3) Wie bin ich ein Mobber geworden?

Folgerichtigkeit der Abwertung - Selbstwert -Bedürfnissbefriedigung

Um sich noch stärker mit Würde auseinanderzusetzen, ist es spannend, seinen familiären Hintergrund genauer zu beleuchten. Dabei möchte ich mit der Folgerichtigkeit beginnen.

1. Folgerichtigkeit

Wie genau und folgerichtig kannst du die Geschichte deiner Eltern erzählen? Was weißt du darüber, wie deine Großeltern mit deiner Mutter umgegangen sind? Was weißt du über das Verhältnis zwischen deinen Großeltern und deinem Vater? Falls du nicht in einer klassischen Kernfamilie aufgewachsen bist, stelle dir diese Fragen hinsichtlich deiner  Hauptbezugspersonen während deines Werdegangs seit der Geburt. 

Experiment

Lege ein „Dokument“ für jede deiner wichtigen Bezugspersonen aus der Kindheit an. Falls du nur einzelne Geschichten oder Episoden weißt, schreibe sie so auf, dass du deine Notizen jederzeit ergänzen kannst. Befrage die Beteiligten oder Personen, die sie gekannt haben oder etwas gehört haben könnten. Alle, die dir zur Verfügung stehen, können Details liefern. Notiere ihre Antworten und Geschichten. Wenn ältere Geschwister oder sonstige Autoritätspersonen für dich eine wichtige Rolle in deiner Kindheit gespielt haben, lege auch für sie ein Dokument an. Bedenke, es geht nicht unbedingt um die Wahrheit, sondern um die Geschichte. Sie ist subjektiv und gefärbt durch den Erzähler. 

Je besser du eine zusammenhängende und nachvollziehbare Saga zusammenkriegst, desto eher kannst du stressfrei dein eigenes Verhalten steuern. Beides hängt damit zusammen, wie Lebewesen ihrer biologischen Veranlagung gemäß funktionieren. Zum Beispiel speichert das menschliche Gehirn viel mehr als uns bewusst ist. Es arbeitet fleißig im Hintergrund, um unter anderem einen kohärenten Sinn aus den gespeicherten Erfahrungen zu kreieren. Eine wichtige Methode, Sinn aus Information zu machen, ist, Situationen, die im Alltag rätselhaft waren, zu re-inszenieren. Das kann innerlich ablaufen, wie im Traum oder in Gedanken oder auch äußerlich im Alltag verwirklicht werden. Genauso wie im Alptraum, übernehmen die Figuren unterschiedliche Rollen, die für das Gehirn noch nicht schlüssig im Dienste des Gedeihens enträtselt worden sind. Die Mitspieler sind Sinnbilder für internalisierte Vorbilder oder Variationen der eigenen Person. Wenn unsere Vorfahren und Vorbilder mit ihren Lebensbedingungen und ihrer Sozialisation weniger optimale Voraussetzungen als wir heute hatten, dann konnten sie uns nicht das vermitteln, was wir für unser Leben brauchen. Vielleicht waren sie, notgedrungen, auf das Überleben, statt aufs Gedeihen ausgerichtet. Überleben ist aber ein Notprogramm. Dennoch, wenn unsere Vorbilder uns zeigen, wie sie überleben, dann speichern wir diese Information und nehmen sie als Strickmuster für unser eigenes Verhalten. Der Schlüssel liegt im Bestreben des Gehirns, Sinn aus dem gespeicherten Material zu machen. Gelingt ihm das ohne neuen Input nicht, leitet es uns an, das gespeicherte zu reproduzieren. Gleichzeitig sucht das Gehirn nach Folgerichtigkeiten und schlüssigen Erklärungen für das Gespeicherte. Kann es diese finden, kann es uns anleiten, ein Programm für eine ähnliche Situation zu nutzen, das rätselhafte Modell so genau wie möglich zu reproduzieren oder nach neuen Möglichkeiten zu suchen. 

Experiment

Sammle – am besten schriftlich – sowohl angenehme, als auch unangenehme Episoden aus deiner Kindheit. Wenn du mindestens 10 Episoden zusammengetragen hast, nimm sie dir nochmal einzeln vor und prüfe sie auf Ähnlichkeiten zwischen dem Verhalten der Beteiligten damals und Beispielen für dein eigenes Verhalten heute. 

In diesem Abschnitt geht es nur darum, die Folgerichtigkeit von Mobber-Verhalten zu verstehen. Es ist ein Forschungsansatz, der Neugier und Interesse Raum geben soll.  Wenn wir die Dinge, die uns steuern, beachten, verbessern wir unsere Kontrolle und Kompetenz. 

Lebewesen befinden sich ständig im Wandel. Die „Warum“-Frage birgt Gefahren für den fortlaufenden Anpassungs- und Weiterentwicklungsprozess. Daher geht es hier weniger darum, einen „Grund“ für Mobber-Verhalten zu finden, als darum einen Einblick in die Folgerichtigkeit des Verhaltens zu gewinnen. Mobbing im Sinne von schädlicher Kommunikation ist aus heutiger Sicht ein veraltetes und sub-optimales Programm, um den eigenen Wert zu sichern. Freiwillig – wenn auch unbewusst - machen wir das nur, um unseren Vorbildern Loyalität zu zollen. Denn manchmal hat Loyalität Vorrang über Status, Wohlbefinden und Wertschätzung.

Experiment

Liste jeweils 5 „positive“ Merkmale von jeder wichtigen Bezugsperson in deiner Lebensgeschichte auf. 

Nachdem die Listen fertig sind, schaue, mit welchen von diesen Eigenschaften du dich gerne identifizierst. 

Das genetische Grundmaterial der Menschen ist neutral. Je nachdem, wie es aktiviert wird, kann es gedeihliche oder schädliche Ergebnisse erzeugen. Die Identifizierung mit den Grundeigenschaften der eigenen Bezugspersonen sichert einen Herzensbund, der gesund wirkt und uns die Freiheit lässt, die Erbschaft zur Ehrung der Quelle weiter zu entwickeln und selbständig zu nutzen. Ein solcher Loyalitätsbund befreit dich auch von dem Wiederholungszwang, schlechtes Benehmen oder weiterhin überalterte Umgangsmethoden zu nutzen. 

Experiment

Bastle aus den Angaben, die du im ersten und zweiten Experiment dieses Kapitels zusammengetragen hast, eine schlüssige Erzählung, die das Verhalten der Erwachsenen in deiner Kindheit folgerichtig und verständlich macht.  Je besser du alle Information, die du im Gehirn irgendwo gespeichert oder inzwischen gesammelt hast, einarbeitest, desto sinnstiftender wird die Saga deines Werdegangs sein. Dir steht aber auch jedwede künstlerische oder erzählerische Freiheit zu, um eine kohärente Geschichte zusammenzutragen. 

Bedenke, dass die Aufgabe dieses Buches ist, negativen Stress in deinem Leben und insbesondere in deiner Liebesbeziehung zu lösen! Du kannst mit dem Buch umgehen, wie es dir guttut.  Wenn die Experimente nerven, zu anstrengend oder zu umfangreich sind, dann lege sie beiseite, bis es dich reizt, sie doch zu machen oder eben auf deine Art und Weise zu machen. Springe im Buch hin und her, oder gehe folgerichtig vor, wie es dir eben entspricht. Wer Lust hat, sich im Feld der Magie zu bewegen, probiert folgendes Experiment. 

Experiment

Sammle Figuren für deine persönliche ideale Kindheit. Die kannst du aus Büchern, Beobachtungen, Filmen, Nachrichten, aus dem Internet oder aus der reinen Fantasie nehmen. Entscheide dich für dein persönliches ideales kindliches Umfeld.  Es kann dem ähnlich sein, das dir vertraut ist, oder du kannst die Geschichte in ein Indianerdorf oder in die Steinzeit verlegen.  Alles ist erlaubt. Du kannst die Geschichte aufschreiben oder einfach vor dem Einschlafen oder in Entspannungspausen weiterspinnen. 

Magiker sind Meister der Beobachtung. Sie stellen fest, was sich wie in der natürlichen Welt verhält, und veredeln die Ergebnisse, in dem sie die Naturgesetze zu ihren Zwecken modellieren. Im nahrhaften Fall verblüffen, begeistern und verzaubern sie uns in einer Welt erhabener Kunst. Im schädlichen Fall, nutzen sie unser Unwissen aus, um uns zu täuschen und auszubeuten. Eine innere sinnstiftende Saga zur  eigenen Kindheit wirkt, egal ob sie durch Fantasie oder Fleiß erarbeitet wurde oder durch die Internalisierung von Erlebten. 

Dazu kommt eine besondere Form der unliebsamen inneren Realität, die sich transgenerational oder aus sonstigen schwer erklärbaren Gründen ins Unterbewusstsein einschleicht. Ein Bekannter von mir träumte als Kind immer wieder, er kauerte unter einem Sofa, hörte Gewehrschüsse und erlebte, wie Blut zu ihm in seinem Versteck auf den Boden floss. Seine Großmutter sagte ihm, er solle den Traum nicht besonders beachten. Er sei nicht sein Traum. Er hätte sich bei ihm verirrt. Sie würde ihn für ihn aufschlüsseln, wenn er 16 Jahre alt sei. Als er 16 wurde, erzählte sie ihm, dass sie, zweijährig, auf der Suche nach einem verschwundenen Spielzeug unter das Sofa gerobbt war, als schwere Stiefel in den Raum kamen und Soldaten ihre gesamte Familie ermordeten. Sie wurde später gefunden und ist so bei anderen aufgewachsen. 

Ein Kollege erzählte mir von einem Patienten, der wegen mehrfacher Vergewaltigungen im Gefängnis gelandet war. Da er gar keine Ähnlichkeiten zu vergleichbaren Straftätern aufwies, wurde er psychiatrisch untersucht. Nachdem sich auch der Facharzt keinen Reim auf das Verhalten seines Patienten machen konnte, lud er die Mutter des Patienten ein. Sie erzählte ihm im Vertrauen, dass sie im Krieg unzählige Vergewaltigungen erlitt, was sie aber ihrem Sohn, der ein Ergebnis davon war, nie erzählt hat. 

Die Aufdeckung solcher Phänomene kann, muss aber nicht sinnvoll sein. Meist sind sie so eigensinnig, dass nur unterstützende Detektivarbeit erfolgversprechend ist. Für den Fall des Falls kommen wir im letzten Kapitel darauf zurück.

 

2. Selbstwert

Unter welchen Bedingungen ein Mensch auf sich selbst stolz ist und sich als wertvolles Mitglied seiner Gemeinschaft fühlt, kann für jedes Individuum sehr unterschiedlich sein. Wenn ein Mensch gelernt hat, dass Dominanz und Machtausübung den eigenen Wert bestimmen, kann er mit gutem Gewissen auch andere verletzten und entwerten, weil er es als seinen Job empfindet, den er ordentlich ausführt. 

Letztendlich kann jede*r von uns Mobber sein oder sich in bestimmten Situationen so verhalten. Denn wir teilen alle eine gemeinsame Menschheitsentwicklung. Schaden anrichten durch Machtausübung ist in vielen Kulturen auch heute noch vollkommen legitim. Man ist in den letzten 2500 Jahren davon ausgegangen, dass andere materiell, körperlich und psychisch zu schädigen ein wichtiges Ziel sei oder der Nebeneffekt, wenn es um den Gewinn für die stärkere Partei ging. Das Ziel des Stärkeren, also Gewalt-trächtigeren, Mitglied einer möglichst herrschenden Gruppe zu sein, war eine Selbstwert-stärkende Ausrichtung unter "Edelmännern". Es wurde überall in der sogenannten "zivilisierten" Welt mehr oder weniger und in verschiedenen Variationen praktiziert. Mobber zu sein, ist aus diesem Blickwinkel durchaus ehrenhaft und erstrebenswert. In einer von Männern dominierten Welt waren es vorwiegend Männer, die aus heutigem Blickwinkel die Bandbreite von physischen, politischen bis hin zur psychischen Gewalt- sprich: "Mobbing"- praktiziert haben. Mit dem Aufkommen von Frauenemanzipation und "Gleichberechtigung" haben sich zunehmend mehr Frauen die Instrumente insbesondere von psychischer Gewalt angeeignet. Vermutlich wird es immer Menschen geben, die dazu neigen ihre Bedürfnisse durch Verhalten, das anderen schadet, durchzusetzen. Denn wer einen Selbstwert hat, der nicht auf einem klaren Bewusstsein des eigenen Wesens aufgebaut ist, und wer nicht in eine liebende Gemeinschaft auf Augenhöhe eingebunden ist, ist in der heutigen Zeit immer noch anfällig für Machtgehabe. Ohnmacht, Frustration und fehlende Kompetenzen bringen uns auch dazu, durch Gewalt – auch psychische Gewalt – gegen uns selbst und andere zu handeln. Ein interessanter und befriedigender Nebenaspekt der Beschäftigung mit Mobbing in der kleinsten gesellschaftlichen Einheit ist, dass die Fähigkeiten, die daraus erwachsen, wegweisend für einen großen gesellschaftlichen Wandel sind. Eine wichtige Frage dieses Kapitels ist es, wie ich meinen Selbstwert sichere, wenn ich mich nicht über andere erhebe und keine psychische Gewalt anwende? 

Interessanterweise ist ein Bestreben, den anerkannten kulturellen Strukturen gewissenhaft und fleißig zu folgen, eine wichtige Kraft in jeder Gemeinschaft, egal wie groß oder klein. Insbesondere wenn die Strukturen und die Erfolgsstrategien eindeutig und bewusst sind, ist diese Begabung eine wichtige Quelle für gesunden Selbstwert. In einer Zeit, in der sich Strukturen auflösen und Erfolgsstrategien im massiven Wandel befinden, führt gerade diese wunderbare Zuverlässigkeit neuerdings immer häufiger in eine Sackgasse. Dann ist es sinnvoll, zuverlässige wegweisende Gesellschafts- und Umgangsformen zu finden, um dort das Fundamentale zu wahren und zu stärken. Wenn die eigenen Fähigkeiten auch ins Gemeinschaftswohl einfließen, kann jede*r innerhalb seiner Wesensart seinen Wert entdecken. Die/der Liebende*r ist besonders geeignet, zur Selbstwertsicherung beizutragen. Das liebende Auge erkennt die Grundsubstanz des geliebten Gegenübers. Kommunikation hebt das Beobachtete ins Bewusstsein und nährt ganz direkt den Selbstwert. 

Experiment

In einem vorhergehenden Experiment hast du Beschreibungswörter zusammengetragen, die sowohl dich, wie auch deine Eltern und/oder wichtige Autoritätspersonen aus der Kindheit gemeinsam haben. Das Gehirn liebt die Resonanz zwischen zwei oder mehr Positionen. Hier gibt es dich als Eigenschaftsträger und dich als Kommentierenden. Jetzt geht es darum, mit den genannten Beschreibungswörtern anerkennende Sätze zu bilden. Zum Beispiel „Oh, es freut mich, dass du so beharrlich bist!“ „Ich mag deine Neugier.“  „Dein Lächeln ist ansteckend!“ „Ich schau so gerne deine Ohren an!“ „Schön, dass es dich mit deiner Betriebsamkeit gibt!“ Resonanz ist die Grundnahrung für Selbstwert. Wenn die Beobachtung mit spontaner Freude oder mit Anerkennung kommentiert wird, wächst das Bewusstsein für das, was „mich“ ausmacht. Es ist sinnvoll, erstmal diese Sätze aufzuschreiben und notfalls immer wieder umzuformulieren, bis die Formeln „es freut mich….“, „Ich mag so gerne…“, „Oh, wie schön ….!“ eine Qualität von anerkennendem, positiv bewegtem, authentischem Widerhall hat. 

Im nächsten Schritt gilt es, das eigene Spiegelbild privat mit widerspiegelndem erfreutem Kommentar – als verbalisierten Gedanken - zu begrüßen. Es ist wichtig und sinnvoll, die Häufigkeit dieser Bemerkungen so zu steigern, bis sie zur Gewohnheit werden. Dafür soll die Liste mit spontan erkennbaren Eigenschaften immer wieder ergänzt werden.

Die drei Basisformen der menschlichen Intelligenz sind physisch (senso-motorisch), imaginativ (prä-operational) und logisch (operational). In der Sicherung eines zuverlässigen, von äußeren Bedingungen unabhängigen Selbstwerts, sind die ersten beiden Formen Ausschlag gebend. Die emotionale Färbung einer Botschaft bestimmt die Wirkung. Das Gehirn reagiert unmittelbar auf Resonanz und die emotionale Wirksamkeit der eigenen Handlungen. Mobbing erzeugt auch Resonanz und emotionale Wirkung. Die abgewertete Person reagiert – sichtbar oder internal. Die Resonanz „Ich bin wer, ich bewirke etwas!“ stärkt das Selbstbewusstsein des Mobbers. Früher waren die schädlichen Nebenwirkungen dieser Art der Resonanz nützlich.  Heute werde beide – Mobber und Opfer - zunehmend durch die schädlichen Nebenwirkungen beeinträchtigt - in der Umwelt, in der Wirtschaft, im Betriebsklima, in der Partnerschaft. Die gute Nachricht ist, dass die Menschheit reif geworden ist für gedeihliche Resonanz. Das heißt, inzwischen wissen wir, dass positive emotionale Resonanz eine Grundquelle elastischen, unerschütterlichen, Selbstwert-sichernden Selbstbewusstseins ist. 

Idealerweise kommt diese Resonanz von den engsten Pflegepersonen in den ersten Lebensjahren und setzt sich in den zwischenmenschlichen Beziehungen bis heute fort. Im alten Kulturparadigma ist das leider eher die Ausnahme. Das Gehirn erkennt schnell, welche Verhaltensweisen zu Krümeln der Anerkennung führen und lernt diese umso schneller, je weniger Grundnahrung für menschliche Wertschätzung vorhanden ist. Je häufiger du das Experiment sauber durchführst, desto lebendiger baut sich ein natürliches, gelassenes Selbstbewusstsein auf. Letztendlich sind es nur wenige, leicht anzueignende, inter-personelle oder intra-personelle Vorgänge, die die gesunde Schwingungsfähigkeit einer Person aktivieren und einen gedeihlichen Selbstwert entfalten lassen.  

Experiment

Im ersten Experiment des ersten Kapitels wurde eine Art zu Denken ausprobiert, die urteilsfrei und phänomenologisch ist. Im dritten Abschnitt davon achtet man nur darauf, was Wahrnehmungsorgane aufnehmen. Im letzten Experiment wird das an der eigenen Person Beobachtbare mit einer positiven Schwingung gespiegelt. Bedenke, dass die Wirkung sich ausschließlich mit der Anzahl der Wiederholungen, nicht aber mit Zwang entfaltet. Gelingt das letzte Experiment immer besser, ist es sinnvoll, jede Gelegenheit zu nehmen, um das gerade Wahrnehmbare in der äußeren Umgebung (Geruch, Geschmack, Erspürte, Sichtbare, Hörbare) mit Genuss aufzunehmen. Die Wirkung auf die eigene Laune ist bemerkenswert. Die Wirkung setzt zuverlässig aber erst mit der wachsenden Vertrautheit der Betrachtungsweise ein. 

Die Sicherung der Wertschätzung ist nicht von anderen abhängig. Diese Fehlannahme hat mit der Erfahrung zu tun, die viele Menschen machen, dass äußerer menschlicher Widerhall der eigenen Lebenszeichen tatsächlich notwendig ist, um in frühen Lebensjahren einen Grundstock an Selbstwert zu sichern. Mit der Entwicklung des Gehirns und den unterschiedlichen Formen der menschlichen Intelligenz springt das vernachlässigte Areal im Gehirn später dann auch noch an und holt die Entwicklung nach, sobald entsprechende Anregung (auch rein hausintern!) im Angebot ist. Dies ist zu jeder Zeit möglich! Auch jetzt. 

In den letzten Jahren taucht der Begriff „Achtsamkeit“  oder „Mindfullness“ in vielen unterschiedlichen Zusammenhängen auf. Manche Krankenkassen bieten Kurse an, weil die positive Wirkung auf die Gesundheit und damit die Senkung der Ausgaben der Krankenkasse sich rechnen. Es ist leicht im Buchladen oder im Internet lesbare, hörbare oder anschaubare Anweisungen dafür zu bekommen. Grundsätzlich geht es darum, die Aufmerksamkeit beharrlich auf dem gegenwärtig Wahrnehmbaren ruhen zu lassen, ohne zu urteilen, ohne Ablenkung, Hin- und Herspringen, Sätze im Kopf, ohne Gedanken an die Zukunft, die Vergangenheit und sonstiges unruhiges Kopfkarussell. Nicht Anstrengung oder Spannung führt zum Aufbau der Achtsamkeit, sondern entspannte Wiederholungen. Folgende vier Motive eignen sich gut für die Entfaltung der Achtsamkeit. Der Ausschnitt der Realität, der betrachtet wird, kann:

- ein Detail sein oder aber überhaupt alles, was am eigenen Körper im Augenblick in die Betrachtung gezogen werden kann. Wähle und bleibe dabei!

- das sachliche Vernehmen der eigenen Gefühle und Gedanken sein, ohne sie mit Urteilen oder Bedeutung zu belegen. 

- das „Aussitzen“ der eigenen unangenehmen oder negativen Gefühle sein, bis sie von allein versanden.

- das Sich-Bewusstmachen und ruhig beobachten, wie die eigene Aufmerksamkeit, Gedanken, Gefühle, Motive, insgesamt das eigene Innenleben sich verhält.

Experiment

Wähle irgendeinen Ausschnitt der Realität oder des eigenen Erlebens, wie oben beschrieben. Halte dich körperlich relativ ruhig. Atme ruhig und regelmäßig ein und aus. Betrachte das Gewählte für eine angenehme Zeit.  Es ist sinnvoll einen Timer erstmal auf 20 Sekunden zu stellen. Wenn das gut geht, tippe auf wiederholen, usw. Verlängere die Zeitspanne, so wie es angenehm ist. Wenn es unangenehm wird oder dir einfach reicht, Gesicht abreiben, schütteln, dehnen und strecken und dann entweder aufhören oder eine neue Runde probieren. 

Je stärker und gesünder der eigene Selbstwert ist, desto leichter ist es, solche Umgangsformen mit anderen bewusst einzuschalten, wenn irgendwas in der Beziehung stockt. Die Erfahrung ist, dass Menschen aus Gewohnheit und aus einem instabilen Selbstwertgefühl mobben. 

 Der Titel des Kapitels ist paradox gewählt. Denn um Mobbing zu praktizieren, besonders in der Intimbeziehung, ist es nötig, sich die Gewohnheit des Mobbings folgerichtig angeeignet zu haben. Außerdem ist ein notwendiges Element des Rezepts ein Selbstwert, der von äußerlichen Dingen abhängig ist. Wenn du die Folgerichtigkeit durchschaust und wenn der Kern der Wertschätzung intern gesichert ist, ist es nicht nötig, in bestimmten Situationen reflexartig zur Abwertung zu greifen.  Falls es reizvoll scheint, die Gewohnheit des Mobbings abzulegen oder in etwas Erfreuliches zu wandeln, gehören noch einige Aspekte dazu, auf die ich in den nächsten Kapiteln eingehe. 

 

3. Bedürfnisbefriedigung

Um Mobbing-Neigungen in ein Verhalten zu transformieren, das die eigene Liebesbeziehung und sogar die heutige Kulturentwicklung fördert, ist es wichtig, die biologischen, ökologischen und neurologischen Grundlagen der menschlichen Bedürfnisse und wie sie sich auf Mobbing auswirkt, zu verstehen.

Selbstversorgung ist eine notwendige Grundlage des Selbstwerts. Wer von Geburt an „Art-gerecht“ versorgt worden ist, hat die Fähigkeit, nicht nur mit anderen, sondern mit sich selbst mitzuschwingen, die Regungen seines Körpers – einschließlich der Gefühle - angemessen aufzunehmen und mit Handlungen, die den Körper befriedigen, zu beantworten. Kaum jemand hat so eine ideale Lebensgeschichte! Wertschätzung heißt praktischer Umgang mit dem betroffenen Wesen. In diesem Fall geht es um DICH! Den ersten Schritt haben wir im letzten Abschnitt behandelt. Wenn ich erstmal wertschätzend auf die Beschaffenheit des Gegenübers (MICH), dann steht der Schritt angemessen auf die Bedürfnisse des Gegenübers auf Augenhöhe zu antworten an. Es kommt Dynamik in der Sache! Als Baby sind die Bedürfnisse nach Kommunikation, Wärme, Nahrung, usw. auch nicht immer einfach für das erwachsene Gegenüber angemessen zu beantworten. Sicherlich geht es unter Anderen, um die Macht, meine Bedürfnisse zu befriedigen. Doch, welche Bedürfnisse?

Das Beste am Mobbingverhalten ist das Machtgefühl. Dazu kommt, dass das Gefühl von Macht das beste Gegengift zum toxischen Gefühl der Ohnmacht ist. Ich behaupte hier mal, dass die Macht, andere Lebewesen in Schwingung zu bringen, das Urbedürfnis überhaupt ist. Zuerst geht es darum, eine wahrnehmbare Wirkung zu erzeugen. Alles Lebendige steht in Wechselwirkung zueinander. Wenn meine Umgebung nicht auf mich reagiert, kann ich in den ersten Lebensjahren nicht wirklich wissen, ob es mich gibt. Ich entwickele mich durch Bewegung, und das fängt mit emotionaler Wechselwirkung an. Dazu kommt das Bestreben nach persönlicher Macht auf eine Verbesserung des eigenen Zustands vor allem durch Bedürfnisbefriedigung. Die beiden Urbedürfnisse sind nach Sicherheitsabstand von Schädlichem (z.B. einer nasse Windel oder einem bösen Gesicht!) und nach Zugang zum Nahrhaften (z.B. Muttermilch und Zuwendung) das Wichtigste. 

Eine Blickwinkel- oder Verhaltensveränderung, mit der wir noch besser unsere Bedürfnisse befriedigen können, ist für uns Menschen und insbesondere für uns Mobber reizvoll. Deswegen befassen wir uns an dieser Stelle mit „Bedürfnissen“. Aber in der freien Wildbahn herrscht viel Verwirrung zu diesem Thema.

Bedürfnisse in ihrem eigentlichen Sinne werden selten in unserer Kultur beachtet, weil sie sehr von einer Marktwirtschaft, Konsumangebote und Suchtphänomenen überlagert sind. Im Volksmund und im Alltag ist meist etwas Materielles, zum Leben notwendiges oder etwas Luxuriöses gemeint, wenn von Bedürfnissen gesprochen wird. Dazu kommt, dass in der Paarbeziehung Bedürfnisse im Sinne von Wünschen, Erwartungen und Ansprüchen oft die Grundlage für Missmut und Verletzungen sind. Das hängt unter anderen mit der sogenannten „gelernten Hilflosigkeit“ zusammen. Haben wir nicht gelernt haben, dass unsere Bedürfnisse im Kleinkindalter so erfüllt wurden, dass wir prächtig gediehen und lernen wir später, dass wir ohnmächtig sind, wenn die Umwelt uns nicht gibt, was wir brauchen (es sei denn wir wenden irgendeine Form der Gewalt an), DANN machen wir uns weiterhin abhängig von einer Umwelt (z.B. Beziehungspartner*in) anstatt die Interaktion so zu gestalten, dass wir erfolgreich sind! Folgendes Experiment verdeutlicht, was mit solchen Bedürfnissen gemeint sind.

Experiment

Teile ein Dokument oder D4 Papier in zwei Spalten. 

Liste in der linken Spalte auf, was für Bedürfnisse du an deine*r Partner*in hast. 

Liste in der rechten Spalte jeweils daneben, eine klare praktische Handlungsanweisung, womit sie/er dein Bedürfnis erfüllen kann. 

In jeder Beziehung ist es sinnvoll und notwendig, diese Art von Bedürfnissen miteinander zu klären. In der Paarbeziehung werden Erwartungen an dem Verhalten des Anderen oft mit Bedürfnissen verwechselt. Daher bleiben wir oft an Erwartungen hängen, die/der Partner*in so aus seiner Beschaffenheit nicht erfüllen kann und erleiden damit immer wieder Enttäuschungen und Misserfolge. Um der Wirkweise von Mobbingverhalten in der Intimbeziehung zu verstehen, hilft das uns hier aber noch nicht weiter. Wie wir mit Erwartungen, unsere Eigenen und die des Partners am besten umgehen, erfahren wir in einem späteren Kapitel. 

Wenn ich mich als Mensch nicht würdig und anerkannt fühle, erhöht das die Tendenz andere zu mobbben (und umgekehrt). Folgende Sammlung von Bedürfnissen ist sicherlich nicht ganz vollständig. Ergänze sie nach Bedarf. 

Experiment

Liste die Bedürfnisse aus der hier dargestellten Sammlung, die dich ansprechen, auf. Ergänze die Liste nach Bedarf. 

Eine Auswahl an Bedürfnissen 

Abgrenzung

Absicherung

Achtsamkeit

Abwechslung

Aktivität

Akzeptanz

Alleinsein

Analysieren

Anerkennung

Anregung

Ästhetik

Aufmerksamkeit

Aufrichtigkeit

Augenhöhe

Ausgeglichenheit

Austausch

Authentizität

Autonomie

Bedeutung

Begeisterung

Bei mir sein

Beitrag

Berührung

Beschäftigung

Beständigkeit

Beistand

Bewegung

Bildung

Distanz

Disziplin

Ehrlichkeit

Eindeutigkeit

Einfachheit

Einfühlsamkeit

Einklang

Emotionalität

Engagement

Experimentieren

Entspannung

Erfolg

Erholungen

ernst genommen werden 

Familie   

Feiern 

Freizeit

Freundlichkeit

Frieden

Freiheit

Freizeit

Freude

Freundschaft

Fröhlichkeit

Fürsorge

Geborgenheit

Gelingen

Gemeinschaft

Genuss  

Gerechtigkeit

Gesundheit

Gleichberechtigung

Gleichgewicht

Glück

Harmonie

Herausforderung

Humor

Identität

Innerer Frieden

Intimität

Inspiration

Integrität

Klarheit

Kompetenz

Konflikte

Konfliktfähigkeiten

Kontakt

Kooperation

Kraft

Kreativität

Kultur

Lachen

Lebensfreude

Lebenserhaltungsfähigkeit

Lernen

Liebe

Leichtigkeit

Leidenschaft

Leistung

Mich selbst sein

Mitbestimmung

Mitgefühl

Muße

Mut

Nahrung

Natur

Nähe

Neugier
Nostalgie

Offenheit

Ordnung

Partnerschaft

Pflichtbewusstsein

Privatsphäre

Produktivität

Reinlichkeit

Respekt

Risiko

Rückmeldung

Rücksichtnahme

Ruhe

Sauberkeit

Schlaf

Schönheit

Schutz

Selbstachtung

Selbstbestimmung

Selbsterkenntnis

Selbstständigkeit

Selbstverwirklichung

Selbstvertrauen

Sexualität

Sicherheit

Sinn

Spaß

Spiel

Spiritualität

Sorglosigkeit

Spontaneität

Struktur

Teilhabe

Temperaturausgleich

Toleranz

Träumen

Trauern können

Unterhaltung

Unterstützung

Verantwortung

Vernunft

Verständigung

Verständnis

Vertrauen

Vorsorge

Wachstum

Weiterentwicklung

Wertschätzung

wirtschaftliche Sicherheit

Zugehörigkeit

Zusammenarbeit

 

 

Experiment

Dies ist eine Variation des Experiments im letzten Abschnitt. 

Jetzt geht es darum, mit den Worten aus deiner persönlichen Bedürfnisliste anerkennenden Sätze zu formulieren. Zum Beispiel: „Ich genieße an dir, dass du die Ordnung so schätzt!“ „Ich mag gerne deine Ehrlichkeit.“ „Dein Sinn für Spaß freut mich.“ „Ich erkenne dich an deinem Bewegungsdrang!“ „Deine Liebe zur Kultur zeichnet dich aus.“ „Dein Bestreben nach Frieden tut gut.“ „Deine Freundlichkeit tut gut.“ „Es ist mir kostbar, dass du nach Harmonie strebst!“ Wenn die Formulierungen das Bewusstsein des Werts der eigenen Bedürfnisse stärken, verbessern sie auch die Wahrscheinlichkeit, dass du dich für deine Bedürfnisse einsetzt. Bedenke, dieses Gespräch findet in den Gedanken oder auf einem privaten Dokument oder Bild statt. Gesundes Denken ist dialogisch, nicht monologisch. Hier trainierst du eine Interaktion zwischen dir, als Bedürfnisträger*in, dir als wertschätzenden Kommentator*in, und dir, als Beobachter*in des Gedankenablaufs.

Hier eine kleine Geschichte zur Grundbedürfnissicherung und Mobbing. 

Ich hatte mich bereit erklärt, das Kanarienvogelpärchen meiner Nachbarin für einige Monaten zu übernehmen. Die Nachbarin brachte sie in einen kleinen Käfig, der auf ein Din4-Blatt passte. In dem Käfig war eine Wasserstelle, eine Futterstelle, ein Nest, eine Schaukel, eine Schnabelwetze und viel mehr. Mir erschien das zu klein und ich hatte einen kleinen Wintergarten ums Eck zwischen zwei Fenstern gebaut. Er war voller Pflanzen, hatte einen kleinen Wasserfall mit passendem Teich. Die Nachbarin hatte mir erzählt, dass das Männchen "böse" sei. Er bekäme immer wieder ein Rappel, attackiere das Weibchen und hacke ihr die Federn vom Kopf. Sie gab mir ein kleines "Chicken McNuggets"-Schächtelchen und meinte, ich soll ihn dann fangen und zur Strafe dort schmoren lassen. Ich dachte mir: kein Wunder! Der Platz ist zu klein. Also habe ich die beiden in meinen Wintergarten umgesiedelt. Sie erlebten es offensichtlich als Paradies und machten einen sehr zufriedenen Eindruck. Bald fingen sie auch an, Babys in der Welt zu setzen. ABER das Mobbing-Verhalten des Männchens hörte nicht auf. In Fachbücher und Fachläden lernte ich, dass es kein natürliches Verhalten sei, sondern einen Ausdruck von einem elementaren Mangelzustand. Ich probierte es mit aller Art Spezial-Futter und testete jeden Vorschlag der Fachleute aus.  Es half alles nichts. Eines Tages, als er gerade dabei war, sie wieder zu jagen und blutig zu hacken, wechselte ich aus Ohnmacht das Wasser in dem Miniteich. Wie in einem Zeichentrickfilm, bremste er mitten im Flug, stürzte sich in das Wasserbecken und badete ausführlich. Hinterher war fast kein Wasser mehr drin und das Wasser des Wasserfalls spülte den Dreck und die Federn, die er hinterlassen hatte, nicht ausreichend weg. Das Becken wurde wieder voll, aber nicht wirklich sauber. Die Vögel tranken vom Wasserfall aber nicht das Wasser aus dem Becken. Das Weibchen badete ganz selten.  Aber er badetet 2-mal am Tag, wenn er sauberes Wasser hat. Ich achtete darauf dann 2-mal am Tag sauber Wasser hinzustellen und das Weibchen bekam einen prächtigen Kopf voll Federn. Das Baden war bei ihm ein elementares Bedürfnis.

Ein norwegische Sprichwort sagt:

Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse,

aber nicht für jedermanns Gier.

Original: Verden har nok til alle, men ikke

til aller grådighet

„Die Welt“ nach diesem Sprichwort ist eine Welt, die Naturgesetzen verfolgt. In der ersten Phase der Corona-Pandemie wurde es deutlich, wie unzulänglich Konkurrenz und hierarchisches Denken für die Lösung des Problems ist. Kollaboration zwischen Wissenschaftlern, Politikern und Bevölkerung haben weltweit die besten Lösungen produziert. Jede Gruppierung, aber auch jedes Individuum hat deutlich unterschiedliche Bedürfnisnisse, Erfahrungen, Eigenschaften und Perspektiven in die Diskussion eingebracht. Die Diversität der Menschen kombiniert mit deren Kollaboration führen zuverlässig zu den besten Leistungen. Denn Konkurrenz ist ein Kulturprogramm, das den biologischen Kooperationsimpuls unterbindet. Es sei denn, das Kulturprogramm wird – durch eine Krise oder durch eine Entscheidung - außer Betrieb gesetzt.

Experiment

In den nächsten Tagen notiere einzelne Eigenschaften und Vorlieben an deine*n Partner*in und sage im Innern, oder laut - so häufig es möglich ist: „Ja, das ergänzt sich mit mir ganz gut.“ Beobachte, wie das sich anfühlt!

Die Bedürfnis-Pyramide von Maslow hat immer noch große Gültigkeit, um menschliche Bedürfnisse zu erklären. Sie orientiert sich an Beobachtungen unserer Stammesentwicklung und am Vergleich verschiedener Kulturen. Da vieles von dem, was wir im Alltag "Bedürfnisse" nennen von einer Wirtschaft erzeugt worden ist, die gerade zusammenbricht, macht es mehr Sinn, wenn wir uns hier auf kulturübergreifendes Grundwissen stützen.

Es herrscht relative Einigkeit über die biologischen Grundbedürfnisse des Menschen: saubere Luft (Atmung), warme Kleider (Temperaturreglung), sauberes Trinkwasser (Flüssigkeitssicherung), Lebensmittel (Energieversorgung), Ruhe und Regeneration (Schlaf und Entspannung). Bedenke, dass die Verdauung aber auch dazugehört! Insbesondere Menschen, die unter Verstopfung leiden, haben das Bedürfnis, leicht, regelmäßig und schmerzfrei, den Darm zu entleeren.

Experiment

Nimm einen Aufgabentyp, der dir liegt: z.B. Suduko, Kreuzworträtsel, Socken sortieren, Lied singen und führe sie durch, wenn du müde, hungrig, durstig bist, es dir zu heiß oder zu kalt ist. Des Experiments wegen kannst du gar ein Tuch über Nase und Mund binden, sodass das Atmen schwerfällt. Mit einem Timer notiere die Zeit, die du brauchst, die Sache gut zu machen. Wiederhole dann den gleichen Typus Aufgabe, wenn alle deine körperlichen Grundbedürfnisse erfüllt sind und notiere auch da die Zeit. 

Sind die Bedürfnisse der untern vier Ebenen der Pyramide nicht erfüllt, können leicht "höhere" "fein-stofflichere" Bedürfnisse ins Hintertreffen geraten. Andererseits aber wenn unsere Grundbedürfnisse abweichen von der gesellschaftlichen Norm und deswegen nicht befriedigt werden, spielen sie dann doch eine Rolle. Sie machen uns dann unzufrieden und unkonzentriert. Unterschiedliche Schlafbedürfnisse, die von Schul- oder Arbeitszeiten abweichen, sind hier ein weit verbreitetes Phänomen. 

Nach den oben genannten Grundbedürfnissen werden oft weitere Bedürfnisse nach Bewegung, Berührung, Sonnenlicht und gar Fortpflanzung genannt. Obwohl wir alle die gleichen Grundbedürfnisse haben, ist die Kombination und Ausprägung bei jedem Individuum unterschiedlich. In einer Gesellschaft, die Homogenität anstrebt und hierarchisch geordnet ist, sind aber individuelle Unterschiede nur begrenzt gesellschaftlich akzeptabel. Die Bedürftigkeit erzeugt einen unterschwelligen, unterbewussten Gram, der es leicht macht, anderen auch noch Grimm zu verpassen. Außerdem dämpft er die Fähigkeit, Dinge aufzunehmen und mitzuschwingen.

Experiment

Mach dir eines der Bedürfnisse von deiner persönlichen Liste bewusst, das bisher nicht ausreichend erfüllt ist, kurz bevor du die Tagesnachrichten liest oder hörst. Prüfe hinterher, wieviel du von den Nachrichten wirklich verstanden hast. 

Mach dir ein eines der Bedürfnisse von deiner persönlichen Liste bewusst, das bisher relativ gut erfüllt ist, kurz bevor du die Nachrichten liest oder hörst. Prüfe hinterher, wieviel von den Nachrichten du wirklich verstanden hast. 

Auf der Ebene der Sicherheitsbedürfnisse spielen körperliche Sicherheit, sicherer Wohnraum und eine gesicherte Existenz (Einkommen) eine wichtige Rolle. In der Partnerschaft können unterschiedliche Erwartungen und Bedürfnisse das Wohlbefinden in einer schädlichen Schieflage halten, die durch abwertende Kommunikation noch verschärft wird. Bei einem Intimpaar spielen auch Kommunikations- und sexuelle Bedürfnisse eine maßgebliche Rolle. Kommunikation wirkt sich genauso auf den physiologischen Zustand aus wie sexuelle Interaktion – schädlich oder gedeihlich. 

Experiment

Notiere für dich selbst, an welchen Punkten deine Sicherheitsbedürfnisse nicht ausreichend befriedigt sind. Stell dir vor, wie du dir einen dieser Punkte als Testphase für dich gedanklich vornimmst. Es geht darum, das mit deinem Partner so anzusprechen, dass er sich nicht nur nicht angegriffen fühlt. Sondern Ziel ist, dass er dein Anliegen versteht. Es empfiehlt sich, die vorgestellten Gesprächsbeiträge aufzuschreiben, weil das Gehirn zu Wiederholungen neigt und leichter in der Interaktion mit dem Schriftlichen Änderungen vornehmen kann. 

Bedenke, dafür ist es auch sinnvoll in den Gedanken, die Rollen zu wechseln. Eine brauchbare Vorgehensweise ist es erstmal, die eigene Position klar zu formulieren. Erst die eigene Position ein paarmal durchlesen und verfeinern, bis es klar das eigene Bedürfnis vermittelt. Dann wechsele in die Rolle in die deines Partners. Dieser Rollenwechsel verbessert die eigene Elastizität des Denkens, die eigene Intelligenz, aber auch die Erfolgschancen des Einsatzes. Das heißt konkret, stelle vor, wie dein Partner ist – ein guter Kniff ist es, sich vorzustellen, ein typisches Stück Kleidung des anderen zu tragen, um auf der Bühne meiner Gedanken, in dessen Rolle zu schlüpfen. Prüfe, wie verständlich, das, was für dich schlüssig ist, aus dessen Perspektive ist. Notfalls ändere deinen Text, um verständlicher zu werden. Nach ein paar Tagen, prüfe wie gut das Gespräch für dich in der Realität dann laufen würde. Spreche das Thema nur dann an, wenn du dir ziemlich sicher bist, dass es in der Form der Beziehung guttut. 

Auf der Ebene der sozialen Bedürfnisse wird es immer problematischer für den Mobber, der verquickt ist in hierarchischem Machtglauben. Kommunikation, Partnerschaft, Familie, Freundeskreis und Sexualität werden innerlich zensiert, im Dienst der Machtklärung. Nimmt er oder sie eine Haltung auf Augenhöhe ein und kann dies mit anderen teilen, sieht die Lage sehr viel erfreulicher aus! Beim hierarchischen Denken sind meine Möglichkeiten, die Intelligenz der Gruppe in meine Problemlösungen miteinzubeziehen, sehr begrenzt. 

Die sogenannten "höheren" Ziele oder Bedürfnisse des Menschen sind individuell auch unterschiedlich wichtig für das Verhalten in einer Liebesbeziehung. Fühl ich mich nicht wirklich "berechtigt", meine Individualität, meine Kreativität, die Erforschung und Verwirklichung meiner Talente und meine Einzigartigkeit oder gar mein Streben nach Vollkommenheit, Erhabenheit oder Göttlichkeit nachzugehen, dann bin ich gefährdet, meine Unzufriedenheit an meinem Partner auszulassen. Fühl ich mich zu Transzendenz berufen, befinde mich aber in einer Gemeinschaft, die an so etwas nicht glaubt, ist die Gefahr, dass mir dann Schaden egal ist, möglicherweise gegeben. 

Es wäre naiv, den Abschnitt über die Bedürfnisse abzuschließen ohne zwei Aspekte der Sucht zu berücksichtigen, der Adrenalinstoß (Kick) und die Betäubung. 

Jeder Mensch ist ganz einzigartig auch in jedem körperlichen Detail beschaffen. Menschen, deren Gehirn den Botenstoff Dopamin schlecht verarbeitet, fehlen ausreichende Glücksgefühle. Diese Menschen sind besonders anfällig für alles, was einen Adrenalinstoß - den sogenannten Kick - auslöst. Bekannt ist das Phänomen bei Sportlern – insbesondere bei Extremsportlern, bei Computerspielsüchtigen (Gamern) und einem bestimmten Typus Drogenabhängiger. Dieser Kick ist ein plötzlicher, von Adrenalin erzeugter, gesteigerter Zustand des Lustgewinns oder des Glückgefühls. Wer dafür anfällig ist, sucht Aktivitäten, die den Kick auslösen. Mobbing kann (muss nicht) eine dieser Aktivitäten sein. Ein gesellschaftliches Paradigma, das Anspannung und körper-eigenes Adrenalin zur Leistungssteigerung bei linear zu lösenden Aufgaben nutzt, befriedigt eine solchen Veranlagung im Alltag. Wenn du zu diesem Typus gehörst, dann ist es besonders wichtig, dich in Aktivitäten zu engagieren, die spürbare Glücksgefühle erzeugen. Eventuell magst du zu deinem Bedürfniskatalog Aktivitäten, die mit Mutproben einhergehen, dazunehmen. 

Andererseits haben manche Menschen mehr Antennen als andere Platz haben, um sie aufzustellen! Es gibt viele Formen der Sensibilität. Grundsätzlich fordert eine hohe Empfänglichkeit für Information aus der Umwelt, eine hohe emotionale Kompetenz. Das alte Paradigma schätzt aber Menschen, die die Komplexität des Lebens wahrnehmen, nicht. Dazu kommt, dass eine machtorientierte Gesellschaft gezielt Emotionalität unterdrückt. Hoch-sensible Menschen können sich schwer schmal-spurig auf eine einzige Aufgabe konzentrieren. Im alten Paradigma war es besser, sich zu verstecken oder selbst zu betäuben, wenn man so veranlagt war. Alkohol, Rauchen, Drogen, stumpfsinniges Konsumieren – all das wirkt betäubend. Auch die Schönheit des Liebsten zu verschmähen, bedeutete, dass die freudige Erregung nachlässt. Freude an der Vielfältigkeit des Lebens zu entwerten, betäubt auch. Wenn ich nicht damit rechnen kann, dass meine Bedürfnisse gewürdigt und erfüllt werden, dann wird immerhin mein Sicherheitsbedürfnis durch Betäubung erfüllt.

Zum Glück fordert das neue Paradigma des Kollaborierens auf Augenhöhe jeden Menschen - egal wie simpel oder komplex gestrickt. Durch den Aufbau eines gesunden Selbstbewusstseins kann jeder geschmeidiger und kompetenter die Gefahren des Lebens handhaben und das Gedeihen von sich und anderen fördern.

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