicht darum, zu genießen, wie gut Ihr als Team funktionieren.  Es geht um Seelennahrung. Die gemeinsame 3-Atemzüge- Umarmung, sich beide Hände geben, ein Moment innehalten und sich anlächeln, die Zeit anhalten durch kurzen Augenkontakt. Wenn es noch nicht spontan klappt, vereinbart ein Code: z.B. „jetzt?“ oder „Sekunde mal?“ oder sich freundlich anrempeln… 

Die Beziehungspflege ist in dieser Phase kann sehr minimalistisch sein.  Trotzdem ist sie das Vitamin, das die Gesundheit des Paars langfristig zum Einsturz bringen kann, wenn sie chronisch mangelhaft vorhanden ist.

Es gibt Paare, in denen eine Person die Differenzierungsphase überspringt und die andere Person in der symbiotischen Phase bleibt. Das kann sehr frustrierend für beide Teile sein.  Das Gefühl herrscht, dass irgendjemand hier nicht „OK“ ist. Das wirkt toxisch auf die Beteiligten und auf das Bündnis. Wenn das Paarglück in deine Augen davon abhängig ist, dass die/der Andere sich ändert, ist es wohl möglich, dass du in einer abwertenden Haltung geraten bist.  Wer für sich Augenhöhe aneignet – siehe Kapiteln 5, 6 und 7 – qualifiziert sich für die Befriedung der Konflikte, die die Differenzierungsphase kennzeichnet. Dort lernt zunehmend, „wer ich bin“, meine Bedürfnisse, Eigenarten, Art, mich sichtbar zu machen. So wird das Paar reicher und vielfältiger und vielschichtiger. Mit wachsenden Erfahrungen sind die Auseinandersetzungen wegen Eurer Unterschiede zunehmend leicht zu handhaben. Wer dieser Phase noch nicht durchgemacht hat oder aber übersprungen hat, kann sie nachzuholen und die Partnerschaft in einer glücklichen Wendung zu bringen.  Und die Augenhöhe zu leben, um die das Buch handelt, sind die Erfahrungen, die man während der eigenen Differenzierungsphase macht, unerlässlich. Auch wenn sie unbequem sind, fördern sie das persönliche und das Paar-Gedeihen, weil sie konflikt- und teamfähig macht. Auf der Grundlage der Selbsterkenntnis, die man in der Differenzierungsphase erreicht, bedroht die Erforschung von „wer ich bin in der Welt“ während des Alltagsphase das Paar-Wohl nicht. In Zweifelsfall ist es erholsam vorübergehend, sich gemeinsam in einer früheren Entwicklungsphase zurückzuziehen.

Wenn du eine – vielleicht verlorene – Innigkeit mit deinem/deiner Partner*in anstrebst und er/sie mit Alltag, Arbeit, Freunde, Hobbies so beschäftig ist, dass du zu kurz kommst, hilft dir ein erhabenes Gefühl, Opfer zu sein, gar nichts! Qualifizierst du dich für erfolgreiche Auseinandersetzungen, kannst du deine Ziele erreichen, wenn auch vielleicht ganz anders als du dir vorerst vorgestellt hast.  Wenn dir die Gefahr von Auseinandersetzungen abschreckt und du dich lieber mit deiner Außenaktivitäten beschäftigen willst, bedenke, wie spielerisch du die Fähigkeiten dazu aneignen kannst (siehe 5.bis 7. Kapitel) und wie kostbar und nachhaltig eine gute Paarbeziehung ist. Drei Aspekte stärken ein Paar, das in diesem Zustand geraten ist, um weiter zu kommen: Umgang mit einander, Verhaltenshandwerk, Beleuchten der jeweiligen Ursprungsfamilie. 

Experiment

Verabrede mit deiner/deinem Partner*in ein oder zwei 1 ½ -3-stündige Zeiträume in der Woche, die Ihr zur Zweit verbringen und in dem Ihr Euch miteinander befassen – das kann ein Spaziergang sein, Zeit zusammen im Bett, ein langer Frühstück, ein gemeinsame Verabredung zum Kochen und/oder Essen, oder was anders. 

In der Zeit greift Ihr die Umgangsformen, die typisch für Verliebtheit sind, auf – Wertschätzung, Spiegeln, Imitation, liebevolle Kommentar, Anerkennung für spezifisches Verhalten. Die jeweilige Entwicklung nach Außen -dazu zählt Kindererziehung- kostet viel mehr Energie als normalerweise bewusst wird. Das richtige persönliche Gleichgewicht zwischen Zeit für mich und Zeit in dem Heimathafen, Partnerschaft, ist nicht immer leicht zu finden.  „Rückfälle“ in der Verliebtheitsphase oder in der Phase, wo unterschiedliche Meinungen und Bedürfnisse Konflikte produzieren, sind gesund und lebendig.  Alle Ebene der Entwicklung zur Verfügung zu haben sichert das Gedeihen.

Experiment

Schaue deine eigene Ursprungsfamilie an.  Wie glücklich waren deine Eltern -oder das für dich bedeutsame Paarvorbild – miteinander.  Was haben sie gut gemacht?  Was möchtest du lieber nicht nachmachen? Wie kannst du dich – u.a. aus Liebe zu ihnen – in deiner Beziehung weiter als dein Vorbild entwickeln. Du ehrst sie, wenn du sie als deine Basis anerkennst und weiter dem Glück entgegengehst als sie es tun könnten. 

Manche Elternpaare waren zwar glücklich mit einander, haben aber die Kinder vernachlässigt und somit ihnen die Grundlage für gedeihliche Paarung vorenthalten. Du kannst das durch Selbsterforschung oder mit therapeutischer Hilfe überwinden. Manchmal hilft es zu erkennen, dass eine kindliche Wut vor zu wenig Beachtung in der Frühkindheit, gesund ist, und unbedingt auf einen Nachholbedarf hinweist.  Manche Experimente in den Kapiteln 5-7 ermöglichen genau das. Ab dem sechsten Lebensjahr lernt ein glückliches Kind seine Wut sinnvoll zu bändigen und dabei das Selbstwert zu verbessern.

Wenn beide Partner auf dem Alltagsniveau gekommen sind, kann Wut das Paar auf eine ganz andere Weise belasten, als in der Phase der Differenzierung, wo die Auseinandersetzungen die persönliche Reifung gefördert haben. In diese Phase führt der jeweils inneren Konflikt zwischen Verbundenheit und Freiheit zu Wut. Der folgende Fragebogen hilft dir deine Wut erforschen und bietet dir eine Grundlage ihn an den Zügeln zu bekommen. 

WUT FRAGEBOGEN

Hier geht es darum, zu verstehen, wie du als Kind gelernt hast, mit Wut umzugehen.  Es hilft dir zu beschreiben, wie du heute mit Wut umgehst, und zu klar zu definieren, wie du damit umgehen willst.

1. Wut ist:

2. In deiner Kindheit, wie ging deine Mutter mit ihrer Wut um?  Wie ging sie mit deiner Wut um? 

3. In deiner Kindheit, wie ging dein Vater mit seiner Wut um? Wie ging er mit deiner Wut um?

4. Welche Entscheidung hast du als Kind getroffen, bezüglich deiner eigenen Wut äußern?

5.  Was machst du gegenwärtig, wenn du wütend auf dein*e Partner*in bist? 

6. Bist du zufrieden damit, wie du Wut auflöst?

7. Was willst du verändern, um dich mit deiner Gewohnheit, Wut in der Beziehung zu äußern, gut, einverstanden, zufrieden zu fühlen?

8. Stell dir eine ideale Streitszenario zwischen dir und deinem/deiner Partner*in. Beschreibe sie in Detail – einschließlich Umgebung, Stimmtonalität, gesagte Worte… usw.

9. Bist du Bereit, dein Wuthandhabung zu verändern?

10. Beschreibe konkret im Verhalten, welche Änderungen du umsetzen wirst. 

11. Beschreibe konkret im Verhalten, welche Änderungen in Ihrer/seiner Wuthandhabung du dir wünscht. 

 

Wenn Wut bei Euch immer wieder ein Problem wird, ist es sinnvoll, klare gemeinsame Spielregeln für den Umgang damit im Gespräch zu haben. 

Experiment zur Zweit: Spielregel für Umgang mit Wut

Jede*r schreibt auf: 

1) Ich bin mit mir einverstanden, wenn ich auf folgende Weise meine Wut äußere: 

2) Ich bin nicht mit mir einverstanden, wenn ich auf folgende Weise meine Wut äußere:

3) Ich bin okay damit, wenn du auf folgende Weise deine Wut äußerst:

4) Ich bin gar nicht okay damit, wenn du auf folgende Weise deine Wut äußerst:

Zeig Euch gegenseitig die Liste oder ließt sie vor und einigt Euch auf eindeutigen Spielregeln für Euren Umgang mit Wut. 

Der Wut in dieser Phase handelt sich wenig um die Unterschiede zwischen den Partnern.  Viel mehr führt das eigene innere Konflikt zu dem Gefühl. Auch hier sind Kompromisse keine gute Lösung.  Die unerwartete Synthese oder kreative Flucht nach vorn macht stolz und zufrieden und fordert die Innigkeit im Paar. 

In der Alltagsphase der Paarentwicklung geht jede*r ihre/seine Aufgaben nach. Das Paar definiert sich als Paar nach außen und nach innen, kann aber sehr leicht abrutschen, in den abwertenden, urteilenden, das Negative betonenden Kommunikationsmustern der dominanten Kultur, die das Gedeihen behindert und positive Entwicklung unterbindet. Bei Irritationen wird eher das Störende benannt und somit letztendlich auf folgenden Weisen festgeklopft: das Gehirn lernt, was wiederholt wird. Die Betonung der Störung etabliert sich durch die gedankliche Wiederholung.  Die Störung erzeugt eine emotionale Erregung bei dem Gestörten. Die Erregung wirkt als Belohnung.  Der negative Kommentar der Störung sichert, dass die störende Person, sie emotional merkt und selbst dann zu Wiederholungen neigt, auch wenn sie es nicht will. Es ist relativ natürlich, dass das passiert, weil die Aufmerksamkeit tendenzmäßig auf Außenaktivitäten gerichtet ist. Nicht korrigiert, gefährdet es das Paar und kann klammheimlich langfristig zu Zerstörung des Paars führen. Auch hier können wir zwischen Groll und Wunder entscheiden, wenn wir wissen, wie wir uns auf das Wunder ausrichten.  Das letzte Experiment hilft die Wut zu begrenzen und zu zügeln. Folgende Experiment trainiert effektiveren und eleganteren Umgang mit einander.  Sie stimmt den Umgang auf Augenhöhe im Alltag ein. 

Experiment zur Zweit – Der 30-Tage Plan

 Dieser Plan dient dazu, Grenzen sicher zu lockern und auf aktive Positve-Interaktion umzustellen, indem strenge Regeln aufgestellt werden, die 30 Tage lang befolgt werden müssen. Es erfordert ein hohes Maß an Struktur, Aktivität und Verantwortung. Es dauert 15-20 Minuten pro Tag, um bestimmte Anweisungen auszuführen.  Viel Freude damit! 

VORBEREITUNG DES DREIßIG-TAGE-PLANS

1. Erstellen Sie eine Wunschliste: Zuerst erstellt jeder von Ihnen Ihre eigene Wunschliste für die Beziehung. Beginnen Sie damit, zu beschreiben, was in der Beziehung derzeit tatsächlich gut läuft, und beschreiben Sie darüber hinaus, was Sie in Zukunft MEHR WOLLEN.  Die Wunschliste stellt alles dar, was die Beziehung sein soll. Verwenden Sie keine Hilfsverben, wie sollen, oder Negation in irgendeiner Weise. Bleiben Sie allgemein. (einige Beispiele finden Sie auf der nächsten Seite) 

2. Beschreiben Sie die Unterstützung, die Sie am liebsten von Ihrem Partner erhalten möchten, um Ihr persönliches Wachstum zu steigern. Seien Sie explizit und spezifisch.  (einige Beispiele finden Sie auf der nächsten Seite) 

3. Notieren Sie die Gefühle und Verhaltensweisen, die Sie persönlich aufgeben müssen, um das Bild zu entsprechen, das Sie in der Beziehung, die Sie in Ihrer Wunschliste entworfen haben. (einige Beispiele finden Sie auf der nächsten Seite)

4. Notieren Sie die Gefühle und Verhaltensweisen, die Sie persönlich aneignen müssen, um die Person zu sein, die Ihrer Wunschliste verwirklichen kann.  (einige Beispiele finden Sie auf der nächsten Seite)

 

ANWEISUNGEN FÜR DEN DREIßIG-TAGE-PLAN

1. Sprechen Sie zweimal täglich 1 bis 5 Minuten lang miteinander über die Elemente auf Ihrer Wunschliste, als ob sie bereits aufgetreten wären oder bereits aufgetreten sind.  Geben Sie einander Anerkennung über diese Elemente in der Gegenwartsform, auch wenn Ihr Partner sie noch nicht gezeigt hat. (d.h. "Ich spüre, wie sehr du mich unterstützt."  "Danke, dass du mir zugehört und deinen Rat zurückgehalten hast."  Verwenden Sie die Elemente auf beiden Wunschlisten. Seien Sie nicht ironisch oder sarkastisch!!!  Sprechen Sie als eine glückliche, dankbare, liebende und aktiv anerkennende Person. Es geht nicht darum, die Wahrheit zu sagen.  Es ist Zukunftsreden, das Sie vorwärts in die Beziehung zieht, die gut und gesund für Sie ist.  Es schafft die neurologischen Cluster und Muster in Ihrem Gehirn, die Sie brauchen, um Ihre Liebe zu heilen und zu pflegen. Nehmen wir für die dreißig Tage des Vertrages an, dass die Beziehung und Sie als Individuen gedeihen und gedeihen werden. Es ist ein zeitlich begrenzter Sprung ins Glauben und Vertrauen hinein. 

2. Überwachen Sie persönlich, während den dreißig Tagen Ihre eigenen Gefühle und Verhaltensweisen, die Sie ändern werden. Wenn Sie beobachten, wie Sie in das änderungswürdige Gefühl oder Verhalten geraten, schalten Sie sofort in eine gegensätzliche Fantasie und ersetzen Sie das Gefühl und/oder Verhalten mit dem wie Sie sein wollen.  Konzentrieren Sie sich bewusst auf Gedanken und implementieren Sie Verhaltensweisen, die Sie aneignen möchten. 

3. Fantasieren, reflektieren und denken Sie über die Zukunft zweimal am Tag, für ein paar Minuten. Stellen Sie sich vor, Sie sind in sechs Monaten oder in drei Jahren – jeder Zeitraum, den Sie bevorzugen – und erstellen Sie Szenen, in denen Sie Ihre Wunsch Liste verwirklicht haben. Stellen Sie sich mit möglich viele konkrete Details vor, wie Sie in Ihrer Beziehung leben, wenn Sie alle Elemente in Ihren Listen verwirklicht haben.   

4. In Therapiesitzungen werden wir über die Erfolge und/ oder Schwierigkeiten sprechen, die aufgetreten sind.   Jeder Partner ist für sein eigenes Verhalten verantwortlich.   Überwachen Sie das Verhalten Ihres Partners nicht!

1. Beispiele für Wunschliste 

  • Mehr gemeinsames Vergnügen 
  • Liebevoller mit einander umgehen 
  • Mehr Teamgefühl
  • Mehr Achtsamkeit 
  • Mehr nette kleine Gesten
  • Mehr vertrauen.  Das Gefühl, ich könnte fallen und er würde mich auffangen. 
  • Positivere Austausch
  • Freundliche Gespräche
  • Mehr Wertschätzung für das, was ich tue
  • Mehr Energieaustausch 
  • Unterstützend und verständnisvoll sein
  • Gemeinsam Spaß haben
  • Unsere Ziele gegenseitig unterstützen
  • Harmonisch zusammenarbeiten
  • Als   kompetent und zuverlässig angesehen werden
  • Mehr Empathie und Zuwendung 

2. Beispiele dafür, was der/die Partner*in sagen könnte, um mich zu unterstützen 

  • Lass mich wissen, dass Du froh bist, dass ich meine Sachen gut mache 
  • Freu dich und sag es mir, wenn ich aufmerksamer im Alltag bin.
  • Lächele mich an und zeig mir, dass du mich magst.
  • Bitte mich um Aufmerksamkeit und gibt mir die Zeit, darauf zu reagieren.
  •  

3. Beispiele dafür, was ich aufgeben muss, um glücklich in der Beziehung zu sein und mich mehr als Individuum zu entwickeln

  • Ich muss aufhören, so kritisch gegenüber meinem Partner zu sein.
  • Ich muss   besser mit meiner Wut umgehen.
  • Ich muss aufhören, mich abzukapseln und von meinem Partner zurück zu ziehen.
  • Ich muss aufgeben, ungeduldig und gemein zu sein. 

4. Beispiele für das, was ich mehr entwickeln muss, um glücklicher selbst und ein*e besserer Partner*in zu sein

  • Ich muss mehr Empathie mit meinem Partner üben.
  • Ich muss lernen, mich zu entspannen und mich gut um mich selbst zu kümmern. 
  • Ich muss emotional unabhängiger werden und mich und meine*n Partner*in kümmern.
  • Ich muss Verantwortung übernehmen, wenn ich den Anderen verletzte.

Die Alltagsphase ist ein Fundament für verspieltes Ausleben von dem, wie du/ Ihr sein willst/wollt miteinander, in der Familie und in der Welt. Das ist aber abhängig von der für das Paar maßgeschneiderten Balance zwischen Selbstversorgung-einschließlich Aktivitäten- und Beziehungspflege und regelmäßige Check-ups, um zu sehen, ob eine Änderung ansteht.  Das können kleine Updates sein, Reparatur oder Sanierung. Denn das Bündnis ist inzwischen ein Lebewesen, wie ein Haus, ein Betrieb oder ein Garten. Es lebt. Genauso wichtig, wie Zwischenprüfungen, Elterngespräche, Arbeitsversammlungen oder Runden Tisch, Tune-up beim Auto, Einstimmen im Orchester oder gar Familienkonferenz mit den Kindern sind „Betriebsbesprechungen“ in dem Paarbündnis. Je geordneter und konstruktiver sie verlaufen, desto ergiebiger für das Organismus.

Experiment – Betriebsbesprechung

Für die meisten Paare im Alltagmodus reichen 8 bis 14-tägige Betriebsbesprechungen.  Wenn außergewöhnliche Dauerstress -z.B. kleine Kinder, Hausbau, Umzug, Urlaubsplanung, Pflege- oder Sorge, um einem Verwandten- ist mehr sinnvoller. 20 oder 90 Minuten -je nach Bedarf- entspricht was das Gehirn verarbeiten und umsetzen kann. Ein strukturierter Ablauf, wie auch mindestens gedankliche Vorbereitung, sichern nachhaltigen Ergebnisse. Schritt 1: Aufrecht hinsetzen und Einstimmen, durch Tee/Wasser eingießen, Papier und Stift hinlegen, mit einer kleinen Begrüßungsritual sich einstimmen. Schritt 2: jeweils 3 Dinge (können auch ganz kleine Dinge sein) benennen, die dir wirklich freut an dem Anderen freut. Schritt 3: eine gemeinsame Liste der behandlungswürdigen Anliegen – praktische Aufgaben, unerfüllten Bedürfnisse, Änderungsvorschläge. Schritt 4: Einvernehmliche Lösungen erforschen, im Sinne von Brainstorming, wenn unterschiedliche Perspektiven da sind. Schritt 5: Sitzung mit einem kleinen Ritual beenden. 

Ein Garten, die Gesundheit, das Haushalt und auch das Paarbündnis erfordert bewusste Tätigkeit, um nicht zu entgleisen. Entgleisung gehört zur Lebendigkeit.  Sowohl der Meditationsmeister, wie auch der Anfänger werden durch querschießenden Gedanken oder Empfindungen abgelenkt.  Der Anfänger ärgert sich oder findet nicht zur Aufgabe zurück.  Der Meister steuert automatisch zurück auf dem guten Weg.  50% aller Paare, die erfolgreich ihre Beziehung verbessert haben, entgleisen in dem alten Fehler früher oder später. Stress, Nachlässigkeit, übermäßige Sicherheit führt natürlich zu „Regression“, das heißt, zu eine frühere Entwicklungsstand zurück.  Oft ist das sogar hilfreich, weil es Regenerierung oder Achtsamkeit ermöglicht. Betriebsbesprechungen sind nicht immer angenehm (aber wie angenehm ist Zähneputzen?), sie erhöhen deutlich und nachweißlich die Qualität des Lebens im Paar.

Experiment

Es kann mehrere Jahrestage in einer Beziehung geben, das erste Kuss, das erste „ich liebe dich“, der erste Beischlaf, die Vorstellung in der Familie, die Verlobung, die Eheschließung, das Hochzeitsfest. Der Moment, des sich in den Augen schauen und sich zu diesem Menschen und diesem Bündnis bekennen verankern die Beziehung im Heimathafen.  Prüfe, wie oft solche Erneuerungen der Verbundenheit Euch guttun und achte jeweils darauf, sie zu bewusst miteinander zu teilen und zu feiern.

Bekenntnis zu deinem Bündnis belebt es.  Bekenntnis zu vernachlässigen besonders in der Alltagsphase der Paarentwicklung ist lebensgefährlich für die Beziehung.  Hast du nicht mitbekommen, wie deine Eltern ihr Bekenntnis zu einander und zu dem Bündnis geteilt haben und hast sonst keine eindeutigen Vorbilder dafür, kann es sich künstlich, übertrieben oder einfach schambelegt anfühlen.  Diese Gefühle zu überwinden, sind so komplex und wichtig, wie die Überwindung des Mobbings, der Alltagssadismus, die Gewohnheit zum eigenen Vorteil auszubeuten und jegliche Interaktion mit Konkurrenz zu belegen. Ja, eine gute Liebesbeziehung zu führen bedeutet eine Kulturwandel.  Sie fordert das Streben nach dem Besten, das wir gemeinsam können, nach konkreten und erkennbaren Erfolgen, nach persönlicher Beharrlichkeit und nach der Bereitschaft, die Liebe auf die Beteiligten maßzuschneidern. Es lohnt sich!

Experiment

Prüfe, was du in der vergangenen Woche getan hast, um das Leben für deine*n Partner*in ein Bisschen gedeihlicher zu machen oder ihn/ihr zu vermitteln, wie sehr du ihn/sie schätzt, liebst und anerkennst.  Schau, ob du das noch häufiger oder selbstverständlicher machen kannst. 

Oft sind es die kleinen Gesten, die das Gefühl, ich werde geliebt, vermitteln.  Ein kleines Geschenk, eine Anerkennung, eine Geste der Unterstützung signalisieren Verbundenheit.  Solche Hinweise vermitteln die Botschaft: meine Liebe, meine Zuneigung, mein Wohlwollen für dich ist lebendig. Diese Grundnahrungsmittel für das Paarbündnis wird leicht in der Alltagsphase vernachlässigt.  Langfristig führt das zur Dauerkränkung und Auflösung des Resonanzfeldes, das ein lebendiges Paar ist.  Das kann in physische oder seelische Krankheit der Beteiligten oder in das Absterben der Liebe und das Gefühl, Geliebt zu sein. Beharrlichkeit in der Fürsorge und dem Beistand für den Partner wirkt sich über die Jahre zunehmend positiv aus.  

Der körpereigene Glückhormon Oxytocin wird durch Körperkontakt, insbesondere durch absichtslose Kuscheln aktiviert. Menschen haben von Wesen her unterschiedlichen Bedarf nach körperlicher Berührung. Körperkontakt wird auch in Familien sehr unterschiedlich gepflegt. Die reale Menge davon, die die Beteiligten eines Paares tatsächlich brauchen, zu entdecken und aufrechtzuerhalten, kann für sich einen Abendteuer bedeuten. Ein Paar die bis hierhergekommen ist, schafft ihre eigene Kultur, die ein Ergebnis von Persönlichkeitsentfaltung, Paarentwicklung und Sozialisation ist. Gerade die Freiheitsgeraden, die durch die Alltagsphase sich eröffnen, ist ein wunderbarer Schatz der beständigen Liebe.  

4. Reife Liebe – Wiederbegegnung – Einigkeit - Intimität

Nach einer Phase der wirtschaftlichen oder psychischen Abhängigkeit, trennen sich Paare, die das wirtschaftlich können.  Die Lebensqualität als Single ist nicht so gut, wie die einer glücklichen Paares aber wesentlich besser als die einer unglücklichen Paares.  In diesem Abschnitt schauen wir sowohl die Freuden und Herausforderungen der vierten Entwicklungsstufe von Liebesbeziehungen, wie auch die der neu-liierten Paare.

Wer miteinander schon die drei vorangegangenen Phasen der Symbiose, der Differenzierung und des Alltags gelungenen ist, startet die vierte Paar-Entwicklungs-Phase mit einem hohen Grad an „Dyadic Coping“ oder Meisterschaft in Beziehungsgestaltung und Problemlösefähigkeit als Paar. Achtung, Lebensjahre sind nicht die wichtigsten Merkmale dieser Phase. Auch die Geschwindigkeit, mit der ein Paar die vier Entwicklungsphase durchmacht, spielt keine Rolle für die Qualität der Beziehung. Die Zeit, in der ein Paar in einer Phase oder in den Übergängen zwischen eine Phase und die nächste Phase verbringt, hängt von viele Bedingungen ab und sind relativ unwichtig.  Denn diese kleinste politische Einheit ist eine individuelle Keimzelle der Gesellschaft.  Die Reihenfolge entspricht ein Naturphänomen. Die Uhr- und Kalenderzeit ist nach 45 Jahre als Paartherapeutin für mich immer noch nicht vorsehbar. Manche Paare bleiben bis im hohen Alter in der Symbiotische Phase.  Manche Paare erreichen die Phase der Reife Liebe bevor sie ihr erstes Kind bekommen. 

Um in der Reife Liebe, mit seinen Aufgaben um Innigkeit, Fürsorge, Kollaboration und gemeinsamen Visionen der gemeinsamen Zukunft, anzukommen, sind die Aufgaben der früheren Phasen gemeistert. Obwohl das schon eine sehr gute Voraussetzung für Liebe auf Augenhöhe ist, die vierte Phase biete ihre eigenen Herausforderungen. Spätestens jetzt wird es deutlich, dass die Liebe eine fließende, sich ständig ändernde und sich weiter entfaltende Prozess ist. Die Aufgaben in diese neue Beziehungsstratosphäre sind erstmal fremd. In der ersten Phase formt sich das Paar. Darauf folgt die Verschiebung der Aufmerksamkeit der Teilnehmer auf die persönliche Identität und die Koordinierung der Bedürfnisse der beteiligten Individuen.  Im Alltag dient das Paarbündnis als Nährboden für die jeweilige Erforschung des Selbst in Aktivitäten außerhalb der Paarliebe. Wie in den anderen Phasen tritt meist ein Partner zuerst in diesem Lebensabschnitt in dem seine Aufmerksamkeit und Bedürfnisse wieder auf dem Intimpartner ausgerichtet wird, wenn auch sehr anders als in der Symbiotische Phase. Erst jetzt ist die eigene Wertschätzung und die des Anderen soweit gereift, dass tiefe Intimität möglich ist. Wenn reife Liebe gelingt, jonglieren die Einzelnen und des Paars mit Innigkeit und Unabhängigkeit. Dazu kommt, dass sie die Fähigkeit aneignen, frei und freiwillig in der Partnerschaft zu geben. Wenn das Geben unhinterfragt, nachhaltig und spürbar ohne jegliche Gegenrechnung, dann ist die Liebe reif und genießbar geworden. Menschen in einer reifen Liebe riskieren mehr Verletzbarkeit, erholen sich von Verletzungen schneller und vollständiger und sind sich gegenseitig behilflich, wie es in früheren Entwicklungsphasen nicht möglich gewesen ist. 

Experiment

Identifiziere in deiner Erfahrung ein älteres Paar, die richtig glücklich miteinander wirken.  Falls du keins kennst, forsche in Filme oder in der Öffentlichkeit nach oder frage Anderen bis du ein oder zwei gefunden hast. Stell sie als Skulptur in Park vor. Lege oder setze dich in deine Imagination hin und lasse das Paar auf dich wirken - als ob der Glücksdunst, den sie von sich geben, ansteckend ist. Verleibe dieser Energiefeld ein.  Es kann richtungsweisend für dein Leben sein.

Mit Bedürfnisbefriedigung kannst du Schritt für Schritt dein Leben verbessern. Wenn du eine Vision entwickelst, strebst du eine Änderung der Gesamtsituation an.  Du stimmst dich auf deinen Anteil bei einer größeren Sache ein. Wie wir den Begriff „Reife Liebe“ hier verwenden, ist sie ohne Augenhöhe nicht machbar.  Sie ist die kollaborative Lebendigkeit selbst. 

Menschen erreichen oft einen Punkt in ihrer beruflichen Tätigkeit, an dem sie sich fragen, war das mein Leben? Auch wenn das Sein in der Welt befriedigend und erfüllt war, erahnen sie, dass mehr Lebendigkeit in ihrer Paarbündnis schlummert als sie in der Ausrichtung auf Leistung, Wirkung und Aufgabenbewältigung zu finden ist.  Diese Umorientierung ist das Ergebnis von Lebenserfahrung und Persönlichkeitsreifung. Sie ist nicht wirklich erlernbar, obwohl sie durch wiederholte, interessierte Praxis leichter reifen kann. In dem Paarbündnis ist es einen Glücksfall, wenn beide Partner circa Zeitgleich an diesem Punkt kommen.  Wenn die Aufgabenteilung ein Partner mehr an Haus und Hof gebunden hat, während der Andere sich in der Welt ausreichend erlebt hat, ist es möglich, dass eine Person sich nach Hause orientiert, während die andere sich nun in der Welt kennen lernen will. Wohlwollen und Fürsorge für die andere Person in diese Phase voraussetzt, dass Ihr ein hohes Maß an Eigenverantwortung, Transparenz, emotionale Intelligenz und Problemlösefähigkeit über die Jahre gemeinsam angeeignet haben.

Experiment

Empathie bedeutet sich in den Anderen zu verwandeln und achtsam die Erfahrung nachspuren.  Sympathie regt die eigenen Emotionen an. Stell eine Situation vor, in der du weiß, dass du das Bedürfnis des Anderen nicht erfüllen kannst, ohne deine eigene Integrität und Authentizität zu kompromittieren. Spüre dein Verständnis für den Anderen und sein Bedürfnis. Schalte auf dein Wohlwollen und Fürsorge. Schalte einfach ein Bisschen hin und her ohne dich auf ein Ergebnis auszurichten. Gelingt das dein Partner auch, kollaboriert ihr bei dem Problemdefinition und Ergründung eine gemeinsame Vision.  Somit könnt Ihr Machtkämpfe abfedern und schädliche Abhängigkeiten vorbeugen. 

Zeit dehnt sich magisch in dieser Phase des gemeinsamen Lebens aus. Wenn es nicht um einen Unfall oder ein medizinischer Notfall handelt, können auch Lösungen unten den richtigen Bedingungen reifen. Wenn die unmittelbare Situation frustrierend ist und eine Lösung sich noch nicht präsentiert hat, kann das gemeinsame Fantasieren über das Leben in eine deutlich weite Zukunft, Orientierung bieten. Euch auszutauschen, was jede sich für einen Zukunftsszenario vorstellt fügt zusätzliche, hilfreiche Nuancen in das Gespräch ein. 

Experiment

Schreib jeweils erstmal auf und besprich folgende Fragen miteinander:

  • Was ist der Zweck deines Bündnisses mit deinem Partner?
  • Was sind deine eigenen Ziele für die Entwicklung dieser Intimbeziehung in den nächsten 1____, 5______, und 10 Jahren? 
  • Was sind deine Ziele für deine eigene persönliche Entwicklung in den nächsten 1____,5_____, und 10 Jahren? 

Eine Intimbeziehung in diesem Sinne entwickelt sich weiter solange das Herzensbündnis besteht. Es bringt zwar immer wieder Herausforderungen, aber diese sind eher anregend als aufregend. In dieser Phase einer gut entwickelten Beziehung tut es immer wieder gut, sich und das Bündnis aktiv zu erforschen, entfalten und verfeinern. Folgende Denkanregungen dienen eventuell als Inspiration für diese Phase der fortlaufenden Erneuerungen der Liebe. 

Experiment

  • Mach jeweils eine Liste deiner persönlichen Stärken und bespreche, wie Du sie für das Wohl der Partnerschaft einsetzen kannst.
  • Hast du ein unerledigtes Geschäft deinem Partner gegenüber? Gibt es eine Situation, dein Umgang mit einem Problem, ein Bewusstsein, dass du deinen Partner verletzt oder im Stich gelassen hast. Traust du dich, es jetzt anzusprechen, zu bereinigen, Verantwortung für dein damaliges Verhalten zu übernehmen? 
  • Gibt es ein tiefes Gefühl für deinen Partner, das du gerne mit ihm teilen willst, aber Angst hast, es wird falsch aufgenommen? Kannst du jetzt deinen Partner zumuten, es anzuhören und falls es stresst, dieser Stress gemeinsam zu bewältigen?

Wie ist es aber, wenn man sich später im Leben nach der ersten Paarbeziehung/en endlich eine Liebe auf Augenhöhe sich wünscht und bereit ist, Einsatz dafür zu bringen? Von der ersten Begegnung bis zur sich geschmeidig entfaltenden etablierten Partnerschaft spielt Alter für die Entwicklungsreihenfolge keine Rolle, aber Selbstkenntnis, Erfahrung und die eigenen Reifungsprozesse helfen.  Vor Allem können Augenhöhe und Authentizität bei sich zu kultivieren helfen, die beschriebene Phasen heil als Beteiligten einen neuen Paarbündnis zu bestehen. Zentral für das Glück in einer neuen Liebe ist die Fähigkeit „Stress“, wachstumsfördernd für das Paarbündnis zu verarbeiten. Liebesbeziehungen sind nach der erste Verliebtheitsphase Stress-, Problem- und Konflikt-bearbeitende Gemeinschaften. Das Handwerk dazu wird im Laufe der Entwicklungsphasen gesichert.  Vieles bringen wir, aber aus früheren Beziehungen, sei aus der Kindheit oder früheren Paarbeziehungen mit hinein.  Falls du zu folgenden Reaktionen neigst, wenn Stress dich in deine Beziehungsfähigkeit herausfordert, ist es sinnvoll erstmal an Dich selbst zu arbeiten, um beziehungsschädlichen Mustern bei dir zu unterbinden.  Denn wie du im Wald rufst, so schallt es zurück. Wenn du ihm/ihr Vorwürfe machst, wenn dein*e Partner*in gestresst ist, und/oder ihn/sie darauf hinweist, dass er/sie seine Sachen nicht in Griff hat, vergiftest du deine Liebesbeziehung.  Wenn du dein schlechtes Benehmen verteidigest oder erklärst, statt für dein eigene Fehlverhalten Verantwortung zu übernehmen, trägst du nicht untergräbst du einer guten Partnerschaft.  Wenn du dich zurückziehst und dein Partner aus dem Wege gehst, wenn es ihm schlecht geht, unterlässt du Beistand und schädigst Euer Bündnis. Wenn du genervt darauf reagierst, wenn er nicht so funktioniert, wie du es brauchst, verweigerst du Teamarbeit und erstickst deine eigene Liebe.  Wenn du seine Sorgen, Probleme oder Verletzungen nicht ernst nimmst, sondern eher bagatellisierst, dann lässt das Bündnis verhungern. Wenn du ihn notfalls hilfst, aber unfreiwillig und ohne eigenen Antrieb, ist es Zeit zu erforschen, wo du solche Lieblosigkeiten gelernt hast und wie du sie aus deinem Verhaltensrepertoire verbannen kannst. Viele von den Experimenten im Buch können dich stärken und eine liebevolle Umkehr fördern.  Schlechtes Beziehungsverhalten ist vergleichbar mit einer Sucht.  Die zwölf Schritte der Anonymen Alkoholiker kann für jegliche Form des Fehlverhaltens helfen, wenn dir Gottesglauben oder das Glauben an einer höheren Macht stärkt. Ansonsten können die Konditionierungsgesetze der Verhaltensumstellung auch helfen. 

Experiment

Verspreche dir selbe, liebevoller und mutiger in deine Beziehungen zu sein. Schreibe ein Mantra auf, die du wie eine Gebetsmühle immer wieder einsetzt, wenn du deine Lieblosigkeiten merkst, aber die Umkehr dir noch nicht gelingt. Z.B.: „Tag für Tag werde ich liebevoller, mutiger und sanftmütiger.“ Beobachte achtsam Menschen, die liebevoll, mutig und sanftmütig mit Stress umgehen und fantasiere, wie es ist, sie zu sein. 

Einstellungen und Verhalten, die zum Glück in der Liebe führen, sind inzwischen gut erforscht. Wenn du offen mit deinem Partner darüber sprechen kannst, dass und warum du unter Stress bist, wie du dein Stress erlebst und dass du seinen Beistand schätzt, dann beanspruchst du die Liebe als Kraftquelle.  Wenn du Empathie und Verständnis aufbringst, wenn dein Partner gestresst ist, trägst du aktiv zu einem gesunden Bündnis bei. Wenn du ihn vermittelst, dass du zu ihm stehst, stärkst du Eure Verbundenheit. Wenn du ihm Raum und Zeit gibst für sich und mit dir zu erforschen, was los ist, was seine Bedürfnisse sind und wie eine gute Lösung ausschauen kann, verbesserst du Eure Problemlösefähigkeit und somit Eure Widerstandsfähigkeit beim Stress.  Wenn du notfalls Aufgaben übernimmst, um ihn in der Not zu helfen, bestätigst du seine Wertschätzung und kannst stolz auf dich sein. Wenn du warm-herzig und so körperlich, wie es Euch beide guttut, Streicheleinheiten einsetzt, um ihn eine Pause von seinem Stress zu geben und gemeinsam mit ihn zu regenerieren, dann stärkst du die Beziehung, dich und ihn in der Not. 

Vielleicht fragst du dich, wann könnte eine Trennung anstehen.  Angenommen, du hast bis hierher verstanden, wie die Entwicklungsphasen der Paarliebe sind, und dir ist klar geworden, dass Ihr mehr wie zwei Phasen auseinander seid, dann könnte die Trennung die gesundeste Lösung für Dich sein. Es ist immer wieder möglich einander abzuholen oder aufzuholen, wenn beide Partner daran arbeiten. Wenn dein Partner gar nicht mitmacht und du nicht glücklich mit deinem Ehestande und Entfaltungsmöglichkeiten bist, dann prüfe, wie du wirtschaftlich die Trennung vollziehen kannst – auch wenn er/sie sich sträubt. Bedenke, dass du innerhalb eines Bündnisses viele Möglichkeiten hast, dich persönlich, individuell zu entfalten und friedlich zu co-existieren. Nur wenn das für dich schädlich ist, sollst du das Single-Status anstreben. Die große Paarliebe im gelingenden Bündnis ist ein Geschenk des Lebens.  Manche erleben sie nie, und sind trotzdem glückliche, zufriedene, erfüllte Menschen.  Manche Paare stagnieren sehr lange bis eine glückverheißende Bewegung es auf dem Weg der erfüllten Liebe bringt. 

 

5. Sex und Intimität

Die schlechte Nachricht vorab: das was in den Medien verkauft wird und das, was ein Großteil unserer Kultur glaubt, Sex sei, ist ein Ersatzdroge für Intimität.  Mehr dazu später!

Eine gute Nachricht ist es sicherlich, dass Langzeitbindungen wesentlich mehr und bessere Erfahrungen in der Sexualität bieten als kurze Sex-betonte Beziehungen.  Wer ein Leben lang sexuell aktiv ist, genieß ein hohes geistiges und gesundheitliche Lebensqualität im Alter. Augenhöhe in der Intimbeziehung sichert nicht nur Wertschätzung und Frohsinn, sondern auch zunehmend besseren Sex auf Dauer. 

Sex unterscheidet Freundschaft von Intimbeziehung. Intimität bedeutet gegenseitige fließende Empathie, Vertrautheit, emotionale Nähe, Geborgenheit, bedingungslose gegenseitige Akzeptanz, Wertschätzung und vieles mehr, was am Ehesten von Entspannung und Sicherheit gekennzeichnet ist. Menschliche Sexualität ist von kulturellen Normen, Gebote und Meinungen zutiefst bestimmt. Die zivilisatorische ausbeuterische Grundhaltung der bisherigen Epochen trägt wenig zur Intimität oder zur das spirituell anmutende Erfahrung des wertschätzenden Glücks, die echte Intimität im sexuellen Diskurs mit sich bringt, bei.  

Experiment

Schreibe als Mindmap oder Gekritzel alle Begriffe auf, die du mit Sex und deiner persönlichen Erfahrungen und Assoziationen in Verbindung bringst. 

Das größte und das bestimmende Sexorgan bei den Menschen ist das Gehirn, das grob aus drei Anteile besteht, die mit einer hohen Komplexität sehr individuell zusammenwirken, um Erotik, Anziehung, Emotionen und sexuelles Verhalten zu bestimmen. Das Reptilienhirn oder Stammhirn bestimmt vitale Funktionen, wie Atmung, Herzschlag, Körpertemperatur und Gleichgewicht. Es ist sehr zuverlässig und wenig Flexible. Wenn konfrontiert mit Lebensgefahr oder existenziellen Fortpflanzung in Verzug ist, übernimmt es die Steuerung. Aber was als Lebensgefahr gedeutet wird, bestimmen hauptsächlich die beiden anderen Hauptanteile des Gehirns. Das Säugergehirn oder limbischen System speichert angenehme und unangenehme Erfahrungen und ist zuständig für Emotionen. Als unbewusste Nachschlagewerk sortiert es die Wahrnehmungen in Variationen von Gefahr, Blockierung, Verlust, Freude, Fürsorglichkeit und sexuelle Anziehung. Entsprechend werden die Hormone vom limbischen Gehirn gesteuert. Das Neocortex hat sich erst vor circa 400,000 Jahren entwickelt. Sprache, Gedanken, Imagination und Bewusstsein, sowie die fast unendliche Lernfähigkeit der Menschen ist im Neokortex angesiedelt. Intelligenz, so wie wir sie verstehen, ist eine Funktion vom Neocortex. Die Fähigkeit, vorausschauend Verhalten einzuschätzen, ermöglicht die Kulturentwicklung mit allen sozialen Zusammenhängen. Sowohl sensorisch-motorische Intelligenz, Imaginative Intelligenz, rationale und abstraktes Denken findet im Neocortex statt. Dort leiten die exekutiven Funktionen des Gehirns Information an das limbische System und Stammhirn weiter. 

Insgesamt trägt sogar das Sprachzentrum – also die Selbstgespräche – die Hauptverantwortung für die Verflachung und Reduktion vom Sex auf eine Art Leistungssport oder für die Ausdifferenzierung der Sinne in den Dienst von menschlichem sexuellem Potential. Das eigene sexuelles Verhalten, deine Vorlieben und deine Ansprechbarkeit für Sexualität hängen nicht nur von deiner biologischen sexuellen Bestimmung ab.  Es beginnt sich spätestens bei der Geburt und wird deutlich durch die Erfahrungen, die du seitdem gemacht hast, entwickelt. Auch hier ist die gute Nachricht, dass diese Entwicklung weiterhin ein Leben lang sich fortsetzt, sich moduliert und ausdifferenziert wird. 

Experiment

Was hast du als Kind von der Sexualität der Erwachsenen mitbekommen?  Wie hat es deine Vorstellung von Sex beeinflusst? Was hast du als Kind darüber gedacht?

Die Intimbeziehung in der idealer Mutter-Kind-Bindung entsteht durch den sinnlichen Umgang – taktil, visuell, akustisch, olfaktorisch, gustatorisch und energetisch -, der sich prägend auf die neurologische Entfaltung der Beteiligten sich auswirkt. Unterlässt die fürsorgende Person, liebevolle, sinnliche Kontakt mit dem Kind, ist dieses erstmal schädlich und die Entwicklung diesbezüglich bleibt zurück, bis sie später nachgeholt wird. Aus dem Blickwinkel der dominanten Kultur der schädlichen Machthierarchien scheint die ursprüngliche Hawaiianische Gesellschaft eine neurologische Shangra-La zu sein. Die sexuelle Intimität in Shangra-La ist eine sehr persönliche Abstimmung der beteiligten Individuen im Paar. Das Hawaiianische Volk schien den Europäern als sexuell freizügig, insbesondere weil im späten 18. Jahrhundert die Hawaiianische Mädchen zu den unbekannten Schiffen voller unbekannten Männern, die leider jeder Menge unbekannten Krankheiten mitbrachten, hinausgeschwommen sind und sinnlich, sexuell für das Neue offen waren. Was den Europäern nicht auffiel, war dass die natürliche Freizügigkeit der Sexualität mit einer tiefen und sehr sinnlichen Spiritualität und Freude an Diversität einher ging. Die Hawaiianer erleben sich als sinnlich verbunden mit dem „Himmlischen“, mit dem Lebendigen an sich. Die Verbundenheit mit dem „Anderen“ hat eine Qualität von idealen Mutter-Säugling-Bündnis in dem das Hormon, Oxytocin, als Teil des natürlichen Kreislaufs freifließt. Sexualität, die eine solche Grundlage hat, kann sich frei entfalten. Zuerst hatten die Hawaiianer keine Vorstellung davon, das Gegenüber als Objekt der eigenen Handlung zu verstehen.  Das neue Zeitalter, das auf globale Verbundenheit und Kollaboration auf Augenhöhe in den nächsten Jahrhunderten zustrebt, wird vorangebracht durch jedes Paar, das das Ineinanderfließen von Freude an Abendteuer, Spiritualität und körperlichem Genuss in der Sexualität kennt.

Experiment

Hast du eine Vorstellung von „himmlischer“ Sexualität? Wie konkret, wie abstrakt ist deine Vorstellung?  Ist sie eher reizvoll? Eher uninteressant? Eher abstoßend?

Die Erfahrung der ganzheitlichen Intimität ist aber schwer mit der Vorstellung von Sex als triebhafte Spannungsentladung zu vereinbaren. Die natürliche menschliche Sexualität ist in den meisten Kulturen seit Jahrtausenden in den Diensten der Machtstrukturen unterdruckt worden.  Massiven Tabus gegen alltäglich liebevollen Umgang miteinander auf den körperlichen Ebenen haben zu der Sublimierung des Bedürfnisses, aber auch zu jede Menge Ersatzbefriedigung geführt. Unter anderem, haben sie sicherlich auch materiellen Wohlstand vorangebracht und gesellschaftlichen Hierarchien gesichert. Dadurch ist aber auch die Entwicklung der emotionalen und spirituellen Intelligenz und die spezifisch menschliche Intimität unterbunden worden. 

Experiment

In wie fern erwartest du von dir selbst oder von deinem Partner Orgasmus oder Samenerguss als Leistungsbeweis für gutes Sex? Wie befriedigend ist das? Wie glücklich macht es dich kurzfristig? Mittelfristig? Langfristig?

Aus dem Blickwinkel von Augenhöhe sieht trieb-definiertes Sex wie Zuckersucht aus.  Inzwischen ist vermutlich nur ein sehr winziger Teil unserer Kultur ohne Industriezucker aufgewachsen.  Lebt der Mensch nur von bio-organische Lebensmittel möglichst direkt von der Ernte, der Produzent oder der Schlachtung, so hilft ihn seine Sinne die Lebensmittel zu wählen und einzuverleiben, die sein Gedeihen augenblicklich fördert, wenn er sie zu der Auswahl hat.  Kaum jemand ist heute dazu in der Lage.  Doch das wachsende Wellness- und Umwelt-Bewusstsein verbessert die Wahrscheinlichkeit, dass wir eines Tages das erreichen.  Heute sind die meisten Lebensmittel vom Zucker und sonstigen künstlichen Geschmacksstoffe so infiltriert, dass natürliche gesunde Lebensmittel „fremd“ schmecken, vielleicht sogar fad. Der „Kick“-gewöhnte Zunge sucht dieser Kick ohne sich unnötig mit dem Fad schmeckenden aufzuhalten. Dazu kommt, dass Erregung bei der Konfrontation mit Fremden ein gesundes biologisches Programm ist. Sie kann sowohl bedrohlich oder bereichernd interpretiert werden, je nach Sozialisation und somit Aktivität im Neokortex. Erst wenn du eine Vertrautheit mit beiden Optionen hast, kannst du frei wählen, was Dir persönlich guttut. 

Experiment

Es ist sinnvoll deine Antworten zu folgenden Fragen aufzuschreiben. 

- Besinne dich auf deine bisherigen sexuellen Erfahrungen. 

-Wie trieb-gesteuert hast du dich oder hast du dein*e Partner*in erlebt?

-Kannst du „Orgasmus“ ausgerichtete Sexualität als solche erkennen?

- Hast du Leistungsdruck „zu liefern“ gespurt?

-Wie wichtig war Leistungserfolg für deinen Befriedigung?

- Wenn du in der Sexualität die Erfahrung gemacht hast, dein*e Partner*in und dich selbe dabei besser kennen gelernt zu haben, war das angenehm oder unangenehm? 

- Welche Auswirkung hat dieses Kennenlernen Aspekt auf die Beziehung zwischen Euch gehabt?

Die persönliche Sexualität zu kennen und zu leben ist eine bemächtigende Erfahrung.  Sie macht selbstbewusst, selbstsicher und bereichert das Selbstwert-Gefühl.  Die Menschheitsentwicklung, die zu der Unterdrückung, Pervertierung und Traumatisierung der Sexualität ist sehr komplex.  Berührung und natürliche ganzheitliche Intimität zu kulturell zu unterbinden und auf einen mutmaßlichen Sexualtrieb zu reduzieren, trägt dazu bei, die Macht über Befriedigung für eine Kontrollelite zu sichern.  Denn, wer gelassen und klarsichtig die Selbstbestimmung praktiziert, ordnet sich nicht so leicht unter. Die Erfahrung der ganzheitlichen Intimität ist aber schwer mit einer Vorstellung vom Sex als triebhafte Spannungsentladung zu vereinbaren. Da die natürliche menschliche Sexualität in den meisten Kulturen seit Jahrtausenden unterdruckt worden ist, ist der ersten Schritt zur Sexualität auf Augenhöhe ähnlich wie sonst in der Kommunikation.  Es geht erstmal darum, sich damit vertraut zu machen. 

Experiment

Stell dir vor, circa 4 Jahre alt zu sein und zu merken, wie sehr schön das Kuscheln mit einem anderen Kind ist.  Ihr wird nicht von Erwachsenen gestört und fangen an, gegenseitig Eure Körper sich zu zeigen und zu erforschen.  Die Erregung steigt und ebbt bis ein anderes Spiel Euch ablenkt. Eine erwachsene Person signalisiert Wohlwollen, solang niemand sich verletzt.  Das Spiel ist auf Augenhöhe, kooperativ und vergnüglich.

Da körperlicher Kontakt meist aus dem Blickwinkel von sexueller Ausbeutung – mit oder ohne Einwilligung – betrachtet wird, ist es für viele Menschen schwer, Körperkontakt ohne sexuelle Begierde vorzustellen. Andererseits wird die gesunde Entwicklung des Gehirns durch Hautkontakt und sonstigen sinnlich-vergnüglichen Austausch genährt. Liebevolle, respektvolle, natürliche physische Berührung stärkt das Immunsystem, den gesamten Stoffwechsel, das Selbstbewusstsein, die Selbstsicherheit, die Wertschätzung, die körperliche Orientierung, die Koordinationsfähigkeit und das Gedeihen insgesamt. Die meisten Menschen in eine hierarchisch geordnete ausbeuterische Marktwirtschaft sind „unterkuschelt“.  Physische Berührung ist kulturell weitgehend mit tabuisierter Sexualität assoziiert. Sex findet in den Schatten statt, wo das Unedel, das Schädliche, das Verdorbene oder Verderbliche lauert. Dadurch bekommt dieses unerfüllte Grundbedürfnis nach Körperkontakt einen Überdruck, der nur in Sex entladen werden darf. So ist das Konzept vom triebhaften Sex entstanden. Angeblich neigt jede seiner Persönlichkeit gemäß sexueller Spannung aufzubauen, die dann in triebhaften Orgasmus am Liebesobjekt entladen werden muss, um wieder mit sich und die Welt ins Gleichgewicht zu kommen. In der Pubertät kann das auch tatsächlich durch den Hormonüberschuss und das oft übersprudelnde Energiehaushalt der Fall sein.

Damit sind wir aber mit einem anderen Aspekt von „Mobbing“ im Sinne von Abwertung konfrontiert.  Im hierarchisch angeordneten Wertsystem wird der Körper (das Objekt der Begierde) des jungen Erwachsenen mit seinem Hormon und Energieüberschuss hoch an der Wertskala gehandelt. Orientieren wir uns danach, kann es in der Wertskala danach nur Berg ab gehen, wenn wir nicht mit entsprechend jugendlichen Energie ausgestattet sind, die wir in Leistung umsetzen. Die Vorstellung des eigenen Körpers ist für viele Menschen mit einem Bewusstsein der Sub-Optimalität verquickt.  Hier werten wir als von unserer ausbeuterischen Kultur geprägten Menschen uns selbst – aber auch anderen – meist ab oder haben ein tief-sitzenden Panik, wir können durch das älter werden, ein Statusverlust jederzeit demnächst erleiden. Auch das behindert die Fähigkeit, inklusiv, frei und wertschätzend sexuell zu kommunizieren, wie die Hawaiianische Mädchen im 18. Jahrhundert. 

Viele Menschen erleben also das, was sie Intimität nennen, nur in Koitus. Durch die Unterdrückung der natürlichen sinnlich-spirituellen Entwicklung, ist für Manchen Hautkontakt mit Koitus als einzige Möglichkeit Verbundenheit zu erleben.  Der Mythos von sexuellem Trieb, das mit Gewalt gebändigt werden muss und mit aller möglichen Konsumgüter befriedigt werden kann, hält das Konzept von Liebespartner als Objekt, dessen Verzehr Glück verspricht, aufrecht.  Das hat aber wenig mit Liebe auf Augenhöhe, die die lebendige Entfaltung der Beteiligten und ihrer sinnlich-sexuellen Liebesbeziehung, zu tun.

Experiment

Bist du gerade Single spiele das Folgende als Pantomime und in der Vorstellung durch.  Somit erzeugst du eine innere Erfahrung, die deine Partnerwahl positiv mitbestimmt.

Phase A 

Sich selbst auf das Experiment durch Duschen, Baden oder Sauna vorzubereiten, vertieft die Wirkung.  Achte, dass der Raum angenehm warm ist, freundliches gutes Licht hat, akustisch leise und angenehm berieselt ist, und angenehm sauber riecht.  Zieh Euch beide bis auf die nackte Haut aus und lege Euch jeweils auf die Seite eine Armlänge voneinander und sich zugewandt entfernt hin. Lass die Atmung fließen ohne sie zu beeinflussen. Zur Erst ist jede*r mit sich selbst beschäftigt. 

Eine leichte Bedeckung wie zwei Tücher oder Bettlacken kann auch sein, wenn das entspannter ist.  Vereinbare ein Signal, zum Beispiel: wenn jede nickt.  Das bedeutet dann, dass die erste Phase fertig ist. 

Phase B

Dann schaue einander an und mache jede für sich bewusst, was du erlebst, wenn du die Person als Objekt deiner Subjektivität, als ver- und bewertbares Lebewesen betrachtest. Beim vereinbarten Signal, dreh jede sich voneinander weg. Jede kann aber die Phase einseitig abbrechen, wenn er/sie wegdreht. Dann dreht die andere Person auch weg.  Rekeln, dehnen, kurz aufstehen und eventuell sich sogar waschen. 

Dann gemeinsam sich wieder hinlegen und Phase A wiederholen.

Phase C

Dieses Mal empfängt Ihr den Anderen durch alle Sinne.  Durch regelmäßige Atmung und entspannte Gesichtsmuskulatur begleitet Freude die Wahrnehmung.  Dabei wechselt Ihr Wertschätzungen. „Schön bist du.  Ich genieße es, dich anzuschauen“ „Deine Ohren (dein Lachen, deine Augenbrauen, dein Bauch, deine Hüftknochen… usw…) machen mir Freude“ Achte, jede für sich, dass es keine Lobessprüche sind, sondern Gelegenheiten die Freude zu fühlen und zu äußern.  Einige Euch auf einem Abschluss für diese Phase.  In diesem Fall führt die langsamere Person. (Bist du Single ist es sinnvoller, sich als Spiegelbild vorzustellen.)

Phase D

Nehme dann in der Löffelstellung Euch in den Armen und synchronisiere Eure Atmung.  Wer hinten ist, atme sanft und liebevoll auf Schulter oder Nacken von der vorderen Person. Nach fünf Minuten drehe Euch, um vorn und hinten zu tauschen und wiederhole die Übung. 

Dann zieh Euch an und trenn Euch.  Achte darauf mindesten 2 Stunden keinen Sex mit einander zu haben.  Ihr könnt aber müsst nicht nach mindestens 2 Stunden über die Erfahrung sprechen.  

Auf dem Konsummarkt der Partnerschaft wird sexuelle Kompatibilität eine große Bedeutung eingeräumt. Es wird nicht davon ausgegangen, dass die Sexualität eines Paares sich mit dem lebenslangen Kennenlernen entfaltet, sondern geht davon aus, dass einprogrammierte Vorlieben, beim Zungenkuss, ersten Kuss, der Nacktheit, der Benutzung von Sex Toys, und der Frage der bevorzugten Orgasmus eine wichtige Rolle für das Glück in der Partnerschaft spielen. Mit der Annahme Sex sei ein Trieb, die entladen werden muss, wird das Kennenlernen eher behindert. Um vorübergehend vergnügliches Sex-Sport zu erleben ohne tiefere Verbundenheit, ist diese Vorgehensweise erfolgversprechend. Wer Hinweise auf eine langfristig lebendige Intimbeziehung wahrnehmen will, wird entdecken, dass die Kommunikation in der Sexualität sich ähnlich, wie im Gespräch und gemeinsamen Tun, eine gute interaktionelle Quelle für Partnerwahl ist. 

Du erkennst den richtigen Partner für eine liebende Dauerbeziehung daran, dass dein Gegenüber Freude an dir hast, so wie du bist, wenn du dich ihm zeigst. Je besser du dich kennst, wenn es dir gut geht, desto eher kann du dich so zeigen, wie du bist. Obwohl es wichtig ist, ähnliche Prioritäten im Leben zu haben, sind Auseinandersetzungen oder Meinungsverschiedenheiten gesunde Herausforderungen für Wachstum in der Beziehung. Wenn Ihr Euch für einander wirklich interessieren, dann macht die Kommunikation, ob über das was Ihr im Alltag erlebt und gedacht habt oder worüber auch immer, täglich Freude. Wenn die Gefühle, die Ihr in einander auslösen zu Bewegung mit gedeihlichen Konsequenzen führen und wenn jede*r sich gut aufgehoben, akzeptiert und gemögt fühlt, habt Ihr gute Aussichten auf Langzeitwohl zusammen. Die Einfühlung in dem Anderen erleichtert nicht nur die Verständigung, das Respekt und des gemeinsamen Miteinander im Alltag, sondern auch die Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft.

Experiment

Schreib auf, in wie fern du gar nicht, teils oder grundsätzlich völlig bereit bist:

- dich deinem/r Partner*in zu offenbaren, wenn es dir schlecht geht

- deinem Partner ernst zu nehmen, wenn es ihm/ihr schlecht geht

- Hilfe von deinem Partner zu beanspruchen, wenn es dir schlecht geht

- Deiner Partner zu helfen, wenn es ihr schlecht geht

- gemeinsam und kooperativ Lösungen zu suchen, wenn es einer/m von Euch schlecht geht

- gemeinsam und kooperativ Lösungen zu suchen, wenn es Euch beide schlecht geht. 

Schreib jeweils auf, was du konkret machen kannst, um deine Antworten hinsichtlich einer optimalen Partnerschaft zu verbessern.

Schreib jeweils auf, welche innere Veränderung, dir gelingen müsste, um die konkreten Veränderungen zu verwirklichen.

Nimm dir vor, eine Sache in den nächsten Wochen zu verbessern.

Die Sexualität und die Vorlieben des Paar entfalten sich in dem Kennenlernen und in dem gemeinsamen Projekt, sich als Paar zu erschaffen. Jede der Beteiligten bringt sich in diesem dritten Wesen hinein. Auch die spezifische Hormonmischung bei gemeinsamem Sex entfaltet sich und wirkt sich positiv auf den Körpergeruch einer einzelnen Person aus. In der Verliebtheitsphase wird die Rationalität – und somit die kulturell stark geprägte alltägliche Neigung abzuwerten - außer Gefecht gesetzt.  Daher erleben Paare, die noch nicht Augenhöhe leben, in dieser Phase ihrer Beziehung oft eine viel verspielte, differenzierte und vergnügte Sexualität als später. 

Experiment

Besinne Euch auf eine Zeit in der Ihr durch die Verliebtheit Euch verklärt und beglückt sexuell begegnet seid.  Tu einfach beide so also ob es jetzt damals ist.  Obwohl es eine Art „Inszenierung“ ist, aktiviert dieses Spiel genau den Zustand wieder. Koste sie komplett sexuell aus. Rede nicht „darüber“. Reflektiere nicht „darüber“. Speichere es einfach als Möglichkeit ab und wiederhole das Experiment nach Bedarf. 

Hast du gerade keine sexuelle Spielgefährtin, begebe dich trotzdem in einem geschützten Raum und sei dir selbst deine*n eigenen idealen Spielgefährten. Betrachte, befühle, belausche dir selbst und genieße diese Begegnung mit dir, deinem Körper, deine Geschlechtsorgane und deine Empfindungen. Gibt acht, bei dir anwesend zu bleiben und nicht in der Fantasie wegzutauchen.  Genieße es, gehört, beruht, und real auf alle Ebenen wertschätzt und genossen zu sein.  Beachte den Aspekt der Intimität mit dir selbst.  Lass die Erregung an- und abschwellen.  Weile bei der genüsslichen Intimität.  Erforsche die unterschiedlichen Ebenen, Vorstufen und Nachwirkungen von Orgasmus ohne Leistungsstress. Beende das Experiment mit einem Glockenton oder ein sonst klares Umschalten in den Alltag oder in den Schlaf. 

Die Lust auf Sex ist die Sehnsucht nach einer inneren Sensation. Um die auch finden und erleben zu können, brauchst du die Fähigkeit zur Wahrnehmung der eigenen Lust, Körperbewusstsein, Gestaltungskompetenz und mehr. Die menschliche Libido ist individuell – im Prinzip kann nahezu alles erregen.  Auch die Sexualität ist einer Entwicklung unterworfen und kann lebenslang weitergebildet und moduliert werden. Glücklich sind die Paare, die im Laufe ihrer Beziehung zunehmend besserer Sex als am Anfang.  Hier widerspiegelt die Sexualität die wachsende emotionale Intimität.

Die Schönheit der Sexualität also liegt weniger in Leistung oder schmalspurige Orgasmus-Entladung, sondern in den Beteiligten und deren Umgang mit sich selbst und einander. Sie wird daher immer wieder neu erschaffen und erforscht. Die Veränderung und Entwicklung der Beteiligten fließen direkt in die Sexualität hinein. Wie schön Sexualität wird, hängt somit im Wesentlichen davon ab, wer wir selbst sind und wie wir mit dem Leben umgehen. Das Intimpaar ist nicht nur ein unendlich dynamisches Wesen, sondern auch das ruhende Zuhause der beteiligten Individuen. Sie stärkt und nährt die Wertschätzung und die Lebensqualität. 

So erklärt sich, warum ältere Menschen, die sexuell aktiv in eine glückliche langjährige Intimbeziehung, erzählen, dass sie im Alter „weitaus besser im Bett“ sind als früher. Sie können sich ihrem Gegenüber leichter zu erkennen geben und müssen sich und dem anderen nicht mehr so viel vormachen. Sie können Augenkontakt halten und ihre Fantasien mit ihrem Spielgefährten teilen. Sie sind in ihren Rollen nicht festgelegt, sondern können abwechselnd führen und folgen. Sie können sich gegenseitig anregen oder auch stützen und auffangen lassen. Die Trockenheit der Frau oder die Durchblutung der Penis des Mannes gehören zur Beschaffenheit der Lage und beeinträchtigen die Sexualität nicht. 

In der Sexualmedizin werden Störungen, wie wo anders auch meist, identifiziert, diagnostiziert und behandelt. In einer Kultur, in der der Arzt über den Patienten steht und der Gesunde über den Kranken steht, werden eine Reihe von Sexualstörungen beim Mann und Frau festgestellt, die deine Wertschätzung beeinträchtigen können, insbesondere wenn du das Gefühl hast damit, nicht leistungsfähig, konkurrenzfähig und liebenswürdig zu sein.  In der Tat, ist die Gefahr, dass du aus der Sexualität in deiner Intimbeziehung aussteigst, wenn du dich nicht funktionsfähig fühlst, groß. Augenhöhe in der Intimbeziehung ist erst möglich, wenn du persönlich Verantwortung für dich selbstverständlich trägst, auch wenn du „krank“ bist.  Weil der Neokortex, also das wertende, sprechende, übergeordnete Anteil des Gehirns ein großer Einfluss auf die Sexualität hat, ist eine Sexualstörung hier entsprechend sorgfältig zu untersuchen. Ein anderer häufige Kipppunkt in der Sexualität eines Paares ist das Gefühl nicht persönlich gemeint zu sein, sondern nur als Sex-Toy für den anderen zu funktionieren. Die Entwicklung zu und das Bestreben nach Augenhöhe fördert die Heilung dieser schwer-wiegenden Störung auf alle Ebenen.

Sowohl beim Mann wie bei der Frau können sexuelle Funktionsstörungen mit oder ohne organpathologischen Befund auftreten.  Innerhalb einer liebevollen Partnerbeziehung kann gemeinsam überprüft werden, ob eine Störung ein Indiz für eine organische Erkrankung oder eine neue Phase der gemeinsamen sexuellen Intimität einläutet. Besteht gegenseitige Vertrauen, Akzeptanz, Zugehörigkeit, emotionale Wärme und Nähe, ist eine Änderung des Lebensstils, um die Gesundheit zu sichern oder eine Anpassung der sexuellen Kommunikation an den neuen Bedingungen angesagt. Insbesondere die Erektionsstörungen können einen Übergang zu multi-orgastischem Sex oder eine erhöhte Bereitschaft, sich stärker auf ganzkörperliche, erotische Intimität beim reiferen Mann innerhalb einer glücklichen Partnerschaft, einzulassen. Bei der Frau sind die häufigsten Sexualstörungen mangelndes Interesse an Sex, Orgasmusschwierigkeiten und Schmerzen oder sonst unangenehme Empfindungen bei der Penetration. Reagiert der Partner mit Beteiligung, Aufmerksamkeit und der Wille zur gemeinsamen Lösung, kann die Störung zu eine Entwicklungssprung in der Intimbeziehung führen. Behandeln die Beteiligten die Herausforderungen in der Beziehung als Nahrung für eine stärkere persönliche und familiäre Differenzierung, können sexuelle Störungen als Sprungbrett zu eine verbesserte Beziehungsqualität dienen. Ist die Beziehung hierarchisch und funktional ausgerichtet, können solche Störungen eher zum Fremdgehen oder zur Trennung führen. 

Experiment

Wenn es dir bisher schwerfällt, dein*en Partner*in in eine gemeinsame Bewältigung von Problemen, Stress oder Herausforderungen einzubinden, spiele in deiner Vorstellung verschiedene Szenarien durch, in denen du dein Verhalten veränderst. So wie du sie/ihn kennst, welches Szenario ist vielversprechend? Wenn der Erfolg hauptsächlich an eine Veränderung von dir abhängt, übe in der Vorstellung, solange bis du sie umsetzen kannst.  Wenn du nicht weißt, wie er/sie reagieren wird, probiere das Vorgestellte aus! 

Die Qualität von dyadische Stress-Bewältigung ist ein starker Indikator für Glück in der Langzeitbeziehung und damit auch für Gesundheit und für ein reichhaltiges Sexleben. Die Übereinstimmung mit Augenhöhe ist bemerkenswert. Dyadische Stress-Bewältigung ist unterstützend, wenn die Partner darauf achten für einander da zu sein, wenn eine*n im Stress ist.  Sie ist delegativ, wenn Partner für einander einspringen, um die Last von Einem auf beide zu verteilen.  Sie ist gemeinsam, wenn das Paar die Dinge bespricht, relativiert, beleuchtet und bewältigt und wenn darüber hinaus, sie gemeinsam Ausgleich in Schönen schaffen. Wenn die Partner sich ignorieren, schelten, sich ärgern oder den Stress erhöhen durch andere Forme von Abwertung geht es um ein ungesundes Mobbing-Paar, die dringend änderungsbedürftig ist. Sich zu trennen, kann ein wichtiger Schritt zur Wertschätzung sein. 

Zusammenfassend ist die sexuelle Zufriedenheit der Beteiligten in eine Langzeit-Intimpaar die wichtigste Glücksfaktor im Zeitalter des emotionalen Wohlstands. Augenhöhe erhöht die Wahrscheinlichkeit davon und bietet eine Anpassungsfähigkeit, die für die neue Zeit, unabdingbar ist. 

Experiment

Hole glückliche Paare vor deinem inneren Auge und lass deine Aufmerksamkeit auf ihr Vorbild ruhen. Richte dich auf eine Partnerbeziehung auf ein noch besseres Niveau aus! 

Sexuelles Erleben und Verhalten bedeutet stets ein Zusammenspiel biologischer, psychologischer und sozialer Faktoren, deren individuelle Gewichtung und Vernetzung bei sexuellen Störungen im Einzelfall zu klären sind. Einen besonderen Stellenwert bekommen dabei die subjektiven Bedeutungen von Sexualität und Partnerschaft, welche die Auswirkung von Ereignissen und Erlebnissen in der Intimbeziehung bestimmen …. Dies belegen neurobiologische Forschungsergebnisse zur Bedeutung von „Bindung und Beziehung“… die chronische Frustration psychosozialer Grundbedürfnisse zu sein. Dies führt nicht nur zur Verschlechterung der Beziehungsqualität, sondern betrifft auch die Sexualität in ihren drei Dimensionen: Reproduktion, Lust und Beziehung. 

Dies zeigt auch eine aktuelle Interview-Studie von Kleinplatz et al. (2007), in der Männer und Frauen (älter als 65 Jahre und in Langzeitpartnerschaften) vor allem Merkmale wie Authentizität, intensive emotionale Verbindung, Kommunikation und Angenommenfühlen als Kennzeichen von „great sex“ ansahen (19). Sexualität als „tiefster Akt der Kommunikation“ ist keine neue Idee, und die Verwandlung der „taktilen Kommunikation beim Geschlechtsverkehr“ in eine „zusätzliche Sprache“ wurde bereits vor über 50 Jahren beschrieben (e15). Diese Sprache macht die syndyastische Sexualtherapie bewusst und übersetzt sie: Zuneigung, Annahme, Nähe und Geborgenheit werden (auch) auf sexuelle Weise körpersprachlich kommuniziert und dadurch verwirklicht. Der Begriff syndyastisch ist von dem griechischen Wort syndyastikós („disponiert zur Gemeinsamkeit zu zweit oder zur Zweier- beziehungsweise Paarbeziehung“) abgeleitet. Aristoteles erläutert in seiner Nikomachischen Ethik den Sachverhalt des „Einander-vertraut-Werdens“ (synoikeioústhai) im Sinne von „Zugehörigkeit“. Hiervon grenzt er die Beziehung zu einem bedeutsamen Anderen im Sinne der Paarbeziehung (syndyastikós) ab, in der sich besonders intensiv Vertrautheit und Zugehörigkeit herausbilden können (15). Hierfür ist sexuelle Funktionsfähigkeit nicht notwendig die Voraussetzung, andererseits ist sexuelle Funktionalität allein auch nicht ausreichend, um sexuell erfüllende Erlebnisse zu verschaffen (19). Durch die sexuelle Körperkommunikation können daher psychosoziale Grundbedürfnisse auf eine einzigartige Weise erfüllt werden. Ihre chronische Deprivation, mit dysfunktionalem oder gänzlich fehlendem (intimem) Körperkontakt, spielt eine bedeutende Rolle für das Zustandekommen und Fortbestehen psychosomatischer Störungen, inklusive aller sexuellen Funktionsstörungen beziehungsweise erschwert das Überwinden bereits bestehender Erkrankungen (e8). -

 

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