9) Ausblick - Integrierte Intelligenz in der Paarung

Der Sinn der Sache / Die Aufgabe der Fantasie / Denkansätze / Überblick / 

1. Der Sinn der Sache

Die Sinnesorgane sind die Basis für jede Form von Kommunikation und Interaktion, die wir als Lebewesen brauchen. Wie gut sie uns dienen ist einerseits abhängig davon, wie gut wir sie mit einer vitamin- und mineralienreichen Ernährung versorgen und andererseits, wie sehr wir sie beachten. Der Sinn des Lebens ist zu Gedeihen. Sonstige Ziele sind Beiwerk zum Gedeihen. Frieden bedeutet, dass alle Beteiligten gedeihen und in regen Austausch miteinander in den Diensten des Gedeihens sind.  Konflikte, Probleme, Aufgaben, Herausforderungen, Perspektivenwechsel, und Verständigungsfähigkeiten tragen alle zum Gedeihen bei. Wenn du so harmonisch, wie möglich in deinem Körper lebst, sauber durch deine Sinnesorgane wahrnimmst und lebendig das wahrgenommene so verarbeitest, dass dein Handeln deinem Gedeihen dient, dann erfährst du Freude, Dankbarkeit und Liebe, so wie von den Naturgesetzen vorgesehen ist.  Aufgerichtet und empfänglich für die Umwelt und handlungsfähig fühlst du dich lebendig.  Augenhöhe!

Das Wahrnehmen ist in einer Kultur, die behauptet "ich denke, also bin ich" sehr ins Hintertreffen geraten! Wahrnehmen ist aber der Basis für intelligente Interaktion mit der menschlichen und sonstigen Umwelt.  In einer Leitkultur, die alles wertet nach materiellem Gewinn und Machtstellung, ist sowas wie "kritisches Wahrnehmen" ein übliche, vorgegebene Verwertungsvorgang. Kann ich das Wahrgenommene was abgewinnen, weil es mir nutzt oder Behagen bereitet?  Kann ich mit Kritik an der Wahrgenommener mir Machtvorteile sichern? Wo stehe ich in der Hackordnung in Vergleich zum Wahrgenommenen? Wer durch solchen Filter wahrnimmt, kann schlecht kapieren, wie das Wahrgenommene sinnvoll - im Dienste von Gedeihen, Schadensvorbeugung oder Kollaboration - eingesetzt werden kann. 

Hier geht es um zwei Arten des Wahrnehmens. Unsere Wahrnehmungsorgane sammeln Information vom Außen und das Gehirn speichert und verarbeitet das Wahrgenommene, um es für intelligentes oder gar kompetentes Handeln bereit zu stellen. Dazu kommt, dass unseren inneren Sinn unseren Zustand, Haltung, Gleichgewicht, Integrität, Authentizität, Irritation, Gefühls- und Bedürfnisse und unsere Position zum äußerlich Wahrgenommenen identifiziert. 

Wer Dirk und Hanna zusammensieht, weiß, dass sie ein Paar sind. Ihr Energiefeld ist physisch spürbar.  Sie kamen zu mir, weil sie sich gegenzeitig fast nur noch verbal zerhackte.  In der ersten Sitzung waren sie schwer zu bändigen, denn sie nahmen jede mögliche Gelegenheit, den anderen schlecht zu machen und zu verletzen. Der Kampf ging hauptsächlich darüber, wer durch den anderen mehr verletzt wird. Erste therapeutische Aufgaben drehten sich darum, räumlich und zeitlich Abstand zu gewinnen und konkrete Streitspielregeln zu erarbeiten. Über ein Paar Sitzungen kamen dann Wertschätzungsaufgaben und Atmung-Synchronisation dazu. Es ging ihnen besser.  Ihnen gelangen die Kinderbetreuung, Finanzierung und Umgang mit den Großfamilien zunehmend besser. Intimität kam aber noch nicht in Frage. Seitdem sie getrennt schliefen, war jeder mehr ausgeschlafen.  Dirk kommentierte, dass ihm besser auf dem Gästebett ging, weil das Schlafzimmer sich nicht richtig anfühlte.  Statt sich aufzuregen – wie früher üblich war -, fragte Hanna, wie das sein könnte, da er es nicht nur miteingerichtet hat, sondern einige Möbelstücke sogar selbst gezimmert hat. Er zuckte mit den Schultern. Ich bemerkte, dass manche Menschen Erdverwerfungen und Wasseradern spüren.  Plötzlich wurden beide lebendig!  Sie diskutierten mit relativ wenig Intervention von mir, wie das Problem praktisch, magisch, energisch, psychologisch gelöst werden könnte.  Mir kamen Tränen, denn ich hatte vor mir ein Liebespaar auf Augenhöhe, die hoch-differenziert ihren jeweiligen Sinneswahrnehmungen als Basis für intelligente, kreative, lebendige Lösungen für das Schlafzimmerproblem nutzten. 

Die Intelligenz der Wahrnehmung und der Kinästhetik wird in den ersten beiden Lebensjahren angelegt.  Wenn ein Kind "art-gerecht" in diese sensorisch-motorische Phase der Entwicklung behandelt wird, lernt es seine eigene Wahrnehmung und motorische Fähigkeiten zu vertrauen und sein Handlungskompetenz darauf aufzubauen. Art-gerechte Umgang bedeutet, dass die Wahrnehmungen und Handlungen des Kindes bestätigt und in den Diensten seines Gedeihens geformt und gefördert werden. Ein art-gerecht versorgtes Kleinkind fühlt sich körperlich wohl.  Das Wohlbefinden ist auf diese Ebene der Intelligenz einer Art Ausgangsbasis für die zunehmend differenzierte Wahrnehmung. 

Inzwischen wissen wir, dass das Gehirn/ der Mensch mangelhafte Entwicklung später aufholen kann. Es macht Sinn, sich körperlich wohl mit Nahrung, Bewegung, Zustimmung, liebevolle Achtsamkeit und Kuscheln gründlich zu versorgen.  Ja, Kuscheln!  Umarmungen dienen eine stabile Sicherheitsgefühl.  Dehnen, Strecken, Kuscheltiere, Badewannen, bequemen Kleidern, die der Haut umschmiegt tun gut. Ruhige, liebevolle Klänge - die eigene Stimme, die wertfrei beschreibt, was wahrgenommen wird; schöne Musik zu wohlfühlen, angenehme Gerüche, gute Körperpflege, die Augen wandern lassen, Seufzen, Lachen, Lächeln, Summen, Singen... All das verstärkt das Vertrauen in die eigene Wahrnehmung und Versorgungsfähigkeit und ermöglicht das Nach-Innen-Schauen, um von den eigenen wahrgenommenen Zentrum mit der Umwelt auf Augenhöhe zu integrieren.

Aber es gibt noch einen Grund, sensorisch-motorisch sich gut zu versorgen! In einer Welt in der simpele, folgerichtige, Fleiß- Aufgaben mit Anstrengung und Konzentration gut gelöst werden können, trugen Anspannung und die Aktivierung von Adrenalin zu dem Erfolg. In einer Welt in der die Aufgaben immer komplexer werden und Tsunami-mäßig jeden von uns überschwemmt, führt Adrenalin, Anstrengung und Konzentration und schmalspurige, mittelmäßige Lösungen und eher zu Burn-Out. Nicht umsonst ist Wellness und Spiel ein wichtiger Teil der Thinktanks, der Start-Ups, und der heutigen Betriebsführungsfortbildungen. Das folgerichtige Denken reicht nicht mehr. Es gab schon immer das Phänomen der neuen Entdeckungen (Beispiele: Strom, Licht, Back Burning), die dadurch zur Stande kamen, dass das Parietallapppen des Gehirns wohl besonders angesprungen ist, und die Intelligenz und die Wirkweise eines Naturphänomens ganzheitlich begriffen hat. Neurobiologisch hängt diese Fähigkeit, ganzheitlich wahrzunehmen und zu begreifen, was das Wahrgenommene praktisch bedeutet und umzusetzen ist, von einem Teil des Großhirns, dem Parietallappen, ab. Er hat sich im Laufe der letzten paar Tausend Jahren bei den Menschen deutlich weiterentwickelt. Er springt aber hauptsächlich dann an, wenn das folgerichtige Denken außer Gefecht gesetzt wird.

Früher glaube man, dass nur Fortschritt Gültigkeit hat. Die Regression hat einen schlechten Ruf, besonders unter Akademiker.  Heute wissen wir, dass rückläufige Tendenzen ein Teil der Naturgesetze sind.  Sie erfüllen konkrete Funktionen im Sinne von Regeneration, Beruhigung von Übererregung, Entspannung und um sich neu zu orientieren. Geht man zurück auf eine frühere Gewohnheit obwohl sie schädlich ist, ist bestimmt Überforderung im Gange. Erkennt man das und kann der Druck aus der Situation nehmen, kann viel Gutes daraus entstehen.  Geht man „zurück“ auf eine Sanierung des Fundaments, kann eine Gebäude von Zerfall gerettet werden. Regrediert man auf einen Basisform der Intelligenz, die sensorisch-motorische Intelligenz, dann kann der Mensch, das Paar, die Gesellschaft, die Umwelt, sich regenerieren und einen erfolgversprechenden Neustart wagen. 

 In der Intimpartnerschaft ist die sinnliche, körperliche Begegnung auch eine wichtige Ausgangsbasis für Teamarbeit auf Augenhöhe. Die Fähigkeit innerlich und in Umgang auf das sinnlich-körperlichen wertschätzenden Umgang mit einander – auch mitten in einem Konflikt – sortieren sich die Kräfte neu, um differenzierter, friedlicher, kreativer, lebendiger Synthesen zu entdecken, die die Beteiligten wirklich befriedigen.  

Glückliche Liebe auf Augenhöhe ist für uns, die von einem abwertenden ausbeuterischen Minderwertigkeitsgefühl fördernden Kultur ein handwerkliches Projekt, das auf den Wahrnehmungssinne aufgebaut wird. Ist das Fundament gut und tragend, sind alle weitere Schritte erfolgversprechend.  Wertschätzung, Bindung und Lustgewinn sind für das Gedeihen primär erfüllbar und dienen als Basis für erfolgreiche Problemlösung in komplexen Zeiten. Orientierung und Kontrolle übernehmen die Steuer in der Not oder in den Dienst der Wahrnehmung in Friedenszeiten.  

2. Die Aufgabe der Fantasie

Als Kind habe ich erlebt wie meine Eltern gegenseitig sich und zwei von uns vier Kinder verbal zerhackt haben. Dabei haben sie sich spürbar zu einander hingezogen gefühlt. Einerseits hat mein Selbstwert deutlich und schwere Schaden davongetragen, die ich mühselig und Glück verheißend später entsorgen könnte. Andererseits habe ich mich als sechs/siebenjähriges Kind stundenlang in einem Schrank mit Decken eingeschlossen, um in Ruhe darüber zu versuchen einen Reim daraus zu machen. Dort im dem kuschligen Schrank habe ich mir vorgestellt, mal die eine, mal die andere Person zu sein, um raus zu kriegen, warum jemand so bösartige mit einem anderen Menschen spricht.  Damals hat mir die Beweggründe der Täter beschäftigt.  Ich merkte, wie man sich stärker fühlte nach bösartigen Einsätzen, wollte es aber nicht nachahmen, weil ich mich als Opfer nicht glücklich war und meinem Bruder auch nicht.  Warum der Täter sich schwach fühlte und daher diese Art von Stärkung brauchten, könnte ich erst viel später verstehen.  Aber das Thema beschäftigt mich seitdem.  Bei den Anti-Viet Nam Demonstrationen in meine Uni-Zeit ging es mir um Frieden. Das Lied von John Lennon „Imagine“ hat mich begleitet. Ich wollte ein Beitrag zu Frieden in der Welt leisten. Psychologie habe ich studiert, weil mir therapeutische Erfolge bei einer Zufallsarbeit mit geistig gestörten Kindern so leicht gelang und so sehr beflügelte. Ich wollte damals verstehen, warum ich erfolgreich war.  Wie habe ich das bewirkt? Auch diese Frage könnte ich erst im Laufe der letzten 40 Berufsjahren als Verhaltenstherapeutin so langsam beantworten. Sehr früh in Studium habe ich angefangen mit Paaren zu arbeiten.  Seitdem bin ich überzeugt, dass Paare die kleinste politische Einheit sind und verlagerte meine aktive politische Arbeit auf Heilung.

Nik und Jeannine sind nicht zu mir gekommen, weil sie sich gegenseitig gemobbt haben.  Letztendlich hat jede sich selbst gemobbt, was dazu führte, dass sie den Übergang von der Symbiotische Phase der Beziehung – was immerhin bei Ihnen 10 Jahre anhielt- zu der Differenzierungsphase nicht geschafft haben. Sie waren sehr unglücklich, davon sehr gestresst und sehr traurig, dass sie eigentlich nur Trennung als Lösung für den Stress und Unglück vorstellen könnten. Nik erlebte in Jeannine die Liebe seines Lebens, fühlte sich vollkommen von ihrer Zuwendung abhängig und lebte inzwischen in eine Art Dauerpanik, sie würde ihn verlassen, seitdem sie getrennte Arbeitsstellen haben und auch noch andere Beziehungen pflegte. Jeannine war der Sonnenschein ihrer Ursprungsfamilie, der Firma und seines Lebens.  Beide sind Hochleistungsmenschen, die sich in beruflichen Umfeldern bewegen, die hauptsächlich von Adrenalin leben. Selbstversorgung ist ein relativ fremdes Konzept.  Sie nahmen bisher nur Aktivurlaub. Jeannine fühlt sich am Rande von Burn-Out, weil sie nur noch „funktioniert“.  Er fühlt sich depressiv und ohnmächtig. Seitdem sie das Gefühl hat, nicht so zu funktionieren, wie Nik es braucht, zieht sie sich immer mehr von ihn zurück. Weil das wiederum ihn weh tut, zieht er sich zurück. Andererseits sind sie sich eindeutig beste Freunde und Seelenpartner. Es wurde für das Erste klare Wochenzeiten und Aktivitäten vereinbart, die sie guttun. Gespräche über die Beziehung würde auf die Therapiezeit begrenzt.  Jeannine zog vorübergehend in der Wohnung einer verreisten Freundin.  Sie berichteten in der nächsten Sitzung, dass die gemeinsame Zeit „himmlisch“ war.  Da beide so erschöpft waren und es keine Urlaubszeit war, sind sie im Wald geschlendert, haben einen Picknick und Nickerchen am See genossen und erlebte erstmalig miteinander eine regenerative, gelassene Zeit zusammen. Erst als er anfing, darüber nachzudenken, dass sie sich gleich trennen würden und sie alleine die Tür zu der fremden Wohnung öffnete, kam es die Trennung befremdlich und bedrohlich vor. Text, Fon, Video und spontanen Treffs blieben erfreulich. In der nächsten Sitzung erzählte ich von einem Tangopaar, die aus 5 Meterabstand perfekt, komplex und wunderschön mit einander tanzten, weil jede/r in seine eigene Achse und verantwortlich für blieb. Wenn jede/r von den eigenen Empfindungen über die schöne aktuelle gemeinsame Zeit erzählte, waren sie jeweils entspannt und gut zentriert – was ihnen nicht bewusst war. Dann mit Hilfe des Kippbildes aus dem 5. Kapitel übten sie mit Anleitung und die eigene Imagination in der Verbundenheit auf Augenhöhe unabhängig von physischer Nähe einschließlich den entsprechenden eigenen physiologischen Zustand einerseits zu tauchen.  Dann sich mit den jeweiligen Gedanken, die sie in Spannung setzen andererseits mittels Imagination einzutauchen. Die Hausaufgabe bestand jeweils die Übung immer wieder mal zu machen, bis sie leicht so leicht hin und her kippen können, wie bei dem Kippbild. 

Immer wieder begeistert mich die Wirkungsweise von dem menschlichen Gehirn. Der Präfrontaler Cortex ist das Verbindungsglied zwischen Wahrnehmung und derer emotionalen Interpretation in den Diensten des Verhaltens. Er gilt als Sitz der exekutiven Funktionen, die unsere Interaktion mit der Umwelt steuert und er arbeitet reziprok mit dem Limbischen System mit all seinem physiologischen Wirkungsareale.  Sie ist die Schaltstelle zwischen einer ausbeuterischen oder eine Kultur auf Augenhöhe.

Besonders interessant für mich ist die Gelassenheit und Handlungskompetenz, die wir durch unseren Präfrontaler Cortex haben.  Nik und Jeannine waren beide fasziniert von der Aussicht jeweils selbst auf Augenhöhe noch bessere Leistungen und ein positiver Einfluss auf ihre jeweiligen Arbeitsstellen zu haben. Es leuchtete sie schnell ein, dass und wie das geht, waren neugierig, wie leicht ihnen die Umstellung gelingt. Sie gingen Arm und Arm aus der Sitzung raus. 

3. Denkansätze

Sandra und James sind ähnlich intellektuell beweglich, wie Nik und Jeannine. Ihr Problem lag ganz woanders.  Sandra wurde als Kind und bis zur heutigen Zeit von ihrer Mutter insbesondere aktiv und massiv gemobbt -abgewertet.  Ihre Selbstwert hat sie in mühselige Kleinarbeit in einer Einzeltherapie aufgebaut, bis ihre Partnerwahl und berufliche Aktivität ihre gesunde Veranlagung entsprach. James kam aus einer liebevollen gebildeten Familie.  Er fand den Umgangston von Sandras Mutter unvorstellbar.  Erst über die Zeit lernte er Sandras Handhabung ganz zu vertrauen und sie nur zu befragen, wenn er wissbegierig war. Seine Vorstellung von Partnerschaft war von Leistungserwartungen und Vorbilder geprägt, die Sandra -mit ihrer Hyperempfindlichkeit dagegen, als potential minderwertiges Objekt und Rollenmaterial zu funktionieren- in Alarm setzte, trotzdem er es mit liebevollem, integrem und wertschätzendem Druck tat. Sie wiederum witterte Machtkämpfe und potentielle Misshandlung überall und neigte dazu eher gegen anzukämpfen als schweigend Stand zu halten. Eine vage Vorstellung von Augenhöhe hatten beide, ohne zu wissen, wie sie es greifen und umsetzten sollen. Sie lernten bei mir, regelmäßigen Teamgespräche (Betriebssitzungen) zu führen, in der sie für einander emotional transparent sich zur Verfügung stellten und streng Meinungen verbannten und Erwartungen entlarvten! So haben sie sich eine Gewohnheit der inklusiven Kommunikation miteinander angeeignet, die sie nicht nur ent-stressten, sondern auch beflügelten. Am Anfang fanden beide es schwer, Zeit für die Aufgabe zu nehmen.  Nachdem aber die Spielregeln des Gesprächs ihnen vertraut wurden, prägte die neue Kommunikationsform mit einander ihren alltäglichen Umgang.  Die verbesserte Kommunikation – auch in der Sexualität – ist für jede der beiden eine Energiequelle, die ihre jeweilige Arbeit auch zu Gute kommt. 

Das Denken, so wie wir es im Volksmund verstehen, entfaltet sich ab dem 6. Lebensjahr durch die Reifung der Stirnlappen im Gehirn.  Ab diesem Zeitpunkt ist es möglich zu lernen, wie Gefühle besser kontrolliert werden können, wie Bedürfniserfüllung hinausgeschoben werden kann und wie man sich gezielt konzentrieren kann. Die Worte im Kopf, die bei dem meisten Mensch dominant sind, entstehen durch die Verinnerlichung von gesprochenen Worten, die dann auch noch mit sinnlichen Erfahrungen verknüpft werden. Wir erleben das Denken meist unhinterfragt als folgerichtig.  In der Psychologie wird von „automatische Gedanken“ im Alltag gesprochen, die spontan und ungefragt unseren Köpfen füllen. Je nachdem wie ideal wir aufgewachsen sind, können sie schädlich oder förderlich für das Gedeihen wirken. Umgangssprachlich gehen wir beim Denken von geistiger Tätigkeit aus. Denken beansprucht einen großen Teil der real verfügbaren Energie, die der Körper durch Essen, Trinken, Schlafen, Frohsinn, und sonst wie aufnimmt. Es bearbeitet das Wahrgenommene, das Erlebte und das Gefühlte und versucht es kausal und folgerichtig zu ordnen. Seine Aufgabe ist es Erkenntnisgewinn (Ah! jetzt verstehe ich das!) und Erkenntnisnutzung (Folgerichtig handele ich entsprechend) zu schöpfen.  Es ist von Bedeutung, ob ich monologisch denke oder einen Sachverhalt aus verschiedenen Positionen bedenke. Denn die Stimmen und Positionen von anderen Menschen internalisieren wir automatisch.  In dem ich mir einen Sachverhalt aus unterschiedlichen Perspektiven vorstelle, bin ich in der Lage einen Sachverhalt differenzierter und intelligenter zu verstehen und zu behandeln. 

Die Fähigkeit, bewusst das Denken zu steuern, erlaubt mir wesentlich effektiver diese Ebene der menschlichen Intelligenz in den Diensten meines Gedeihens zu gebrauchen. Laufen die Gedanken sich selbst überlassen, automatisch und ungezügelt,  bin ich vollkommen abhängig von meiner Erziehung und Sozialisation. Ich vergeude meine Kraft und meinen Einfluss auf die Welt, wenn das, was ich von anderen aufgenommen habe, mein Gedeihen nicht fördert, sondern im schlimmsten Fall, mich zur Marionette der Zufall werden lässt.  Bewusst die Gedanken steuern zu können, ermöglicht wesentlich höhere Selbständigkeit, Freiheit und Wertschätzung. Gestaltung des Denkens ist eine wichtige Aufgabe des Lernens, der Entfaltung, der Differenzierung und der gedeihlich gelingenden Interaktion. Ob das Gelernten dazu führt, dass wir das Denken nutzen, um eine gute Lebensqualität zu sichern hängt also von vielen Faktoren ab aber in erste Linie von unserer Entschiedenheit, das Leben selbst in der Hand zu nehmen.  

Wie und ob ich über das Mobbing und das Gemobbt-Sein denke, bestimmt, wie ich damit lebe.  In einer Gesellschaft, die Druck, Einmischung und Abwertung als legitime Umgangsformen billigt, mache ich automatisch mit, wenn ich es nicht hinterfrage. Bin ich in der Lage, solches Verhalten – mein eigenes und das von anderen – zu hinterfragen in dem ich es aus unterschiedlichen Positionen betrachte und bedenke, gewinne ich die Möglichkeit das Verhalten zu beeinflussen. Mit dem Denken entscheide ich mich für ein bestimmtes Verhalten. Mit dem Denken lege ich die Handlungsmustern bereit, die für mich sinnvoll sind, um möglichst wenig Schaden und viel Freude aus meiner Lebenserfahrung zu ziehen. 

Carola und Bernard kamen zu mir auf dringendes Anraten von Freunde, die Angst hatten, sie können sich gegenseitig zerstören und die Musikgruppen in denen sie beteiligt waren mit in dem Abgrund ziehen. Sie waren miteinander jeweils in der zweiten Ehe verheiratet und hatten Kinder und Enkelkinder aus den vorigen Ehen. Sie bewohnten Bernards Haus. Ihre Beziehung war himmelhochjauchzend oder lebensgefährlich betrübt.  Carola war hochgradig feinfühlig und begeisterungsfähig. Ihr Geist suchte ständig nach Argumenten, um die Welt sinnvoll nach ihrer Wahrnehmung und Emotionen zu gestalten. Wenn ihre Argumente nicht reichten, setzte sie auf die Schleuderkraft ihrer Emotionalität. Bernard fand schwer Zugang zu unangenehmen Gefühlen, war gewohnt aus gefühlte, rechtfertigbare Hierarchien Partei zu ergreifen.  Er wertete automatisch sich und anderen ab, um das Vertraute zu sichern. Er neigte zu Dauerspannung, obwohl er inzwischen berentet war. Sie fühlte sich abhängig von seiner Anerkennung ihrer Bedürfnisse und Argumente.  Sein Spannungszustand wurde vollständig von ihrem Wohlbefinden gesteuert.  Er glaubte, so wie er ist, ist irgendwie nicht richtig.  Sie glaubte, dass Allerwelt, insbesondere er, sie und ihre Bedürfnisse als übertrieben und nicht anerkennungswürdig erachten.  Es ging tatsächlich um Existenzberechtigung in beide Fällen. 

Ist das Selbstwertgefühl beider Beteiligten mangelhaft kann das Paar sich verbunden fühlen, sich aber gegenseitig nicht nahrhaft beeinflussen oder sinnvoll lenken. Schwingt mangelhafte Wertschätzung mit, kann Augenhöhe nicht im Konflikt gehalten werden. Letztendlich ist die Fähigkeit zu „schätzen“, also wertschätzen, eine geistige Tätigkeit. Denken im Sinne von Kausalität und Folgerichtigkeit erkennen entfaltet sich bei Menschen um die Schulreife. Vorher kann ein Mensch seine Gefühle nicht über Denkprozesse lenken, sondern nur über Konditionierungsgesetze. Viele Menschen in unserer Kultur fühlten sich erstmalig ernstgenommen als sie die Aufmerksamkeit der Erwachsenen durch Argumentation für sich gewinnen könnten. Seitdem Kantischen Formel „ich denke, also bin ich“, sichert die Konstruktion von kausalen Denkketten ein Gefühl von Macht und Daseinsberechtigung. Aber abgelöst von Wahrnehmung und die Integration von der Intelligenz der Gefühle ist Denken in der Lage viel Unheil in der Welt anzurichten. 

Carola und Bernard lernten, die Wirkung ihrer Gedanken auf ihr eigene Wohl und auf ihrer Fähigkeit, Konflikte gemeinsam so zu lösen, dass ihre Liebe zunehmend – sogar in der Lösung von Konflikten - entspannt sich entfalten könnten.  Immer wieder in den Paarsitzungen ging es darum, die jeweilige Logik ihrer Gedanken einer Realitätsprüfung zu unterziehen und gemeinsam einer neuen Musik zu improvisieren.   

Gedeihliche Grundlinie in einer lebendigen glück bevorzugenden Gemeinschaft ist eher „wow, du bist bezaubernd und regst mein Interesse immer wieder neu an“.  Diese Grundlinie gilt nicht nur für meine externe Interaktionen.  Gesunde Gedanken widerspiegeln Dialoge und Gruppengespräche. Monologische Gedanken dienen Selbstmobbing, Anweisungen oder Mobbing-Blocker, wie Affirmationen, Gebetsmühlen oder Lieder im Kopf.  Botschaften der Wertschätzung, die auch empfangen werden, wirken gedeihlich.  Je glaubhafter und vertrauenswürdiger sie sind, desto lebendiger die Interaktion. Sie versinnbildlichen ein Echo oder ein Spiegelbild meiner Selbst als Ganzes, mein Wesen unabhängig von meinen Taten und Leistungen. Wertschätzung vermittelt Respekt und Wohlwollen, Zugewandtheit, Interesse, Aufmerksamkeit und Freundlichkeit. Das nährt Selbstbewusstsein, Selbsteinschätzung und meine Fähigkeit, mich selbst zu trauen und Risiken einzugehen.  Ich kann durch ehrliche Wertschätzung, mich besser spüren und somit wiederum einbringen.  Dazukommt, dass Wertschätzung meine Fähigkeit, meine Handlungen kompetent zu gestalten und Verantwortung für mein Tun zu tragen.  Es verstärkt meine Beziehung und Vertrauen in mir selbst und zu dem Botschaftsträger. Außerdem ist Wertschätzung ansteckend.  Es ist möglich ein Mobber als Mensch, Wesen und Geliebter zu wertschätzen, und trotzdem eindeutig mich von seinem schlechten Benehmen abzugrenzen.  Es ist möglich ein Opfer als Mensch, Wesen und Geliebter zu wertschätzen und trotzdem manchmal ihn als Objekt meiner Angriffe zu misshandeln.  Wir befinden wir uns ständig in einem Wandlungszustand. Das Gute steht für sich.  Das Schlechte stellt uns vor einer Aufgabe. Je mehr ich Wertschätzung als Grundhaltung meines Denkens praktiziere, desto eher bin ich in der Lage, mich selbst integer und authentisch einzubringen. Interessanterweise können Intim-Mobber oft, Wertschätzung für ihren Liebsten außerhalb der Beziehung zu den Liebsten formulieren. Sie zweifeln oft - nicht immer- an ihren eigenen Wert und projizieren Sie ihre Kritik an ihre "Bessere Hälfte" innerhalb der Beziehung. Leider ist das keine gedeihliche intra- oder interpersonelle Kommunikation. 

Der denkende Mensch ist ein Gewohnheitstier. Wiederholungen führen zu der Bildung von Synapsencluster im Gehirn, die dann automatisiert, wie Algorithmen, als eine Art eindeutige Handlungsvorschrift für den Umgang mit einem Sachverhalt wirken. Diese Anweisungen sind immer wiederholte Sätze im Kopf. Es geht nicht um ihren Wahrheitsgehalt oder Wirkerfolg, sondern schlicht darum, wie häufig sie -im Kopf- wiederholt werden.  Das Erkennen ihrer Zweckmäßigkeit ist ein erster Schritt, sie zu modellieren, um das Gedeihen zu sichern. Willst du eine hohe Stellung in einer Hackordnung, ist es sinnvoll, dich entsprechend zu gebärden. Du kannst dich dafür entscheiden, dir die konkreten Anweisungen einprägen und die wirksamen Gebärden einüben. Willst du aus deiner Mitte, die Welt aus Augenhöhe betrachten und behandeln, weil du überzeugt bist, dass die Ergebnisse für dein Wohl und die Effektivität deines Einsatzes besser sind als die hierarchischen Gewohnheiten, kann du dich dafür entscheiden und deine Gedanken und Gewohnheiten entsprechend umstellen. 

Denkgewohnheiten umzustellen ist reine Fleißarbeit.  Sie kann mit minimalistischer Energie kombiniert mit Sturheit, Beharrlichkeit, Leichtigkeit, Verspieltheit oder was auch immer dir persönlich entspricht.  Mit Druckerhöhung sind echte Veränderungen nicht zu machen, weil das Gesetz der Widerstand besagt, dass Druck Gegendruck erzeugt. Das Gehirn der Menschen ist einerseits anscheinend unendlich modulierbar. Der Mensch kann aufgrund seiner Lernfähigkeit sein Verhalten so verändern, dass er seine Lebenssituation und damit sein Wohlbefinden fortschreitend verbessern kann. Andererseits ist das Gehirn ein Gewohnheitstier, das brav das am häufigsten Gedankten auf Anhieb und automatisch produzieren kann.  Gute Denkgewohnheiten zu etablieren ist nicht nur möglich, sondern eine fortlaufende kreative Aktivität, der ganz nebenbei ständig im Alltag uns begleitet. Ich hoffe, dass der Kapitel zur Entschiedenheit, dir hilft, dich immer wieder neu dafür zu entscheiden!

Durch unser Denken pflegen wir eine Haltung zu uns selbst, zu dem Liebsten, zu den Anderen und zu der Welt. Kennzeichnend für eine Mobbing-Kultur ist die Gewohnheit, Druck zu produzieren, Druck zu erwarten und aus Druck zu handeln. Wie anders fühlt sich das Leben an, wenn wir uns für die Freiwilligkeit entscheiden! Tja, wie geht das denn, wenn wir mit Druck konfrontiert sind?  Denn Widerstand oder Kapitulation sind in der lebendigen Materie einprogrammiert!  Sie werden durch Ereignisse „getriggert“ und laufen oft reflexartig ab. Dies ist eine Variation von dem Phänomen des automatischen Denkens. Je mehr du innere Aufrichtung, Zentrierung, Lebendigkeit, Unabhängigkeit und Verantwortung praktizierst – sprich durch Wiederholungen einübst, desto weniger wirst du getriggert. Aber da wir in einer Kultur kommen und noch leben, die Druck erzeugt, ist es wichtig zu wissen, wie er -in den Diensten der freiwilligen Verantwortung übernehmen - zu entkommen ist.  Das Konzept von Distanzierung wurde in dem Kapitel 4) Umgang mit dem Mobber ausführlich behandelt. Da das Denken einer exekutiven Funktion des Gehirns ist, ist es sinnvoller sich durch eine Änderung des Blickwinkels sich zu distanzieren, als sich aus der Beziehung zu distanzieren.  Die entsprechenden Emotionen passen sich des Blickwinkels an. Somit ist eine Gewohnheit der Perspektivenwechsel ein wichtiges Werkzeug, um sich wirklich druckfrei und freiwillig zu entscheiden und zu handeln. 

Darüber hinaus ist die Gewohnheit, sich zu fragen, ob ich mit freudigen oder elenden Menschen zu tun habe und haben will, sinnvoller als die Frage, ob die Menschen gut oder schlecht sind.  So steuerst du vom Denken her, die Filter durch den du die Welt und die Menschen um dich rum wahrnimmst. 

Bei dem Ansatz „Augenhöhe“ bist du nicht abhängig davon, dass dein*e Partner*in mitmacht. Es gibt aber erfolgversprechende Vorgehensweisen, um ihn/sie für eine Kooperation oder gar Kollaboration im Glück zu gewinnen. Das Wichtigste ist Machtgehabe nicht mehr mit Energie zu belohnen und deine Aufrichtung und Wertschätzung nicht zu verlassen! Deine Gelassenheit und distanzierte, zugewandte Einladung, zum gemeinsamen Wohl zu kooperieren, ist Gold wert. Insbesondere wenn du es immer wieder wiederholst. Weiches Wasser bricht Stein! Das Leben pulsiert und auch die Bereitschaft, sich auf Neuen einzulassen, geschieht in mindestens zwei Takten. Wie ein Pferd in Galopp, gibt es eine Streckphase, in der eine Veränderung fast physiologisch unmöglich ist, egal wie gut die Beziehung ist.  In der zweiten Phase, die Sammelphase, in der das Pferd sich für den nächsten Sprung vorbereitet, ist es sehr einfach über die Verbundenheit auf einen kollaborativen neuen Sprung sich einzurichten.  Wenn du achtsam bist dafür, wann deiner/deinem Partner*in für was Neues empfänglich ist, wirst du viel leichter zu gemeinsamen Erfolge kommen. Neuweg Wenn er/sie willig aber ratlos ist, können Verträge zu sinnvoller Ritualer führen. Das sind aber 2 Punkte. Ein Vertrag oder Abmachung ist nur effektiv und kollaborativ, wenn klare operationale Verhaltensweisen (ie Müll jeden Mittwoch früh runterbringen oder etwas sagen, sodass ich merke, dass ich mich von dir wertschätzt fühle- siehe 30 Tage Plan)definiert sind; wenn klare Belohnungen für das Einhalten des Vertrags und klare Nachteile vom nicht Einhalten des Vertrags, im Vertrag festgehalten werden; wenn Belohnungen und Nachteile – gegebene Fall unterschiedlich, aber im jeden Fall - für beide Vertragspartnern gelten. 

Gewohnheiten sind automatisierte (auch gedankliche) Verhaltensweisen, die sehr Energie sparend sind.  Da das Gehirn circa 20% der Energie, die wir zum Beispiel durch Essen, Trinken, Lachen und Schlafen einnehmen für Denkprozesse verbrauchen, sind sie grundsätzlich eine elegante Einrichtung.  Die Umstellung von Gewohnheiten oder die Einrichtung von Gewohnheiten, die auch als Rituale verstanden werden kann, ist nur in der Anfangsphase energieaufwendig. Insbesondere wenn die langfristige Energieeinsparung durch neue Gewohnheiten verbessert werden kann, ist es genauso sinnvoll, wie das Telefon- oder Stromanbieter zu wechseln. Dazu kommt, dass die Dissonanzen, die die Umstellung erzeugen, das Gehirn neu beleben und verjüngen.  Es bleibt dir überlassen, wie du damit umgehen willst. 

 

4. Überblick

Wir wissen, dass „das Böse“ bisher ein Teil des Menschenverhaltens ist.  Physische, sprachliche, psychische Gewalt ist in der Lage, die Stellung in der Hackordnung zu sichern und andersartige Wesen -aus welchem Grund und welcher Art auch immer- zu vernichten.  Aufgrund der Kulturentwicklung war es bisher fast unausweichlich gewesen, Mängel in der Bedürfnisbefriedigung aufzuheben und Vorteile in der Konkurrenz durch verschiedene Formen der Gewalt, einschließlich subtilen Druckes zu sichern. Wer nicht die beste Handhabung für den Umgang damit hat, bleibt dem Untertanen und weicht, wer kann aus. Heute sind die Erfolgschancen für eine massive globale Verbesserung der Lebensqualität auf fast alle Ebenen – ob Hausintern oder global - in Reichweite.  Denn inzwischen bezeugt eine unüberschaubare Menge an Forschung die Tatsache, dass Kooperation, Kollaboration und Wertschätzung wesentlich bessere Lösungen für unseren heutigen Aufgaben garantieren, als wir je mit den alten Methoden erreichen können. Aus der Vogelperspektive ist die Lage eindeutig. Nur weil ein Überblick aber zur Verfügung steht, heißt nicht, dass er für jedermann zugänglich ist. Ein Überblick, genauso wie ein Weitblick, ist erstmal eine abstrakte Sache.  Trotzdem ist sie für den Erfolg des Gedeihens im Leben unabdingbar. Ähnlich wie der GPS – Global Positioning System – ermöglicht er uns eine Orientierung und eine treffsichere Ausrichtung als Instinkte und analoge Landkarten, wenn wir nicht über diesen Orientierungssinn verfügen. Das Elegante am GPS ist das er meinungsfreie Zugang zu Information ermöglicht, die Lernen, praktische Orientierung und autonome Erfahrung fördert. Ich behaupte, dass bei unseren kulturgeprägten Kommunikationsgewohnheiten und dem Nebel, der rumschwirrenden Meinungen produziert, kaum jemand ausreichende Information hat, um treffsicher in eine heilbringende Zukunft über analoge Wege zu navigieren.  

Unsere sehr komplexe und differenzierte menschliche Veranlagung als zur Verfügung stehender Hardware, lässt sich neu programmieren. Ab circa den 16. Lebensjahr steht uns das abstrakte Denken aufgrund der Ausreifung des Gehirns zur Verfügung. Wir sind emotional, imaginativ und rational schon in der Lage uns von der Gegenwart zu distanzieren und der Perspektive des Gesamtbilds einzunehmen.  Auch hier spielt das Kippbild eine Rolle. Aus der Vogelperspektive sehen wir ein ambivalentes Bild, das so oder so interpretiert werden kann.  Wir können Nahrung oder Gefahren wahrnehmen, zum Beispiel. Wir können unser Ziel sehen oder aber ein Versteckloch finden.  Erstmal ist es ein Streck und Dehnübung, sie immer wieder mal einzunehmen. Experimentieren wir mit Weit- und Überblick, mit Visionen und Wünsche an dem Universum, dann entdecken wir die Gesetzmäßigkeiten, die unser Blick schärft, in der externen Welt der Biologie und Physik zum Beispiel oder in der internen Welt der eigenen Zellen, Stoffwechsel und Energieaustausch

Im häuslichen Alltag sind die Gesetzmäßigkeiten, die Erfolg ermöglicht, die Gleichen, die auf den größeren Bühnen anwendbar sind.  Das Gefühl ein sinnvolles Leben zu führen ist persönlich.  Wenn du dieses Buch liest, hast du vielleicht die Hoffnung oder die Neugier inzwischen nach den Sternen zu greifen, dich in dem eigenen inneren Kosmos zu vertiefen oder deine Intimbeziehung zu sanieren. 

Anstrengung, Pflicht, Unterordnung, Meinungen hegen und allgemein Druck ausüben bringt dich gut für schmalspurige folgerichtige Aufgaben weiter oder materielle Bedürfnisbefriedigung weiter. Damit eröffnet dir keine Vision! Den Blick zu schärfen, zu verfeinern, hin und her von Peripher auf Fokus zu schalten, sie auszuruhen oder zu trainieren kann einen spielerischen Zugang zu Vision einleiten. Hier auch greift der Grundsatz, dass frei-fließende Energie und absichtslose Experimentieren Intelligenz und Freude fördern. 

Connie und Helmut lebten zwar nicht in der gleichen Wohnung, definierten sich aber seit über 20 Jahre als Paar. Als sie endlich zur Therapie kamen nutzte Helmut die Gelegenheit die Beziehung zu beenden. Connie ging in einer Art Schockstarre zu erst. Sie berichtete, dass Helmut ihre große Liebe und komplette Wahlfamilie sei.  Sie zog ein Bild aus der Tasche von einem alten Ehepaar, die Arm und Arm lachend und zärtlich on der Kamera wegbewegte und sagte, das sei ihre Vision des Therapieziels.  Nun reagierte Helmut mit Schock.  Er berichtet, dass er sei lange Zeit sich in der Beziehung einsam fühlte und kein Kontakt mit ihr machen könnte. Sie berichtete das Gleiche.  Wir untersuchten ihre dyadische Stress- und Konfliktbewältigungsgewohnheiten.  Sie waren so schlecht, dass es sehr erstaunlich war, dass sie solange als Paar bis dahin durchgehalten hatte.  Grundsätzlich reagierten Sie beide mit Vorwürfen, Verteidigung, negativen Verallgemeinerungen, und Abwertungen aller Art auf einander, wenn irgendwas irgendwo schieflief. Trost, Beistand, Wertschätzung, oder gemeinsam gangbare Lösungen für Konflikte zu suchen fielen ihnen einfach nicht ein. Sie kannten auch niemand, die das in einer Intimbeziehung könnten. Beide Elternpaare waren noch viel schlimmer wie sie.  Die jeweilige Kindheit war entsprechend traumatisch. Als ich eine Vision von Frieden und Gedeihen durch Konfliktfähigkeit entwarf, fanden sie es lächerlich und unrealistisch.  Sie fühlte sich als amtlich anerkanntes Opfer, da er Schluss gemacht hat. Tränenreich und Wutentbrannt verließen sie die erste Sitzung nachdem sie eine zweite Sitzung für 4 Wochen später doch noch festlegten. Sie sagte die geplante Sitzung mehrfach ab und dann wieder zu.  Sie sahen sich in der Zwischenzeit nicht. Doch jede*r hatte Bezugspersonen, die sie Nahe legten, doch die zweite Sitzung zu beanspruchen.  So autoritär habe ich noch nie arbeiten müssen!  Ich hatte das Gefühl, sie könnte sich zerfleischen, wenn ich nicht aufpasste. Konsequent habe ich das Kampfmobbing unterbunden und mit ihnen sauberen Formulierungen ihrer jeweiligen Bedürfnisse und ihren Fragen aneinander.  Das Resultat war Tränen und Lachen und sehr viele Gemeinsamkeiten, unter anderem auch, dass es „affig“ sei, so mit einander zu reden. Der Ausspruch, „so bin ich nicht“ als ich eine Wiederholung der freundschaftlichen Formulierung verlangte, hörte ich öfter in der Sitzung.  Nach und nach, könnten sie sich von der Identifikation mit dem schlechten, gewöhnten Umgang verabschieden und hatten eine erste gemeinsamen Vision von einem konflikt- und stressfähige Umgangsstil.

Die Umstellung von Gewohnheiten hängt nicht nur von Beharrlichkeit, sondern auch von einer Ausrichtung auf einem übergeordneten Ziel ab. Ist sie negativ, im Sinne dies oder das unterlassen, ist die Macht der automatisierten Abläufe kaum zu unterlaufen. Hat sich eine Vision aus dem Überblick herauskristallisiert, zieht diese die Beteiligten in ihrem Bann. Sie wirkt sinnvoll und sinnstiftend auf der Umstellung von einem schädlichen Umgangsstil zu einer gedeihlichen Zukunft. Menschen, die als Teil eine Gemeinschaft auf Augenhöhe in ihrem Intimfeld leben, sind in der Lage ihr Umfeld damit anzustecken.  Menschen, die mit einer hohen Energieinvestition eine solche Veränderung vollzogen haben, können viel leichter anderen auch dahin lotsen, als diejenigen, die nicht so hart dafür arbeiten mussten.  Connie und Helmut sind mir ein Lichtblickt der Gesellschaft. 

Wenn ich über das abstrakte Denken einen Zukunftstraum kreiere, sehe ich eine Weltgemeinschaft in der die Menschen in der Lage sind, ihre „Triebe“ in den Diensten der Kollaboration zu zähmen und zu kultivieren.  Ich sehe eine globale Familie, die auf Augenhöhe komplexe und simple Aufgaben zum Wohle alle löst.  Ich sehe sinnlich differenziere Paare, die sich und ihre Kinder zu sich entfaltenden Wohlstand fördern.  Die Menschen sind wach, lebendig, grundsätzlich glücklich und in der Lage das Schädliche abzufangen und sinnvoll zu kompostieren.  Ich bin neugierig, was für Visionen Sie entwickeln.  Denn unsere Visionen führen dazu, dass wir unsere Gegenwart entsprechend gestalten. 

 

5. Wandel 

 

Wandel ist Entfaltung, Öffnung, Wachstum, Ausdehnung, Bewegung, Wanderschaft und das Leben nach Bedingungen, die Wandel begünstig gestalten. Wandel ist auch sich an veränderten Bedingungen anpassen. Was lebendig ist wandelt sich. Wandel kann nicht aufgehalten werden. Das Leben auf der Erde ändert sich ständig, ob in kleinen minimalistischen Schritten oder in Zeiten der Umbruch plötzlich.  Das Lebendige pulsiert. Es wandelt hin und her zwischen Veränderung und Regenerierung, zwischen Differenzierung und Regression. Doch geht es nicht hin und zurück, sondern nur hin auf dieser pulsierenden Weise. Wandel ist Zukunftsgestaltung. Er kann lang anstehen und passiert doch nicht oder vollkommen unerwartet anscheinend aus dem nichts kommen. Wie schnell oder langsam, wie groß oder klein die Veränderung ist, erleben wir sehr subjektiv. Subjektiv ist auch wie aufregend wir Änderungen empfinden. Fühlen wir uns in der Lage mit Neuem umzugehen, erleben wir Wandel als anregend.  Trauen wir uns wenig zu, wirkt er bedrohlich.  So sind wir beim Thema Wandel wieder bei Wertschätzung als Basis der Handlungsfähigkeit und Freude im Leben und bei Verbundenheit, die Sicherheit und Wirkungskraft gibt. Dieses Buch ist mein Beitrag zum Wandel. 

Wir nehmen wahr durch Vergleiche der Helligkeit, Farben, Entfernung, Lautstärke, Tonalität, Oberflächenbeschaffenheit, Temperatur und so weiter. Erkennen wir das Phänomen, das wir wahrnehmen mit der grundlegenden Frage im Kopf: was mache ich damit, sind Wahrnehmung und Begegnung nah beieinander. Leb ich in einem durchlässigen wachen Energietonus, sind Begegnung und Wandel nah beieinander. So entfaltet sich Intelligenz, eine Fähigkeit mit Komplexität umzugehen. Das Buch greift die dominante Umgangsform der Zwang, Druck und Gewinn durch Schaden an anderem auf und biete Möglichkeiten an, wie wir ganz persönlich die natürliche Entwicklungsfolgen nutzen können, um effektiverer Formen der Interaktion, der Autonomität und der Verbundenheit zu leben. 

Als Lebewesen und als Ergebnis der Paarung unseren Eltern ist unsere Aufgabe die höchst-möglichen Qualität des Gedeihens zu erreichen.  Idealerweise Lustwandeln wir richtung Zukunft entwickeln wir bewusst oder unbewusst ihre Fähigkeiten weiter. Dabei erleben wir als Individuen, Paare und Gemeinschaft Fehlschläge, deren Überwindung uns Fortschritt bringt. Die Überwindung von Unterschieden ist die fundamentale Triebkraft von Zukunftsgestaltung. 

An der biologischen und psychologischen Entwicklung von Intelligenz beim Kind sind viele physiologische und biologische Phänomene erkennbar.  Zuerst erforscht das Neugeborene sich und die Welt mit seinen Wahrnehmungssinnen und mit seiner Motorik.  Durch Bewegung und Sinneseindrücke bilden sich Neuronen Bündel und Bahnen im Gehirn und im Nervensystem des Kindes aus.  Wiederholungen und Variationen der Abläufe tragen zu der Bildung der erste Stufe der intelligenten Informationsverarbeitung bei. Je vergnüglicher, spielerischer und interaktiver diese Erfahrung ist, desto zuverlässiger und stabiler der Grundlage des Kindes ist.  Das Steuerungszentrum, Gehirn, bildet Neuronenbündel und -Banden mit den Funktionen der Wiedererkennung und Wiederholung aus. 

Mit zunehmenden Neuronenbündel und Bahnen, fängt das Gehirn in der nächsten Entwicklungsstufe an, äußerliche Erfahrung zu internalisieren und das Verinnerlichte spielerisch zu manipulieren. So entfaltet sich Fantasie, Vorstellungsvermögen, und ein erstes Verständnis für die äußere Welt. Ist das Kind in dieser Entwicklungsphase gestresst, zieht es sich auf die primäre oder sensor-motorische Ebene zurück, wo mehr Kompetenzsicherheit ist. Belohnt die Gemeinschaft das Kind durch Anerkennung von Gewalt, prägt dies das Verständnisses, für wie die Gemeinschaft funktioniert. In unserer Kultur geht meist die Zeit der Einschulung weitgehend einher mit der neurologischen und geistigen Entwicklung vom logischen, kausalen Denken.  Wenn dies, dann das! Mit dieser Fähigkeit steigt das Kind in der Gedankenwelt der Erwachsenen ein.  Ist diese Welt von hierarchischer Macht geprägt, lernt das Kind schnell folgerichtiges Argumentieren als Machtmittel einzusetzen. Die Fähigkeit der Sinn der Lage zu erfassen entfaltet sich nach der Pubertät.  Prägt Machtsicherung durch Variationen von Zwang die Gesellschaft, wird dieser Allgemeinkulturgut übernommen oder hinterfragt. Auf jeder dieser Ebenen der Intelligenz führt Spannung, die über die spielerische Lebendigkeit geht, zu eine Reduktion der Problemlösefähigkeiten und um einen Rückzug auf der Ebene der Informationsverarbeitung, die ihm am meisten Sicherheit gibt.

In meiner persönlichen Lebensgeschichte habe ich den alltäglichen Sadismus und Machtmissbrauch schon als vier-jährige hinterfragt.  Ich verkrümelte mich in dem Bettdeckenschrank und stellte mir vor, jede der Protagonisten zu sein, um sie zu verstehen und zu lieben.  Später entschlüsselte ich Geschichtsunterricht und aktuell soziales Verhalten um mich rum, um es überhaupt zu verkraften. Es kam mir alles so ineffektiv und unwürdig vor. Meine Arbeit mit geistig gestörten Kindern im Heim und mit Gewalttäter im Gefängnis bescherte mir rätselhaften Erfolgen. Später entdeckte ich in der Wissenschaft Beistand für mein Grundgefühl. Mit dem Aufkommen von inklusiver Kommunikation und Augenhöhe in Betriebe wurden meine Vorgehensweisen bestätigt. Das Buch ist ein Ergebnis eines 70-jährigen persönlichen Forschungsprozesses. 

Zunehmend wird die Nützlichkeit von schädlicher Gewalt differenzierter betrachtet und auch in Frage gestellt. Bisher gelingt es uns noch nicht, einen neuen Umgang für Gewalt zu etablieren.  Den brauchen wir aber dringend.  Denn es reicht nicht, schädliche Gewalt zu verurteilen.  Noch gibt es sie und wir brauchen eine wirkungsvolle Handhabung, die die Schädlichkeit unterbindet, die Kraft aber für eine gedeihliche Zukunft einbindet. Eine Kultur, die in der Lage ist, sich vor Gewalt zu schützen ohne selbst Gewalt zu praktizieren, hat es bisher nur sehr selten und vereinzelt auf die Erde gegeben.  Meine Schwester lebt auf Hawaii, weswegen ich mich sehr viel mit der Hawaiianische Kultur beschäftigt habe. Sie bieten uns in vielerlei Hinsichten wirklich gute Vorbilder für die jetzige Aufgabe des Paradigmawechsel, insbesondere in unsere Liebesbeziehungen. 

Dazu kommt, dass über die Jahrtausende das menschliche Gehirn sich tatsächlich auch als Organ weiterentwickelt hat.  Zu den beiden Hirnhemisphären hat sich der Fontallappen und das Gebiet des Gehirns, das für ganzheitliches Wahrnehmen zuständig ist, sich deutlicher herausgebildet. Das Wort "Mobbing" oder auch einfach "Diskriminierung" ermöglicht die Problematisierung eines Verhaltens, dass weitgehend in der Menschheit früher akzeptiert oder gar als notwendig empfunden wurde.  Die Salonfähigkeit des Wortes fördert die Suche nach Alternativen für schädliche - auch subtile, sprachliche und psychologische Gewalt zur Machtklärung. 

Darüber hinaus registriert jede Zelle in einem durchlässigen, gesunden Körper, ob sicherheitsabstand-suchendes Ausweichen oder nahrungssuchende Annährung ansteht. In einen so komplexen Körper, wie der menschlichen und in einer so komplexen Umwelt, wie die unsrigen, ist die Sache entsprechend interessant!  Gedeihen ist eine ganz raffinierte Teamarbeit innerhalb der eigenen Intelligenzformen – körperlich, imaginativ, gedanklich, sinnsuchend. Wenn auch die binare Wertungssystem von Schädlich vs. Gedeihlich grundlegend ist, wird was Schädlich ist und was Gedeihlich ist von Lernerfahrung in normalen Alltag geprägt. Wenn wir gelernt haben, dass es schädlich ist, nicht mit dem gängigen Machtsystem mit zu schwimmen, dann ist das im Alltag bestimmend.  Erst durch die gegenwärtige Zeitwende – wie auch immer sie zustande gekommen ist – haben wir die Möglichkeit innerhalb unserer Gemeinschaften besseren Handlungsoptionen zu wählen, mit denen wir eine neue Riga an Bedürfnisse befriedigen können. 

Zu dem schädlichen /gedeihlichen Aspekt der Wahrnehmung sind wir, in einer neuen Weise mit dem Problem der Erschöpfung konfrontiert. Wir sind oft mit einer Menge an Daten, Aufgaben, Entscheidungen, Eindrücken, u.v.m. überfordert.  Immer mehr Menschen haben vor der Pandemie festgestellt, dass sie oft im Alltag erschöpft waren.  Wir beachten diese Wahrnehmung meist nicht. Wir sind mit unzähligen Anregungen konfrontiert, wie wir die Erschöpfung entgegenwirken können. Manchmal trägt auch noch das schlechte Gewissen, dass wir die Anregungen nicht folgen, zu der Erschöpfung bei. Unsere Wahrnehmung bietet uns körperlichen Rückmeldungs- und Steuerungsangebote, die uns helfen könnten, dieses Problem zu lösen.  Erkennen wir sie, bräuchten wir nur folgerichtig und schlaftänzerisch den „Bauch“ entscheiden zu lassen! Das haben die meisten von uns bisher noch nicht erfahren. Die größten Belastungen, die wir erfahren, sind nicht extern, sondern intern.  Durch das Mobbingverhalten unserer eigenen Gedanken erleiden die meisten Menschen ständig vorbeugbare Schaden. Mit der globalen Vernetzung und die Unausweichlichkeit der globalen Probleme, wächst der Anteil der Erdbevölkerung, die auf der Suche nach effektiveren Lösungsgremien als Machthierarchien und effektiveren Mitteln als schädliche Gewaltanwendung.

Nadia und Jakob waren beste Freunde. In alle drei bisherigen Phasen ihrer zehn-jährigen Beziehung waren sie unerschütterlich beste Freunde. In den ersten zwei Jahren wuchs die Freundschaft in Vertrauen bis zu dem Punkt, wo sie wagten gemeinsam einen Start-Up zu gründen. Während der Start-Up Phase verliebten Sie sich und erlebten einen beruflichen und romantischen Höhenflug zusammen.  Als sie dann in der Phase des eingespielten Alltags kamen, zog sich Nadia sexuell von Jakob zurück. Sie kamen zu mir mit der verzweifelten Frage, ob die Liebesbeziehung vorbei sei? Jakob kam von einem egalitärischen Elternhaus mit viel Zärtlichkeit und offensichtlich verliebten und sexuell aktiven Eltern. Nadia kam von eine mehr-generations-weiblichen Haushalt.  Sie und ihre Schwestern waren Ergebnissen von leidenschaftlichem ungezügelten Sex und psychischer, emotionaler und physischer Gewalt, der nur durch sexuelle Abstinenz in Schach gehalten wird. Nadia ist das einzige Familienmitglied, das in einer langjährigen gewaltfreien Liebesbündnis lebt. Durch ihre engen Beziehungen zu ihrer Ursprungsfamilie wird sie fast täglich überschwemmt von neuen Gewalterfahrungen inbesondere, die ihrer Schwestern. Als bester Freund hörte Jakob diese Geschichten mit geschlossener Körperhaltung und einem Gesicht, das Entsetzen und Widerwillen ausstrahlte. Seine Kommentare drückten massiven Vorurteilen gegen alle Beteiligten aus. In ihrer Betroffenheit und Erregung ignorierte Nadia seine Botschaften bis sie ihr emotionaler Druck los geworden ist. In der Therapie erführen sie, dass ihr jeweiligen Verhalten in diesen Gesprächen pass genau die gängigen machthierarchischen Gebärden unserer Kultur widerspiegelten. Sie praktizierten nicht die inklusive, liberale, kreative Kollaboration in der Suche nach Verarbeitungsstrategien für die Gewalterfahrungen.  Es ist eine Form von Mobbing, das Verhalten in Nadias Familie zu verurteilen und mit der Identifikation des Schuldigen das Problem stehen zu lassen.  Es ist eine Form von Mobbing, sich nicht um Jakobs Unbehagen zu kümmern, sondern sich an ihm zu erleichtern. Sie waren natürlich beide von meiner Einschätzung der Störung schockiert und entsetzt. Sie erkannten sich aber wieder und erkannten, dass sie bisher, sich in diesen Gesprächen gegenseitig im Stich gelassen haben. Andererseits fiel uns auch alle auf, wie Komplementär ihrer Beziehung ist und somit ideal geeignet, das Problem der Sexualität durch die gemeinsame Bearbeitung der Probleme von Nadias Schwestern langfristig zu lösen. Ihre Unterschiede und unterschiedliche Prägung gaben ihnen die Bandbreite an Erfahrung, die das Problem forderte. Ein inklusives Vorgehen verlangte es, die jeweils eigene Ansichten und Einstellungen tiefer zu reflektieren, zu beobachten und zu verstehen, um sich einzubringen und auf Augenhöhe sich an der Problemlösung zu beteiligen. Jakob lernte den eigenen Ekel zu bändigen, seinen Wissenschaftler Hut aufzusetzen und wirklich interessierte hilfreiche Fragen zu stellen. Nadia lernte ihre Erregung und Erzähldruck zu bändigen und sich um Jakob und seine emotionale Reaktion auf den Inhalten zu kümmern, ohne ihr Bedürfnis nach Beistand in der spezifischen Sache untreu zu werden.  Beide lernten, verantwortlich und auf Augenhöhe sich mit diesen Themen zu befassen. Ihr Vertrauen zueinander, ihr Respekt für die gewachsenen Sexualität des Andern, ihre Kreativität in der Verarbeitung der Probleme in diesem Bereich und ihre Hilfestellungen für Nadias Familie wächst. Wer nicht glaubt, dass das alles sich in ihrer eigenen Sexualität nicht auswirkt, hat sich festgefahren! 

Inzwischen wird davon ausgegangen, dass Kooperation genetisch, biologisch in den Menschen verankert ist.  Konkurrenz ist wiederum ein gelerntes Verhalten, das zeitweilig in der Menschheitsgeschichte zur Etablierung von Hierarchien, die materielle Vorteile für die menschliche Entwicklung über Jahrhunderte sichert. Inzwischen hat die materielle Ausbeutbarkeit der Erde uns ökologisch , wirtschaftlich und kulturell an unseren Grenzen gebracht.  Unsere Hoffnung liegt in den Kipppunkte.  Eine Wendung in dem Paarverhältnis vom Machtgerangel zu kooperativer Gemeinschaft ist möglich und wesentlich leichter als die große Kulturwende, die auch ansteht. Zusätzlich zu den genüsslich freudigen Gefühlen, die Verliebtheit mit sich bringt, deaktiviert das Gefühl der Zuneigung, Begehren und Entzückung die neurologischen Bahnen im Gehirn, die für Angst, Wut und Kritik zuständig sind. Der Nervenbahn, der für Glück und Verbundenheit zuständig ist, verbindet den Neocortex mit dem Nucleus accumbens und somit mit dem Basalganglien, die Verbundenheit und kooperatives Verhalten sichert. Wenn sie aktiv ist, ist der Nervenbahn zwischen Nucleus accumbens und Amygdala ausgeschaltet oder auf Sparflamme setzt. Anders gesagt, ist zwar der verliebte Mensch blind für Gefahr, aber kreativer, kooperativer und intelligenter als sonst. Gegeben, dass es dir, in der Opferposition, gelingt, deine Schönheit und Anmut zu zeigen, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass der Mensch, der dich abwertet, seine Liebe als positive Kraft zu fühlen, ist viel für beide gewonnen.  Die Strategien, um das zu tun, sind vielfältig, aber sie funktionieren nur, wenn du aus deinem Zentrum voll hinter den Einsatz stehst. Bedenke, die verschiedenen Ebenen der Intelligenz deines Partners.  In jeder ist die Anziehung und Zuneigung zu dir angesiedelt. Wenn die Beteiligten in einer Liebesbeziehung sich für eine Zusammenarbeit, um Gedeihen für beide zu sichern, dann ist ein wichtiger Schritt richtung Heilung von Trauma, Weltfrieden und ökologische Wendung getätigt.  

Drei Fragen, die mir oft gestellt wird, möchte ich noch hier beantworten.

1) Aber was ist, wenn mein*e Partner*in oder ich tatsächlich eine Boderline oder narzisstische Persönlichkeitsstörung hat, unter Bi-Polarität leidet, oder zu Psychosen, Autismus, anti-soziales Verhalten, Gewalt oder Sucht neigt?  

Achtung geht es bei der Diagnose um eine Phänomenbeschreibung oder um einer Abwertung. Denken wir inklusiv und suchen nach Selbstregulierung und Umgangsformen, die kooperative Kommunikation fördert, dann kann auch hier eine Form für die Paarliebe gefunden werden. 

2) Was ist unsere Aufgabe als „Unbeteiligte“ im Konflikt? 

Wir wissen aus Mobbingratgebern und von Friedensmediatoren, wie wichtig die Position der Zeuge, der gleichzeitig Repräsentant der Gesellschaft ist. Auch wenn es uns noch nicht gelingt, tatkräftige Vorbilder der Kollaboration auf Augenhöhe zu sein, können wir unsere Stimme und Gewicht für die dritte Position, nämlich die der noch nicht bekannten einvernehmlichen Lösung, einsetzen. Wir sind alle beteiligt am Wandel. 

3) Was können wir tun, wenn die andere Person partout an ihre hierarchischen Machthaltung festhält? 

Respekt ist hier angesagt und die Regelung der Distanz, um die bestmöglichste Interaktion unter den Gegebenheiten selbst zu betreiben. Es irritiert die andere Person genug, wenn wir weder kämpfen noch kapitulieren. Ehrliche Bewunderung für die Eigenschaften oder Leistungen, die dir tatsächlich gefallen, kann die Lage abfedern. Sei achtsam das Gesicht / die Ehre deines Gegenübers nicht in Frage zu stellen oder ihn zu kritisieren. Denn einerseits büßt dann dein Gehirn Zugang zu Kollaborationsfähigkeiten ein und andererseits gefährdest du deine eigene innere Augenhöhe. Konkurrenz und aggressive Erregung ist sehr anstechend. Rückzug auf radikale Selbstfürsorge ist eine sinnvolle Option unter solchen Bedingungen. 

Zum Schluss noch eine Weisheit aus dem I Ging, das Buch der Wandlungen: Man darf nicht Großartiges gewaltsam durchsetzen wollen.  Denn Großartiges gelingt nur, wenn man das allgemeine Vertrauen schon genießt.  Nur im Stillen, durch treue und gewissenhafte Arbeit kann man allmählich dahin wirken, dass die Verhältnisse sich ändern und die Hemmung fällt. 

 

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