Blog: 14.3.21

Corona Blues - Lieblosigkeit zur Zweit

Neuerdings sind unzählige Paare in ihren Wohnungen mit Home Office den ganzen Tag zusammen.  In unserer Kultur haben die wenigsten von uns gelernt, dabei auf einen gesunden Abstand zu gehen. Einerseits leiden wir kollektiv an Einsamkeit – auch in der Paarbeziehung, andererseits fühlen wir uns oft einander „zu dicht“. Liebloser Umgang mit sich und den anderen wurde uns seit Jahrtausenden vorgemacht. Lieblose Umgang führt zu einer Unterdrückung der gesunden Bedürfnisse und somit zu einer fast zombihaften Fähigkeit im System zu funktionieren. Lieblosigkeit im Umgang erzeugt mehr Enge, weil die womöglich erhöhte beidseitige Emotionalität bindet. Liebloser Umgang miteinander erzeugt Abstand, weil eine Angst vor Nähe entsteht.  Er kann aber auch eine Nähe der Paar-eigenen – sehr anstrengenden- Codes sein. Die Zeit ist reif für eine Veränderung!

 

Du sitzt vor deinem Computer im Home-Office und dein*e Partner*in streichelt deine Haare im Vorbeigehen.  Du könntest schreien!  Es ist dir zu dicht.  Es lenkt ab! Du brauchst Raum für dich und Abstand, um ihn/ihr zu begegnen.  Was tun?  Sich trennen, sobald Corona nachlässt und es möglich ist? Du bekommst eine Liebkosung und reagierst mit Mord-Gedanken!  Was bist du für einen Monster? 

 

Unter welche Bedingungen und innerer Haltung wirkt eine Liebkosung wie eine Lieblosigkeit? Wenn ich meinen eigenen Raum und die Freiheit, Abstand von dir zu beanspruchen, nicht gewährt bekommen, wie ich es brauche, ist eine Liebkosung übergriffig.  Wenn ich in meiner Autonomie nicht wahrgenommen und respektiert werde und gar das Gefühl habe, dass du mich nicht genießt, liebst und begehrst, wenn ich „mein Ding“ mache, dann fühl ich mich wie ein Teddybär von dir oder sonst ein Objekt deiner Bedürfnisse und nicht mit dir auf Augenhöhe. Ist meine Autonomie nicht ausreichend entwickelt, kann es sein, dass ich dich auch als Teddybär oder Objekt meiner Bedürfnisse erlebe.  Das kann vorübergehend ein anregender Handel sein. Das Resonanzfeld einer Paarbeziehung verkümmert aber und ist von reinem Magnetismus oder Konsumverhalten überlagert. 

 

Angenommen, das oben beschriebenen Corona-Problem ist nur oberflächlich. Dann helfen klare bisher noch nie notwendige räumliche und praktische Spielregeln. Trennwände, Vorhänge, Lärmschutzkopfhörer, Sichtrichtung, zeitliche Absprachen des Kommens, Gehens und Ansprechens sind einige Beispiele. Vereinbart „Betriebsgespräche“, um gemeinsam Regeln und räumliche Ordnungen respektvoll zu klären. 20 bis höchsten 90 Minuten in der Woche ist eine bewährte Zeiteinteilung für solche Gespräche. Folgender Ablauf ist sinnvoll: Erst benennt jede*r, was gut funktioniert.  Dann wird gesammelt, was Spannung erzeugt. Dann -ohne Wertung- werden Lösungsvorschläge gesammelt. Erst im nächsten Schritt werden erfolgversprechende Änderungen praktisch aufgeschlüsselt und einen klaren Zeitplan für die Umsetzung festgelegt. Wenn die Besprechung beendet ist, wird eine Umarmung ausgetauscht, der Platz umgeräumt und/oder sonst wie die Besprechung klar beendet. 

 

Jedes Paar besitzt eine Art Energiefeld zwischen den Individuen, das aus Anziehung, Liebe, Fürsorge, Magnetismus, Zugehörigkeit, Interesse aneinander und der gemeinsamen Geschichte besteht.  Man nennt es oft auch "unsere Liebe". Ich nenne diese dritte Einheit ihr gegenseitiges, persönliches "Resonanzfeld".  Es kann vielleicht mit Musik verglichen werden. Als solches ist es vielleicht das gemeinsame Lied.  Momente der Uneinigkeit kommen vor.  Das ist ein Teil des Lebens. Wenn es aber kein Moment ist, sondern ein wiederholtes Rütteln an den Nerven und damit an dem gemeinsamen Lied, dann sollte etwas dagegen unternommen werden. Solche Dissonanten entstehen meist dann, wenn einer oder beide der Beteiligten unter einer Kombination aus kurz- und langfristigem Stress stehen. Wenn es aber passiert, hat es Auswirkungen auf die Kinder oder Haustiere, falls es sie gibt, aber in erster Linie wirkt es sich negativ auf dieses gemeinsamen Resonanzfeld aus.  Es besteht die Gefahr, dass die "Liebe" verkümmert und/oder von reinem Magnetismus oder Konsumdenken überlagert wird, um den Schmerz nicht zu spüren. 

 

Um sich geschmeidig in der Paarbeziehung individuell zu entfalten und das Bündnis vergnüglich zu gestalten ist sowohl Autonomie des Einzelnen, als auch die Förderung des gemeinsamen Resonanzfeldes gedeihlich. Autonomie entwickelt sich in der Kindheit, wenn das Kleinkind einerseits jederzeit Nähe, Schutz und Zuwendung beanspruchen kann, wenn es das subjektiv braucht. Andererseits darf es in Freiheit seine Umwelt so selbständig erforschen, wie es sich zutraut – ohne Einmischung eines „Erwachsenen“. Später im Leben ruht derjenige in sich, der sich mit liebevoller Selbstfürsorge und Erregung erzeugendem Abendteuer abwechselnd versorgt hat. Wer aus seiner autonomen Mitte handelt, ist nicht übergriffig beim Anderen. Es sei denn aus Gewohnheit – aber das besprechen wir später! 

 

Die Paarung erzeugt eine besondere Form des Resonanzfeldes zwischen den Individuen.  Dieses energetische „Dritte Wesen“ wird sowohl durch physische, emotionale und geistige Begegnung genährt und geschützt, als auch mit Distanz, Vertrauen und Belastung zur Entfaltung und Entwicklung angeregt. 

 

Der Ton in der Liebesbeziehung war roh aber herzlich. Maria hat aber durch Yoga-Kurse und Lesen eine Abwehr gegen Lieblosigkeit im Umgang entwickelt. Tom rechnet gar nicht damit, dass sie zunehmend verletzt auf seine abwertenden Witzeleien reagiert. Eines Tages bricht sie in Tränen aus und will sich deswegen trennen. Tom versteht die Welt nicht mehr.  Er verstärkt seine abwertenden Bemerkungen, um ihr zu zeigen, wie harmlos sie sind. Der Effekt ist das Gegenteil. Maria zieht erstmal zu einer Freundin. Tom fühlt sich gekränkt und unfair angeklagt. Durch den Sicherheitsabstand und die Fürsorge, die Maria bei ihrer Freundin erfährt, traut sie sich, sich mit Tom zu verabreden.  Er ist noch sehr verletzt. Sie geht liebevoll mit ihm um UND als er sich entspannt und den ersten abwertenden Witz auf ihre Kosten macht, erklärt sie ihm, dass sie genau das nicht mehr erträgt.  Er versucht sich zu verteidigen.  Sie stellt seine Motive gar nicht in Frage, sondern beharrt darauf, dass sie es nicht mehr verträgt. Beim nächsten Witz, formuliert sie ihn um, nach den Formel, wenn ich dich richtig verstehe, bedeutet Nähe für dich das Recht mich schlecht zu machen. Richtig? Er stutzt. Bei seinem nächsten Witz verlässt sie erstmal den gemeinsamen Raum.  Die Anziehung ist aber wahrhaft und das Paar entwickelt sich weiter in den nächsten Begegnungen bis sie wieder nach Hause zieht. 

 

Lieblosigkeit ist ein Überbleibsel eines Zeitalters in dem Hunger, Krieg, materielle Not und physische Gefahr geherrscht hat.  Global aber behalten die meisten Menschen Umgangsformen bei, die aus der Zeit kamen, in der Anstrengung und grobes Benehmen der Bewältigung der materiellen Grundbedürfnisse dienten und liebevoller Umgang untergeordnet war und in vielen Haushalten kaum praktiziert wurde.  In Mangel einer Kultur des achtsamen, liebevollen, kooperativen Umgangs, werden die Verletzungen, die emotional entstehen, wenn Not nicht vorherrscht, durch Konsum und vergnügungsorientierten Ablenkung betäubt statt geheilt. Dadurch dass Corona-Bewältigungs-Maßnahmen solche Ablenkung unterbindet, sind wir mit der Entwicklung sinnvoller Lieblosigkeit-Bewältigungs-Maßnahmen konfrontiert! Es reicht nicht, dass das „Wasserman Zeitalter“ angebrochen ist oder dass Kooperation, Diversität und Inklusion Schlagwörter geworden sind. Die Angst vor Veränderung treibt furchtbare Blüten auch in den Paarbeziehungen, im sozialen Leben und in der Politik. Liebevoll ist nur der/diejenige, der/die sich durchlässig und angstfrei in der neuen Welt bewegen kann. Eine gesunde Gefühlspalette, die aber nicht verstanden und kompetent gesteuert, sondern unterdrückt oder in unbändige Spannung mundet, erzeugt Lieblosigkeit mit sich und andern, sowie aller Art psychischer und körperliche Krankheiten. So ist der Basiskompetenz in der neuen Zeit, mit oder ohne Corona, die Fähigkeit überschüssige körperliche Spannung aufzufangen, loszulassen, oder abzuschütteln, sodass jede*r von uns sich aufrichten kann, um den jeweiligen Sinn und Zweck unserer Gefühle zu verstehen und intelligent als Handlungsimpuls zu integrieren. Somit wird ein großer Schritt zum eigenen Wohl, zum Wohl der Beziehung und der der Gemeinschaft beigetragen. 

 

 

 

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